Freitag, 22. November 2013

Kommentar 5.3 - Also Krieg, ne, Krieg, ich sach mal so, so 'n Krieg, das is' wirklich 'ne schlimme, schlimme Sache / Fetzen einer Poetik 3

Weiter geht es mit meiner Reihe der Verrisse Analysen von Werken des Neuen Konzeptualismus. Heute:

Stefan Prins - Generation Kill

Ich war da. Höchstpersönlich. Bei der Uraufführung von Generation Kill von Stefan Prins bei den Donaueschinger Musiktagen letztes Jahr. Und ich muss sagen, das "Erlebnis" kommt in dem Youtube-Video nicht einmal annähernd rüber. Es war laut. Unheimlich laut. Und lang. Unheimlich lang. Fünfundzwanzig Minuten können sich wirklich ziehen, wenn man beinahe ununterbrochen mit Klang im eher unangenehmen Frequenzspektrum beschallt, nein, was sage ich, angeschrieen wird.

Um was geht's also in dem Stück? Stefan Prins läßt uns glücklicherweise nicht im Unklaren darüber. Ich paraphrasiere mal aus dem Programmhefttext: Der Arabische Frühling hatte viel von seiner Wucht den sozialen Netzwerken (für diejenigen, die mit diesem recht neuartigen Begriff nichts anfangen können: zum Beispiel Facebook und Twitter) zu verdanken. Stefan Prins hat das aufmerksam verfolgt. Dann hat er sich im Internet (wo denn bitte sonst?) umgesehen und einen Trailer für eine Fernsehserie gefunden, die Verfilumg eines Buches, in dem es um die Erlebnisse eines "embedded reporters" während des zweiten Irak-Krieges geht. Darin (also in dem Buch) hat er ein Zitat eines Soldaten aufgegabelt, in dem dieser berichtet, stets mit einem "good song in the background" in die Schlacht zu ziehen. Außerdem, so Evan Wright, der Autor des Buches zur Fernsehserie, sei dieser Krieg der erste der "Generation Playstation" gewesen, und diese Generation habe einen sehr guten Job im Krieg gemacht. Stefan Prins ist zurecht entsetzt. Und beschließt, ein Stück über sein Entsetzen zu machen.
Da sitzen also vier Spieler mit Gamecontrollern mit dem Rücken zum Publikum vor der Bühne. Auf der Bühne sitzen vier Instrumentalisten (Geige, Cello, Schlagzeug, E-Gitarre) hinter halbdurchsichtigen Leinwänden. Auf die Leinwände werden Videoaufnahmen der Instrumentalisten projiziert, so dass sie sich mit den dahinter sitzenden echten Instrumentalisten überlagern. Die Aufnahmen werden von den vier Gamepad-Spielern gesteuert.
Klanglich bewegt sich das Ganze in eher glitchigen Sphären, wobei die Spannweite von sehr glitchig bis total glitchig reicht. Die Instrumente werden mit allem, was das Arsenal der erweiterten Spieltechniken hergibt, malträtiert bedient, eine Differenz zur elektronisch veränderten Zuspielung ist größtenteils nicht mehr auszumachen (ist ja auch klar, es geht immerhin irgendwie um Krieg in dem Stück und da kann man nicht erwarten, einen schönen, warmen Celloton zu hören). Die elektronischen Verfremdungseffekte werden durchwegs (zumindest im ersten Teil bis Minute 11) durch seeeeeehr laaaangsaaaames Aaaabspieeeeeel oderdurchsehrschnellesabspiel vorwärts oder sträwkcür erreicht. Das geht also mal mehr, mal weniger mehr dicht ungefähr elf Minuten lang in dieser spannungslos aufgeregten Art, dann stehen die Gamepad-Spieler auf und wechseln die Plätze. Das sieht (auf dem Video und in echt) irgendwie unbeholfen aus und wirkt völlig unmotiviert. Einziger Effekt ist, dass man während der folgenden sechs Minuten ständig versucht herauszufinden, warum die jetzt die Plätze gewechselt haben. Es ist nämlich keineswegs so, dass nun irgendwelche Über-Kreuz-Aktionen stattfinden. Das heißt: Vielleicht finden sie statt, vielleicht steuert also jetzt der Spieler auf Platz drei den Instrumentalisten (bzw. dessen Video- und / oder Audiozuspiel) auf Platz vier oder so. Aber man hat keine Möglichkeit herauszufinden, ob und wenn ja wie das geschieht. Man sieht nur eine Änderung in den Videoprojektionen, die nun nicht mehr frontal den Instrumentalisten zeigen, sondern live-Aufnahmen von links oben, die offensichtlich ebenso live gesampelt werden und forthin als Videozuspiel dienen. Außerdem sind nun Klang und Video voneinander entkoppelt, während sie in den ersten elf Minuten streng aneinandergebunden waren. Ob das alles etwas mit dem Sitzplatzwechsel zu tun hat, entzieht sich der Herausfindbarkeit.
Klanglich tut sich nichts, es ist und bleibt für die nächsten sechs Minuten glitchig, selbst wenn die echten Instrumente gespielt werden (siehe erweiterte Spieltechniken).
Dann, bei Minute 17 und ein paar, hören plötzlich alle auf zu spielen und wir sehen knapp zwei Minuten lang Videos von echten Drohnenangriffen. Also diese grünlichen Bilder, die wir aus den Nachrichten kennen, wenn mal wieder wahlweise ein Terrorist in seinem Unterschlupf oder eine Hochzeitsgesellschaft mit chirurgischer Präzision eliminiert wird. Mich überkommt ein leichtes Unwohlsein: Kann es wirklich sein, dass Stefan Prins den im Programmheft zusammengezimmerten Zusammenhang zwischen Computerspiel und echtem Krieg eins zu eins umgesetzt hat? Ich zweifle noch, nehme ihn innerlich vor mir selbst in Schutz. Aber dann geht das Stück weiter und wir sehen die Gamepad-Spieler selbst auf den Videoleinwänden, wie sie die Klänge steuern. Aha!! Damit wir nicht vergessen, was sie eigentlich steuern, sind immer mal wieder die grünlichen Bilder von den Drohnenangriffen dazwischengeschnitten. Und damit wirklich überhaupt gar kein Zweifel mehr aufkommt, lösen sich die Videozuspielungen der Instrumentalisten nach und nach in grüne (!) Pixel auf. Nur klanglich werden wir nicht weiter mit irgendwelchen Bezügen behelligt, das geht so in einem fort wie es vorher aufgehört hat, vielleicht ein bisschen dichter jetzt. Ganz am Schluss tauschen, weil das ja bei den Gamepad-Spielern schon so ein super Effekt war, nochmal die Instrumentalisten die Plätze und mit elektronischem Geknattere hört das Stück dann auf.

Ich muss zugeben, dass ich mich spätestens ab der Stelle mit den Drohnenvideos ein klitzekleines bisschen fremdgeschämt habe. Zu offensichtlich und eindeutig (= eindimensional) ist der Zusammenhang, den Prins herstellen will: Unsere Generation ist von der virtuellen Realität versaut und kann deshalb gar nicht mehr unterscheiden, wer oder was mit den Gamepads überhaupt gesteuert wird. Diese Aussage ist nicht nur von keinerlei Selbstreflexion angekränkelt, sie ist letztendlich auch wieder nur ein Gag, wenn auch ein unlustiger: Gamepad -> Klang- /Videosteuerung wird umgedeutet zu Gamepad -> Drohnensteuerung. Für einen bloßen Gag aber finde ich die Einspielung von Videos, in denen echte Menschen getötet werden, reichlich unangemessen, um nicht zu sagen: zynisch. Die Funktionalisierung von echten Todesopfern zum Wohle eines Konzeptes. Und nur das Konzept ist wichtig. Nicht irgendeine doofe Realität, die andauernd mit irgendwelchen Schattierungen daherkommt. Dass zum Beispiel irgendwelche alten Säcke älteren Herren, die mit einer Playstation bestimmt nichts am Hut haben, in irgendeinem Büro die Entscheidungen für bestimmte Einsätze oder Kriege treffen und schon lange darauf hinarbeiten, dass demnächst nicht mehr Menschen, sondern künstliche "Intelligenzen" die einzelnen Tötungsentscheidungen treffen, das würde die Prins'sche Gleichung nur unnötig verkomplizieren und wird daher ausgeblendet.
Wenn ich konkrete Aussagen über die Welt machen will, dann kann ich mich nicht einfach mit einer zurechtgestutzten Version der Welt abgeben. Damit mache ich ja genau das, was ich eigentlich "kritisieren" will: nämlich nicht die Welt (= die Menschen in ihr) als solche zur Kenntnis zu nehmen, sondern eine bloß virtuelle, vorgestellte, auf Linie gebrachte Version von ihr (von ihnen).

Stefan Prins wollte nach eigener Aussage ein Stück machen, das "on a society which is more and more monitored, on the increasing importance of internet, networks and social media, which are fuelled by video's taken with webcams and smartphones, on video-games and on wars fought like video-games, on the line between reality and virtuality which gets thinner by the day" reflektiert. Das ist eine ganze Menge Inhalt, selbst für ein 25minütiges Ensemblestück. Oder vielleicht auch nicht. Denn im Grunde stehen in diesem Text recht unverbunden einige ziemlich neumodische Schlagworte beieinander und treten sich gegenseitig auf die Füße. Wirklich etwas bedeuten (in dem Sinne, dass diesem Haufen von Signifikanten auch eine entsprechende Anzahl von Signifikaten entgegenstünde) tut das alles nichts. Genauso ist dann auch das dazugehörige Stück: ein Haufen Bedeutungsträger, die auf nichts verweisen, außer auf die ziemlich lahme Aussage, dass technisch heute so einiges möglich aber vielleicht nicht wünschenswert ist. Wenn ich mir den gigantischen Max/MSP-Patch vorstelle, der auf den Laptops der Gamepad-Spieler wahrscheinlich läuft, dann kann ich dieser Aussage nur zustimmen. Immerhin.


Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen