Wenn Sie aber doch Zeit haben, dann empfehle ich einen der folgenden Soundtracks (ganz leise während der Lektüre im Hintergrund zu hören): Den, den (und dann auf Autoplay schalten) oder den.
Ich dachte, ich mach zwischendurch mal eine Textanalyse, irgendwie hab ich für diese Woche genug Neue Musik gehört. Wie durch Zufall habe ich auch zwei wunderbare Texte parat, beide von Rainer Kohlberger, der Medienkunstirgendwas, ach was, reden wir nicht lange drumherum: Medienkunstquatsch macht. Entschuldigung, ich muss natürlich differenzieren: Großen Medienkunstquatsch.
Kohlbergers Selbstbeschreibung (ich gehe mal davon aus, dass diese Vita keine hochdotierte Werbeagentur verfaßt hat) liest sich so:
Rainer Kohlberger, geboren in Linz, lebt als freischaffender Videokünstler und Filmemacher in Berlin [ja wo denn sonst? Ich bin ja dafür, nur noch Wohnorte in Bios zu nennen, die nicht "Berlin" heißen]. Seine algorithmisch komponierten [wie jetzt, "komponierten", ich denke, er ist "Videokünstler und Filmemacher"? darf denn jetzt schon jeder komponieren?] Arbeiten kerben [hä?] sich aus einer reduktionistischen Ästhetik der Flächigkeit [ich muss jedesmal laut lachen, wenn ich das lese. Eine "Ästhetik der Flächigkeit" ist schon von sich aus "reduktionistisch", weil sie alles mögliche andere von vorneherein ausschließt. Das ist also schonmal eine Tautologie. Mir leuchtet auch nicht ein, warum man sich in seiner Vita (!!) schon auf so einen seltsam eingeschränkten Ästhetikbegriff freiwillig kapriziert. Und darüber hinaus weiß ich gar nicht, ob "Ästhetik der Flächigkeit" wirklich etwas bedeutet, also hier draußen, in der Nicht-Medienkunstquatsch-Welt, wo Begriffe tatsächlich hin und wieder einen echten semantischen Wert haben; und zu guter Letzt habe ich keine Ahnung, wie man aus einer "Ästhetik", sei es eine der Flächigkeit oder der räumlichen Tiefe, irgendetwas "kerben" kann], der Drones [oh Gott, Drones schon wieder, hat doch der Niblock schon abgefrühstückt, kennste einen Drone, kennste alle, weiß gar nicht, was alle mit diesen Drones haben, es brummt halt lang rum, mal mehr mal weniger hell oder dunkel oder laut oder leise] und Interferenzen [klingt immer gut, "Interferenzen", kann man nix falsch machen]. Den Bild- und Klangwelten [aha, ganze Welten also gleich, drunter geht's wohl nicht, nicht etwa Bildabstellkammer oder Klangdoppelhaushälfte] inhärent [natürlich, "inhärent", wir wollen ja nicht, dass das jeder Trottel gleich versteht, ist ja schließlich Kunst] ist dabei das Rauschen [mit anderen Worten: Bilder und Töne (von Kohlberger, oder überhaupt alle? Wird nicht ganz klar) rauschen manchmal oder öfter oder immer. Warum nicht gleich so? Ach so, klingt irgendwie banal? Naja, vielleicht liegt das daran, dass die Aussage von Kohlbergers Satz eben banal ist] - es fasziniert [also mich bis jetzt noch nicht] als die Ahnung einer Unendlichkeit [Achtung, jetzt wird's gut], die sowohl die letztgültige Abstraktion als auch unverbesserlich verschwommen ist [Evangelium nach Rainer; das ist nun wirklich kompletter Nonsens, dazu noch semantisch völlig schief, ausserdem ein ungekennzeichnetes Zitat, wie später klar wird: Er meint wahrscheinlich (ich versuche tatsächlich, diesem Gesülze irgendeinen Sinn abzugewinnen), dass man das Rauschen nicht wegbekommt oder sowas in der Art, daher das "unverbesserlich", das aber natürlich im Deutschen (im Kohlbergerischen vielleicht nicht) die Konnotation von charakterlichen Defiziten hat, also im Zusammenhang mit Verhalten von Personen gebraucht wird; man sagt ja auch nicht: Dieser Motor verbraucht unverbesserlich viel Benzin]. Seine Arbeiten [die gekerbten also] wurden international [ich nehme mal an Deutschland und Österreich] in unterschiedlichen Formaten und Kontexten [Worthülsenalarm] gezeigt - Filme, Raum-Installationen und Live-Performances [alles dabei, was dasKünstlerHipsterherz begehrt] lassen sich in einer konzentrierten Form der Intensität erfahrbar machen [oh Mann, wo soll ich da anfangen? Erstens: Wieso "lassen" sie sich "erfahrbar machen"? Klingt wie ein mieser Werbetext für eine Wellness-Oase: "Lassen Sie sich von uns in die Welt der Sinne entführen." Ich denke, er hat diesen ganzen Kram schon aufgeführt, wieso also dieses ins Futur weisende "lassen"? Wo läßt sich das Zeug erfahrbar machen, in den Formaten und Kontexten? In welchen genau? Zweitens: eine "konzentrierte Form der Intensität" ist schon wieder tautologisch. Intensität ist schon von sich aus konzentriert, sonst hätte Sie kein Intensitäts-haftes an sich (Kant, halt dir die Ohren zu). Gibt keine breitgefächerte Intensität, oder eine lasche Intensität. Und drittens: Warum überhaupt ist es erwähnenswert, dass irgendein Zeug in einer "konzentrierten Form der Intensität erfahrbar" sein soll? In jedem stinknormalen Abokonzert kann ich diese sogenannte Intensität erfahren, was zum Teufel brauche ich da noch irgendwelche "Formen und Kontexte"?]. Er wurde mit mehreren internationalen Preisen ausgezeichnet [na klar].
(entnommen dem Programmheft von klub katarakt 11, Lange Nacht, 16.1.2016)
Wer jetzt denkt, okay, die Vita ist vielleicht aus Platzgründen irgendwie zusammengekürzt und dadurch entstellt worden, dem muss ich leider noch den Programmtext von fluctuations (around zero) und (around one) zumuten. Da wird's erst richtig lustig (oder auch nicht, je nachdem).
Rainer Kohlberger: Hintergrundrauschen [steht genau so in o.g. Programmheft]Sätze, wie aus Wackelpudding gemeißelt. Es stimmt fast nix daran. "Grundsätzliche Paradigmen" ist eine Tautologie (eine Spezialität von Kohlberger offensichtlich), ein Paradigma ist immer etwas Grundsätzliches; "Paradigmen des Digitalen" gibt es nicht, was soll denn das sein, das "Digitale" an und für sich (streng genommen ist es einfach ein binäres Zahlensystem, aber das meint er ja wohl nicht, er meint ja wohl eher "Kompjutaah")? Warum man "grundsätzliche Paradigmen des Digitalen" in einem Kunstwerk begreif- und erfahrbar machen soll, erschließt sich mir nicht, bzw. ist das ja Unsinn: Dazu gibt es wissenschaftliche Theorien, Medientheorie, Zahlentheorie und dergleichen. Man kann solche Theorien für Kunst fruchtbar machen (auch die Frage, ob man das unbedingt muss, aber immerhin), aber "Paradigmen" in Kunst begreifbar zu machen ... I don't think so.
In meiner Arbeit bewege ich mich sehr nahe an dem, was es heißt, grundsätzliche Paradigmen des Digitalen zu begreifen und erkennbar zu machen. Deshalb ist es notwendig, einen kurzen Einblick in jene Genealogie zu verschaffen, die meinem Denken vorausgeht.
"Deshalb" verstehe ich nicht, ich denke, die künstlerische Arbeit soll die Paradigmen begreifbar machen, weshalb also jetzt noch der ganze Sermon mit Pseudo-Medientheorie (immerhin noch 2 eng bedruckte Seiten, die folgen)? "Einen kurzen Einblick" ist auch gleich gelogen, der Einblick ist wie gesagt 2 Seiten lang, eine reine Unverschämtheit für einen Programmtext. "Genealogie, die meinem Denken vorausgeht" ist mal wieder eine Tautologie, eine Genealogie geht immer voraus, niemals nach. Den Beweis, dass Kohlberger ein eigenes "Denken" hat, bleibt er bislang schuldig.
Die Universalmaschine Computer bietet seit ihren Anfängen das Versprechen einer neuen Ästhetik, einer 'Künstlichen Kunst', in der Bilder und Töne prozessual komponiert werden. Programme folgen dabei Notationen, in denen zeitliche und räumliche Strukturen beschrieben und abstrahiert werden. Der Computer bietet sich als frei formbares Medium des 'anything goes' an, mit dem alles, was denk- und imaginierbar ist, in abstrahierten Prozessen generiert werden kann.Ach so, so weit geht seine "Genealogie" also zurück, bis zu den Anfängen der "Universalmaschine Computer". So viel zum "kurzen" Einblick. Ausserdem eine Banalität, das Gequatsche von der "Universalmaschine". Die "Universalmaschine Computer" hat darüber hinaus nie irgendein Versprechen abgegeben. Ist nicht besonders wissenschaftlich, seinen Untersuchungsgegenstand zu anthropomorphieren, es sei denn, man wäre Anthropologe. "Künstliche Kunst" ist so ein Ausdruck (keine Ahnung, wo Kohlberger den herhat, offensichtlich ja ein Zitat oder was?), von dem man im ersten Augenblick vielleicht (NUR VIELLEICHT! AM BESTEN NICHT!) denkt: interessant! und gleich im anderhalbten Augenblick denkt (DENKEN SOLLTE!!SPÄTESTENS): Nee, Quatsch, bedeutet ja nix. Aber immerhin: es sollen "in" dieser Kunst "Bilder und Töne prozessual komponiert werden". Das ist ja toll. Bisher mußte man immer Schritt für Schritt komponieren, jetzt soll das Ganze also "prozessual" gehen. Wahnsinn. Ach, das noch ist nicht alles: "Programme folgen dabei Notationen" und in diesen Programmen werden "zeitliche und räumliche Strukturen beschrieben und abstrahiert". Alles auf einmal. Diese Wahnsinnsprogramme würde ich gerne mal sehen, die irgendwelchen Notationen (von was eigentlich?) folgen (wohin eigentlich?). Und "beschreiben und abstrahieren" in Einem ist natürlich großartig, diese ominösen Programme können dann auch bestimmt Dinge wie die Quadratur des Kreises und die letzte Nachkommastelle von Pi in "abstrahierten Prozessen generieren". Als "frei formbares Medium" bietet sich der Computer aber dann doch eher nicht an, denn selbstverständlich ist auch das Medium Computer gewissen Einschränkungen unterworfen wie alle anderen Medien auch, nicht zuletzt deshalb gibt es ja im Augenblick z.B. die Retro-Bewegung zurück zu analogen Hardware-Synthesizern, Plattenspielern und so 'nem Zeug. Dass Kohlberger das Denken und das Imaginieren als zwei verschiedene Tätigkeiten begreift, spricht dann wieder für sich selbst.
Heute, ein halbes Jahrhundert, nachdem der Computer in den Künsten Einzug fand, hat sich dieser in einer rasanten technologischen Entwicklung zum ständigen Begleiter gewandelt. Er hat uns schon immer umgeben. Ursprünglich füllte er den gesamten Raum aus, in dem wir mit ihm operierten. Wir bewegten uns in ihm. Heute ist er durch seine Verkleinerung ubiquitär geworden - er steckt in nahezu allen technischen Medien und Instrumenten, mit denen wir Bilder und Töne aufnehmen, verarbeiten und wiedergeben. Er ist uns sehr nahe geworden.
Ich hab noch nie davon gehört, dass die technologische Entwicklung "rasant" wäre, ich dachte bisher immer, sie verliefe "gemächlich". Und auch die Tatsache, dass der "Computer" unser "ständiger Begleiter" sein soll, ist mir völlig neu. Ich dachte, das Ding in meiner Tasche, das so schön leuchtet und durch das manchmal Stimmen zu mir sprechen, wäre ein Käfig für gentechnisch manipulierte, verschiedenfarbig leuchtende Mini-Glühwürmchen, deren zartes Summen (auch gentechnisch angezüchtet) sich wie Menschensprache anhört, wenn man das Ohr ganz nah an den Käfig hält. Aber Computer, nein!
Der folgende Satz ist dann wieder ganz klar und rein in seiner Aussage, denn der Computer hat "uns schon immer umgeben". Also auch in prähistorischer Zeit. In der Antike. Im Mittelalter, der Renaissance, der Aufklärung, der Romantik. Immer, immer, immer schon. Also ist der Computer Gott. Nehme ich zumindest mal an, seine Omnipräsenz wäre sonst für mich mit meinem doch reichlich beschränkten Denk- und Imaginierinstrumentarium schwer begreiflich. Muss wohl richtig sein, denn weiter geht es mit der Aussage, dass er (Gottcomputer bzw. Computergott) den "gesamten Raum" ausfüllt und wir uns in ihm bewegen. Ach nein, nicht ganz, Vergangenheit: "bewegten". Also nicht mehr. Ja klar, Theodizee, Eli, Eli, lema sabachthani und so weiter! Deep stuff, man! Dann habe ich aber doch ein kleines Verständnisproblem, denn mir ist nicht ganz klar, wieso er uns "schon immer umgeben" hat, aber erst heute "ubiquitär" und uns "sehr nahe" ist. Ist denn der Jüngste Tag da? Kehrt Gott wieder, um zu richten die Lebenden und die Toten? Sieht so aus, jedenfalls wenn man Kohlberger glaubt. Und das tue ich vorbehaltlos.
Wurde die Maschine immer kleiner, so wurde sie doch in der jüngsten Spielart medialer Künste immer sichtbarer. Glitches, Artefakte und Pixel haben als gestalterisches Stilmittel nicht zuletzt in der Popkultur Einzug gehalten. Auch die vagen Zuordnungen von Urheberschaft im Internet und seiner 'Memes' hat dazu beigetragen, dass sich dabei ein Formenkanon herausgebildet hat, in dem wir Zeichen einer post-digitalen Ästhetik vorfinden. "In einer scheinbar selbstverständlichen Assemblage neuer und alter Ausdrucksformen gilt diese [post-digitale] Ästhetik als Gegenläufer zum Computer als Universalmaschine" (Cramer, 2014).
Ich fange mal hinten an: Die gekürzte Angabe eines zitierten Titels ist nur zulässig, wenn man in einer Fußnote oder in einer Literaturliste die vollständigen Informationen angibt (passiert hier nicht). Das Zitat von Cramer widerspricht Kohlberger direkt, weil es behauptet, die neue Ästhetik sei ein "Gegenläufer zum Computer als Universalmaschine", Kohlberger jedoch grade eben noch festgestellt zu haben wissen will, dass der Computer immer noch als Universalmaschine gilt ("[...] mit dem alles [ALLES!], was denk- und imaginierbar ist, in abstrahierten Prozessen generiert werden kann."). Also verstehe ich nicht, inwiefern das Zitat Kohlbergers Position (mal angenommen, er hätte eine) untermauern soll. Was überhaupt eine "post-digitale Ästhetik" sein soll, ist mir sowieso schleierhaft. Der Computer ist doch das digitale Medium schlechthin, wie soll man denn mit seiner Hilfe etwas "Post-Digitales" erzeugen können. Davon abgesehen ist "digital" auch keine Zeit- oder Ortsangabe, die man hinter sich lassen könnte (anders, als beispielsweise die Moderne). Dass wir außerdem schon post-digital sein sollen, wo doch andernorts feste behauptet wird, die "digitale Revolution" stünde uns in ihrer gesamten Wucht und Schönheit (?) noch bevor, das kommt mir dann doch so vor, als würde man auf der Autobahn von einem Reifen überholt, der sich vom eigenen Fahrzeug gelöst hat. Da helfen dann auch die Hinweise auf so mundane Zeugs wie "die vagen Zuordnungen von Urheberschaft im Internet" nicht weiter (davon ganz abgesehen, dass es "[...] die vagen Zuordnungen [...] haben dazu beigetragen" heißen muss). Und schon gar nicht ist die Aufzählung von "Glitches, Artefakten und Pixel" in irgendeinem mir bekannten Sinne des Wortes "Hilfe" hilfreich. Saucoole Wörter natürlich alles, keine Frage, aber genauso natürlich absolut digitale, oder soll ich sagen: non-post-digitale Begriffe.
Diesen Gegensatz können wir noch einmal verschieben, wenn wir die diskrete Logik der Rechenmaschine, deren CPU in ihrer geometrischen Anordnung an eine städtische Architektur erinnern mag und in der sich die Verschaltungen der getakteten Signale immerzu wiederholen, mit dem Rauschen kontrastieren.
Äh, NEIN ("Diesen Gegensatz können wir noch einmal verschieben"; welchen Gegensatz überhaupt, den zwischen "post-digitaler Ästhetik" und dem Computer als Universalmaschine? Hab ja oben schon ausgeführt, dass es den gar nicht gibt, jedenfalls nicht so, wie Kohlberger sich dies imaginiert und denkt), NEIN ("in ihrer geometrischen Anordnung an eine städtische Architektur erinnern mag"; die wenigsten Städte sind streng geometrisch aufgebaut; und selbst wenn, was beweist das?), NEIN ("in der sich die Verschaltungen der getakteten Signale immerzu wiederholen"; verschaltet sind nicht die Signale, sondern die Signalwege; die Verschaltungen wiederholen sich auch nicht, sondern die Signalwege werden immer wieder benutzt) UND NOCHMALS NEIN ("mit dem Rauschen kontrastieren"; das Rauschen ist in diesem Fall genauso digital [jedenfalls sagt er nirgendwo, dass er ANALOGES Rauschen meint] wie der Rest, also das Signal; der Kontrast, den Kohlberger so verzweifelt herbeibetet, funktioniert im Grunde nur über eine nachträgliche Interpretation des Rauschens als Störung des Signals, was er aber zwei Absätze später ablehnt; also geht gar nix mit Kontrastierung).
Stellt der Raster seit Jahrhunderten eine Kulturtechnik dar, um Ordnung und Struktur herzustellen, um Informationen und Personen zu adressieren (man denke an Städte wie Rom und Manhattan), so steht das Rauschen für das Unendliche, das Meer. Es wird zum Nicht-Ort, und "konstituiert einen Raum der Kontingenz." (Siegert, 2003)Okay, es muss "das" Raster heißen, das kriegt er inzwischen geschenkt. Manhattan ist keine Stadt, sondern ein Stadtteil von New York, bestenfalls eine Insel. Warum ausgerechnet das in Jahrtausenden Siedlungsgeschichte zurechtchaotisierte Rom als Beispiel für eine Rasterstadt herhalten muss, bleibt Kohlbergers Geheimnis. Das Rauschen kann auch für Blähungen stehen, oder eine Eiswüste, eine Behauptung jedenfalls wird nicht dadurch wahrer, dass sie irgendwie poetisch klingen soll. Mir kommt das alles seltsam verräterisch zusammengestückelt vor. Ich warte ja noch auf Kohlbergers "Denken". Bis jetzt sind das alles Versatzstücke aus irgendwelchen zusammengeklaubten Medientheorien. Eigentlich wollte ich nicht weiter recherchieren (kein' Bock), hab dann aber doch auf die Schnelle ein Papier von Bernhard Siegert gegoogelt und prompt festgestellt, dass nicht nur der bescheuerte "Raum der Kontingenz" da drin vorkommt (S. 95), sondern auch der Quatsch mit der Kerbe und dem Meer. Ausserdem hat Kohlberger da was falsch verstanden, denn Siegert redet eigentlich vom "Ortlosen" und nicht vom "Nicht-Ort", anderenorts vom "Nicht-am-Ort-Sein". Einen Satz später kommt der "Nicht-Ort" dann tatsächlich vor, aber es geht da um den " 'Ort' der Ausdifferenzierung von Ort und Nicht-Ort", whatever the fuck that's supposed to mean. Das ist natürlich alles sowieso schon Pseudogeschwafel, das womöglich nichts bedeutet, aber das dann auch noch falsch zu verstehen, naja.
Es ist weniger die häufig negativ gelesene Konnotation des Rauschens, die für mich entscheidend ist - etwa als ein Störsignal, das unerwünscht ist, wenn auch in diesem Verhältnis durchaus seine Unabdingbarkeit, um Information erst zu übermitteln, interessiert, so wie Claude Shannon aufgezeigt hat. Vielmehr ist es eine Faszination, die es ausübt, eine Ahnung einer Unendlichkeit, die "sowohl die letztgültige Abstraktion, als auch unverbesserlich verschwommen ist" (David Foster Wallace). Als etwas, das nicht fassbar ist, in dem eine Ahnung des Neuen steckt, das in die Welt kommt.Ich verliere langsam echt die Lust, aber es hilft nichts, da muss ich jetzt durch, alleine schon, um mich selbst davon zu überzeugen, dass nicht ich bekloppt bin.
Zunächst mal finde ich sehr schön, dass Kohlberger dem Rauschen eine Chance geben will. Ist ja wirklich schlimm, diese "häufig negativ gelesene Konnotation des Rauschens". "Das Boot ist voll, Frau Merkel", möchte ich aus Trotz gleich rufen, "wir schaffen das mit dem Rauschen nicht!" Leider verunklart Kohlberger seinen wirklich ehrenwerten Einsatz für das (weiße oder pinke oder braune??) Rauschen gleich wieder, indem er ein Satzungetüm anfügt, das bestimmt maroder als die Schiersteiner Brücke ist. Es geht um irgendein "Verhältnis", man weiß nicht zwischen was, wahrscheinlich zwischen Rauschen und Signal. Diese temporäre Unsicherheit wird aber gleich wieder mittels namedropping zugeschüttet. Wenn ein Shannon das gesagt hat, dann muss ja was dran sein. Also abgesehen davon, dass die von Shannon (vor knapp 70 Jahren! also cutting edge) ausgearbeitete Informationstheorie ausdrücklich die Semantik ausschließt und im Grunde ihres kalten Herzens ein rein statistisches Verfahren zur Ermittlung des notwendigen Signal-Rausch-Abstandes ist (ja hallooo, ich wußte immer, dass sich das eine Semester Medientheorie irgendwann auszahlt), wird sie auch einfach nicht richtig von Kohlberger wiedergegeben: Ich würde gerne mal die Textpassage bei Shannon sehen, wo davon die Rede ist, dass das Rauschen "unabdingbar" für die Informationsübermittlung sei. Dass ein Riesenhaufen Information einem Rauschen nicht unähnlich ist, wie Shannon (wirklich) festgestellt hat, ist ja doch irgendwie etwas anderes, als einfach zu behaupten, man brauche Rauschen (Brausche rauchen) zur Informationsübermittlung. Dann kommt ja noch der Mist mit der Unendlichkeit, der auch nicht dadurch besser runtergeht, dass er von DAVID FOSTER WALLACE, der SCHRIFTSTELLERLEGENDE, dem MYTHOS, stammt. Na und, jeder labert mal Scheisse.
Bei Deleuze/Guattari ist das Meer der glatte Raum par excellence. Doch es steht auch für den Archetyp aller Einkerbungen, die in ihm vorgenommen werden. So ist es jene Verschränkung des Glatten und des Gekerbten, deren wechselseitige Beziehung und ihre Wandelbarkeit, die es ermöglichen, jene Spielfläche zu beschreiben, in der meine Arbeit angelegt ist.
Aua, mein Kopf tut weh. Und ich bin traurig. Über so viel Hilflosigkeit. Die natürlich schnellstens kaschiert werden muss, so dass Kohlberger jetzt anfängt, mit den ganz großen Namen zu hantieren. Ich hab' echt nix gegen Deleuze und Guattari, aber die zwei haben schon auch 'ne Menge Unsinn verzapft. Bildet Rhizome und so 'n Zeug. Das Bild mit dem Meer ist ja total schief. In ein Meer kann man doch keine "Einkerbungen" machen. Den folgenden Satz verstehe ich überhaupt nicht (mir fallen keine Synonyme mehr für "nicht verstehen" ein): Das Meer steht für den Archetyp [ist also nicht der Archetyp, sondern repräsentiert ihn irgendwie] aller Einkerbungen [ALLER!], die in ihm [wem, dem Meer oder dem Archetyp?] vorgenommen werden [von wem? Riesen? Gott? Kohlberger?]. Den Satz drauf kapiere ich auch nicht: So [wie, "so"?, es gab doch gar keine Prämissen, die jetzt eine Schlussfolgerung erlauben würden] ist es jene [welche? ach so, jene] Verschränkung des Glatten und Gekerbten [ich weiß noch immer nicht, was eigentlich zum Teufel dieses "Gekerbte" sein soll, ist das 'ne Metapher? Wofür? Ist das sowas wie Derridas "Spuren" oder wie?], deren wechselseitige Beziehung und ihre Wandelbarkeit [also der Beziehung, oder des "Glatten und Gekerbten" oder der Verschränkung, die ja auch eine Beziehung ist?], die es ermöglichen [leider, muss man an dieser Stelle sagen], jene Spielfläche zu beschreiben [ach nee, beschrieben wurde bisher noch gar nichts so richtig und von einem "Spiel" war auch noch nie die Rede], in der meine Arbeit angelegt ist [whatever, man].
Das Glatte verfügt immer über ein "Deterritorialisierungsvermögen, das dem Gekerbten überlegen ist" (ebd.). Die Bilder und Töne sind unendlich und flach, sie haben keinen Anfang und kein Ende - nicht in der räumlichen, auch nicht in der zeitlichen Dimension. Sie rauschen immerfort, es findet sich kein Fokus, keine Entitäten, die für die Sinne auffindbar werden. Der Blick schweift umher, sein Versuch, sich irgendwo anzuhaften, schlägt fehl.Was heißt denn bitte "(ebd.)"? Wo "ebd."? Bei Deleuze/Guattari? Wo da genau? Im entsprechenden Wikipedia-Artikel? Anschließend folgt die beeindruckendste Sequenz an Tautologieen, die je zu lesen ich in meinem Leben das Unglück hatte. "unendlich und flach" = "kein Anfang und kein Ende" = nicht räumlich und zeitlich = kein Fokus, keine Entitäten = kein Anhaftpunkt für den Blick. Aber immerhin schön, dass der Text jetzt mal poetisch zu werden versucht, was ihm ungefähr genauso gut gelingt, wie vorher der beinahe schon tragisch gescheiterte Versuch, wissenschaftlich zu klingen.
Meine Intention ist die vollkommene Vereinnahmung des Blicks, die Herstellung der größtmöglichen[n; Ergänzung von E.H.] Immersion; über die Verkopplung mit Sounds alles umher abzustellen und nur mehr die Arbeit als Wirklichkeit gelten zu lassen.
Endlich rückt er mit seiner künstlerischen "Intention" raus. Andererseits, irgendwie ist das dann doch etwas arg dünne. Jedes abgehalfterte B-Movie will ja die größtmögliche "Immersion" herstellen, jeder Schubert-Liederabend will für den Zeitraum seiner Dauer als alleinige "Wirklichkeit" gelten. War's das schon? Mehr will er nicht? Okay...
Doch es handelt sich nicht um ein beliebiges Spiel mit dem dröhnenden Flimmerkasten. So wie Einkerbungen im Bild sichtbar werden, so wie es eine konstante Verschiebung im Klang gibt, so wird deutlich, dass alles einer Notation folgt, von der aus ein Stück visueller Musik ausgebreitet wird. Diese Notation steht präzise im Programm festgeschrieben, in dem die Gestalt, die zeitlichen Bedingungen, die Verformungen der Bilder und Töne über Algorithmen festgeschrieben stehen. Handelt der Computer dieses komplexe Arrangement deterministisch ab, so fügt sich doch abermals das Rauschen in das Gefüge ein.Nee, klar, keiner will sich ja nachsagen lassen, das was er da fabriziert, sei "beliebig". Das Problem mit solchen Aussagen ist ja, dass die Wahrheit sozusagen nachher auf der Bühne liegt. Der Kohlberger kann doch nicht ernsthaft von mir erwarten, dass ich seinen ganzen Medientheoriequatsch nachher im Konzert präsent habe und dann immerzu denke: "Ja, richtig, er hat ja geschrieben, dass es nicht beliebig ist, weil die Einkerbungen ja im Meer deterrorisiert werden. Alles klar, tolles Stück."
Was mich nachher im Konzert überhaupt erwartet, wird hier erstmals angedeutet: "Einkerbungen im Bild" und "Verschiebung im Klang". Okay, klingt gar nicht mal so vielversprechend, vor allem angesichts des theoretischen Apparates, den der Kohlberger aufzufahren versucht, aber letztendlich mit kleiner Verve in den Straßengraben setzt. Dennoch läßt er nicht locker, mich gehirnzuwaschen, damit ich bloß nicht unvoreingenommen im Konzert rumhocke: Das Stück ist notiert (ich bin schweeer beeindruckt), diese Notation ist "präzise" (waaas? ist ja der Hammer), und in dieser "Notation" werden "die Gestalt", die "zeitlichen Bedingungen" und die "Verformungen der Bilder und Töne" "festgeschrieben". Aber doch nicht etwa in so was Ähnlichem oder vielleicht sogar genau dem Gleichen wie in einer Partitur? Im letzten Satz dann sehen wir Kohlberger wieder in seiner Eigenschaft als (Welt-?) Meister der Tautologie am und im Werke: das Rauschen "fügt" sich ins "Gefüge".
Denn während sich die Partitur im Entstehen befindet, wird in diese eingegriffen und ständig modifiziert. Auf die Komposition folgt die augenblickliche Interpretation. Die Arbeit entsteht in einem Prozess der ständigen Rückkopplung. Statt von visueller Musik könnte man auch von einer bewegten Malerei sprechen.Wieder was zu loben: Kohlberger beschreibt sehr schön und in ganz einfachen Worten den ganz normalen Kompositionsprozeß (geschenkt die inzwischen schon als liebenswerte Marotte verbuchte grammatikalische Ungenauigkeit, dass es natürlich heißen muss: "[...] wird in diese eingegriffen und diese ständig modifiziert." language's a bitch, bro). Als kleinen Einwand würde ich nur anführen, dass ich inzwischen gar nicht mehr verstehe, warum ich mir die anderthalb Seiten MedienBlaTheorieBlaBla durchlesen mußte. Der letzte Satz ist dann auch gleich wieder nicht ganz so gelungen, lieber Rainer Kohlberger, denn "visuelle Musik" als synästhetische contradictio in adiecto ist halt nicht dasselbe wie "bewegte Malerei", eine nicht-synästhetische contradictio in adiecto.
Das Rauschen als das Ungenaue und Unvorhersehbare mischt sich dann hinzu, wenn in der Assoziation der einzelnen Objekte zur Bild- und Klanggenerierung Fehler und Zufälle passieren. Ein Prinzip, das fortlaufend in meinen Arbeitsprozess inkorporiert wird, über deren Ausprägung und Fortbestand unmittelbar und intuitiv entschieden wird.Ach Mensch, Kohlberger, jetzt haste im allerletzten Absatz deine ganzen schönen Vorsätze doch noch in die Tonne getreten. Was ist denn mit "weniger die häufig negativ gelesene Konnotation des Rauschens"? Plötzlich ist das Rauschen doch wieder nur ein "Fehler", eine "Ungenauigkeit", das "Unvorsehbare". Ziemlich viele "Un-"s. Das liest sich nicht gerade wie eine Umwertung aller Werte. Eher wie eine Bestätigung der Vorurteile, die wir mit uns herumzutragen uns alle mitschuldig machen. Schade eigentlich. Schade auch der grammatikalische Fehler im allerletzten Satz, wo es heißen müßte: "[...] über dessen Ausprägung [...]", egal, ob du das Prinzip oder den Arbeitsprozess meinst, was ja auch nicht ganz klar wird.
Musik (oder so was Ähnliches) gab's zu dem ganzen Worthackepeter auch noch dazu, die ist aber in zwei Sätzen abgehandelt:
fluctuations (around one) von Rainer Kohlberger entgeisterte mit einem halbstündigen Drone, dessen Lautstärke ich nur mit den Worten "scheisselaut" umschreiben kann. Dazu gab es grisselige Bilder, deren fluktuierende (ja, ich hab's kapiert!) Einkerbungen eins zu eins das (spärlich genug gesäte) Geschehen in der Musik doppelten (oder andersrum, ich weiß es wirklich nicht).