Aber dieser Verein in Bonn, der läßt mir keine Ruhe. "Bürger für Beethoven", das klingt, als würden in der ganzen Republik Beethoven-Konterfeis geschändet, Beethoven-Büsten zertrümmert, Henkel von Beethoven-Tassen abgeschlagen und Beethoven-Jutetaschen verbrannt. Steht es wirklich so schlimm um einen unserer nationalen Heroen? Muss Beethoven geschützt werden? Und wenn ja, vor wem?
Mein Puls ist schon bei hundertachzig, mit brennender Sorge über die zunehmende Missachtung unseres Weltgenies lese ich weiter. Beethoven soll als "Bestandteil lebendiger Alltagskultur der Menschen in Deutschland und in der Welt" erhalten bleiben. Okay. Finde ich gut. Die "Ode an die Freude" kann ich gar nicht oft genug hören. Vielleicht bekommt der Verein durch verstärktes Lobbying ja noch einen Satz in den Koalitionsvertrag, in dem die Aufführung des vierten Satzes der Neunten Symphonie in jedem Konzert mit klassischer oder auch zeitgenössischer Musik gefordert wird. Wobei der Status der zeitgenössischen "Musik" als Musik eventuell durch einen parlamentarischen Untersuchungsausschuss geklärt werden müßte. Aber auch für den Fall, dass der Abschlussbericht des PU's trotz prominenter Zeugen ("Herr Rihm, äußern Sie sich zu den vorgebrachten Anschuldigungen!") abschlägig ausfällt, kann es ja nicht schaden, die "Ode" trotzdem in den Konzerten mit zeitgenössischem Quatsch zu spielen. Dann gibt es wenigstens ein Stück ordentliche Musik zu hören. Nö, also da kann ich wirklich nichts dagegen sagen, "lebendige Alltagskultur" finde ich toll, genauso "Menschen"; und auch "Deutschland" und "die Welt" sind schöne Wörter.
Ich überlege schon, dem Verein beizutreten, ich bin schließlich "Bürger" und "für Beethoven". Dann lese ich aber noch weiter und folgendes:
Nach Eisels [dem Vorsitzenden des Vereins] Ansicht könnte das "nationale Beethoven-Signal im Koalitionsvertrag" auch dem Bauprojekt eines Beethoven-Festspielhauses in Bonn einen Schub geben. Der Bund will für den Betrieb eines solchen Festspielhauses 39 Millionen Euro zur Verfügung stellen. (Spiegel Online vom 28.11.2013)Moment mal, denke ich, das kann ja gar nicht sein. Diese Spiegel-Schreiberlinge sind doch wirklich perfide. Stellen einen Zusammenhang zwischen dem Bemühen eines ehrenwerten Vereins in Bonn um das ehrende Angedenken eines Nationalheiligtums und der schnöden Finanzierung eines
Neben dem Artikel ein kleiner, verschämter Hinweis auf die Spendenaktion für das neue Festspielhaus (übrigens mit einem tollen Bild, das Beethoven Zieharmonika spielend vor irgendeinem Sockel sitzend zeigt). Natürlich klicke ich drauf. Gleich oben auf der Spendenseite der Hinweis, dass Spenden an den Verein steuerlich abzugsfähig sind. Gut zu wissen! Unten ist der Beethoven-Taler abgebildet, aus dessen Lizenzeinnahmen ein Teil der Kosten für das Festspielhaus bestritten werden soll. Gelungenes Design, muss ich sagen. Und man kann draufklicken. Wunder der modernen Technik. Ach so, es ist ein Schokotaler. Ich dachte, es sei eine Silbermünze. Aber klar, Schokolade und Beethoven, das gab's noch nicht in der "Alltagskultur", und so bleibt der Verein seinem Anliegen konsequent treu. Schmeckt bestimmt super, zumal es ganz unterschiedliche Geschmacksrichtungen gibt. Keine Frage für mich, da mache ich mit. Unschlüssig bin ich nur noch, ob ich nun das kleine "Goldtaler"-Lizenzpaket für 10.000 € im Jahr nehme, oder doch gleich das "Platintaler"-Paket für 25.000 €.
Wieder zurück auf der Vereins-Seite lese ich, dass nicht nur der Bund bereits 39 Mio. Euro zugesichert hat, sondern dass die "DAX-Unternehmen" (nicht etwa irgendwelche popeligen ausserbörslich notierten Klitschen) DHL, Postbank, und Telekom 75 - 100 Mio. Euro beisteuern wollen. Und dass die "Bürger für Beethoven" auch alle Mitglied bei den "Fest.Spiel.Haus.Freunden" sind (also den Festspiel Hausfreunden). Halt, halt, halt, denke ich, nochmal der Reihe nach. Es ging doch darum, dass wir wieder mehr Beethoven-Kopf-Bilder in deutschen Fussgängerzonen und mehr Teilaufführungen der 5. Symphonie brauchen. Was sollen wir denn da mit einem Festspielhaus? Ich bin ja wirklich Beethoven-begeistert, aber ein 100 Mio. teures Haus, um darin das Anfangsmotiv der 5. und den Schlussatz der 9. aufzuführen und im Foyer Beethoven-Büsten aufzustellen, das kommt mir dann doch etwas aus der Relation geraten vor. Auch wenn die DAX-Konzerne (also nicht irgendwelche kleinen Klitschen) Postbank, DHL und Telekom einen Riesenhaufen Geld zuschießen, der Bund muss ja trotzdem die 39 Mio. liefern. Vielleicht könnte er ja bloß 34 Mio. nach Bonn transferieren und dem unheimlich klammen SWR 5 Mio für den Erhalt des Baden-Badener und Freiburger Orchesters rüberschieben. Ach nein, da fällt mir ein, dass die ja gar keinen Beethoven spielen. Oder nur ganz selten. Die machen diesen Neue-Musik-Quatsch. Neee, dann lass mal. 39 Mio. nach Bonn für die Schokotaler und gut is. Also ich bin dafür! Und rufe hiermit zur Gründung des Vereins "Bürger für 'Bürger für Beethoven'" auf.
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