Als hätte ich es geahnt, lese ich in der ZEIT vom 14. November einen Kommentar von Hanno Rauterberg zum aktuellen Rekordpreis für ein Werk von Jeff Koons. Im Gegensatz zu Bacon lebt Koons ja noch, und das offensichtlich nicht schlecht. Jetzt hat also sein Balloon Dog (Orange) den hübschen Preis von 43,46 Millionen Euro erzielt. Für Hanno Rauterberg ein Anlaß, einmal über das Verhältnis von Kunst und Geld nachzudenken.
Naja, ich schreibe "nachdenken", meine aber eher "schwadronieren". Denn besonders erhellend sind Rauterbergs Einlassungen nicht. Da gibt es zum einen den berühmten "Künstlerkönig" Jeff Koons, den "immer bestens gelaunten Amerikaner", der "großformatige Nichtigkeiten" herstellt. Seine Arbeiten sind "nicht sonderlich originell, nicht radikal, nicht tiefsinnig oder gar provozierend". Weiter gibt es den heutigen Kunstmarkt als "globales Geschäft, oft oberflächlich, ortlos, ohne einen Hallraum, in dem ihr [der Kunst] Funke gewaltig zünden könnte". Dagegen war früher, in den good ol' times, alles besser, als Kunst noch Provokation war, als Künstler noch nicht ihre Werke zu Auktionen schleppten, sondern "den Traum von einer anderen, besseren Welt" träumten. Und zu guter Letzt gibt es die geistig hohlen Superreichen, die sich Kunstwerke als "Insignien der Macht" anschaffen, in denen sie ihren "eigenen Reichtum [...] feiern".
Rauterberg steht nach eigener Aussage ob dieser gezahlten Riesensumme für ein offensichtlich wertloses "Kunst"objekt vor einem Rätsel: "Was nur macht diesen Pudel so wertvoll?" Seine Antwort am Ende seines Ausfluges in das Reich des bösen Kunstmarktes: "Erst das Geld rettet das Ballon-Tierchen aus seiner Banalität und verleiht ihm einen scheinbar überzeitlichen Rang."
Man spürt förmlich, wenn man den Artikel liest, wie Rauterberg sich am liebsten permanent übergeben würde, wie er sich ekelt vor diesem Kunstzirkus, vor dem ganzen Geld, vor den Menschen, die darin eine Rolle spielen. Nur ist so ein starkes Gefühl wie Ekel kein guter Begleiter beim Denken. Und so kommt es, dass Rauterberg eigentlich komplett danebenliegt. Er verfällt den Mechanismen, die er vorgibt, so sehr zu verabscheuen. Nur weil irgendwer behauptet, dieser Zirkus sei ein Kunstmarkt, in dem Kunstobjekte gehandelt würden, heißt das noch lange nicht, daß dem so ist. Und doch versucht Rauterberg die ganze Zeit über, den Pudel irgendwie als Kunstwerk zu verstehen. Dabei ist die Sache doch ganz einfach: Es ist keine Kunst. Rätsel gelöst. Man muss nicht über den Niedergang der Kunst jammern, man muss nicht wieder und wieder erzählen, wie toll und provokant die Kunst früher mal war und es heute nicht mehr ist. Es gibt auch heute noch tolle, provokante Kunst, für die keine Horrorpreise gezahlt werden. Nur gibt es sie eben nicht mehr im Kunstmarkt. Alles, was dort gehandelt wird, verliert seinen Status als Kunstwerk. Ganz einfach deshalb, weil der Batzen Geld, der mit dem jeweiligen Objekt verküpft wird, den Kunstcharakter unterminiert. Ich kann mir ein solches Stück nicht mehr ansehen, ohne das Geld mitzudenken. Das Geld wird zu einem essentiellen Bestandteil der Rezeption. Alles Kunsthafte wird nur noch unter dem einen Blickwinkel betrachtet: Ist es sein Geld wert. Leider, leider gilt dies auch für die Werke der alten Meister, denen man ja ohne weiteres zugestehen muss, dass sie zum Zeitpunkt ihrer Entstehung Kunstwerke waren. Geraten sie aber in den aktuellen Kunstmarkt, verlieren sie diesen Status. Und werden zu Aktienpapieren. Der Taschenspielertrick, einfach das Geld selbst zur Kunst zu erklären, wie Rauterberg das versucht ("In den funkelnden Oberflächen der Koons-Skulpturen erscheint das Geld selbst als große Kunst. Der materielle wandelt sich in einen ideellen Wert."), mag naheliegen, ist aber eigentlich eine Kapitulation vor den Mechanismen des Marktes: Als könne der Markt bestimmen, was Kunst ist und was nicht. Und wir müßten hinterherhecheln und die entsprechenden Begründungen liefern. Nein. Der Markt ist eine Kunstvernichtungsmaschine. Dass er Kunstmarkt heißt, ist eigentlich eine Niederträchtigkeit.
Rauterberg ist ja der Meinung, dass ein Kunstwerk keine "vernünftige Investition" sei. Ein Betrag wie der für den Koons'schen Pudel gezahlte lasse sich "kaum deutlich vermehren". Aber verkauft der Besitzer des Pudels ihn in einigen Jahren für 48 Millionen Euro (absolut gesehen kein großer Sprung), dann hat er eine Rendite von über 10% eingefahren. Und das mit einer relativ großen Sicherheit. Keine andere Anlageform bietet diese Möglichkeiten bei vergleichsweise geringem Risiko.
Leute, kauft Kunst!
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