Heute konnte man lesen, dass die Three Studies of Lucian Freud von Francis Bacon bei einer Auktion in New York einen Rekordpreis von 142,4 Millionen Dollar erzielt haben.
Nochmal zum Mitlesen: einhundertzweiundvierzig Millionen und vierhunderttausend Dollar.
Oder, beim aktuellen Wechselkurs: 106 127 729 Euro.
Ich kann mir solche Geldbeträge nur schlecht vorstellen, irgendwie taucht vor meinem inneren Auge dann immer der Geldspeicher von Onkel Dagobert auf. Es ist auf jeden Fall eine ganze Menge Kohle. Eine groteske Menge Kohle. "Unmoralisch viel" müßte ich eigentlich gleich noch hinzufügen, damit sofort klar ist, dass ich mich hier eines politisch korrekten Umgangstons befleißige. Ich distanziere mich also hiermit von diesem gigantischen Haufen Geld. Und nenne ihn "unmoralisch". Soviel dazu.
Immer mal wieder tauchen diese Rekordmeldungen in der Presse auf und jedesmal spürt man beim Lesen eine gewisse Begeisterung der Autoren für diese absurden Rekorde. Ist ja auch verständlich, wir lieben es, unsere Welt schön ordentlich zu sortieren, es muss nun mal einen größten Menschen der Welt geben und einen kleinsten, das schnellste Serienauto der Welt, das höchste Haus der Welt, die größte Stadt der Welt, das reichste Land der Welt und eben auch das teuerste Kunstwerk der Welt. Der Superlativ garantiert Stabilität, weil er absolut ist. Kein relativistisches Wischi-waschi wie beim Komparativ, bei dem immer noch ein Zweites als Bezugspunkt herangezogen werden muss. Nein, im Superlativ ist man einsam an der Spitze. Von was auch immer. Aber man ist oben.
Da man nun den ästhetischen Wert eines Kunstwerkes und damit seine Position in der Bestenliste nicht in Zahlen festmachen kann, rechnet man ihn kurzerhand in Geld um. Das funktioniert wie alles im Geldmarkt durch den Rechenfaktor Glauben. Wenn ich daran glaube, dass die Aktie eines Unternehmens irgendwann mehr wert ist als jetzt, dann kaufe ich sie. Vielleicht finde ich hier und da ein rationales (Schein-)Argument, das meinen Glauben stützt, aber Glaube bleibt Glaube, und es wird auch mit zehntausend Wirtschaftstheologen keine Wissenschaft draus (als bedürfte es noch eines Beispiels erwähne ich nur nebenher den kürzlichen, höchst erfolgreichen Börsengang von Twitter, einem Unternehmen, das noch keinen einzigen Cent Gewinn gemacht hat). Dass also solch eine Gemäldeaktie ausserdem noch ein Kunstwerk ist, spielt eigentlich nur insofern eine Rolle, als sie wie ein schön gestaltetes Aktienpapier einen gewissen überschüssigen Wert hat, den man noch obendrauf bekommt, der aber eigentlich gar nichts kostet: den ästhetischen. Ansonsten ist sie als Handelsprodukt eingebettet in einen Markt, der genauso funktioniert wie der stinknormale Markt der Industriegüter. Wenn viele Leute etwas wollen, was es nicht in entsprechender Menge gibt, dann wird es teuer. Und da das Angebot an Werken von Bacon oder Munch oder van Gogh eben sehr begrenzt ist und die Nachfrage offensichtlich sehr groß, sind die Preise auch entsprechend.
Als Komponist kann man über diesen Kunstmarkt nur staunen. Wie bei einem schlimmen Unfall kann man gar nicht wegsehen, voller Neugierde, was da eigentlich los ist und gleichzeitig froh, nicht selbst drinzustecken. Und - hier verlasse ich das Bild des Unfalls - mit etwas wehmütigem Neid ob der wunderschönen Summen, die man dort, auch als Künstler, verdienen kann. Hätte man doch nur auch so ein handfestes Produkt wie die Bildenden, das man verkaufen könnte.
Oh Musik, Du flüchtiges Danaergeschenk!
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen