tag:blogger.com,1999:blog-23775687534368321952024-02-20T18:33:31.257+01:00AusgewuchtetKommentare zur WeltJakob Goljadkinhttp://www.blogger.com/profile/00956296579601798564noreply@blogger.comBlogger52125tag:blogger.com,1999:blog-2377568753436832195.post-66985745016950038862016-01-22T21:37:00.000+01:002016-01-22T21:37:15.713+01:00Kommentar 49 - Großer Gott (nein, ohne Lob) oder: Wie ich einmal ganz stark war und mir einen Programmhefttext durchgelesen habe<i>Wenig Zeit? Am Textende gibt's keine Zusammenfassung. </i><br />
<i>Wenn Sie aber doch Zeit haben, dann empfehle ich einen der folgenden Soundtracks (ganz leise während der Lektüre im Hintergrund zu hören): <a href="https://www.youtube.com/watch?v=Dh-LQXk-lG0" target="_blank">Den</a>, <a href="https://www.youtube.com/watch?v=X48HQ_FdL_E" target="_blank">den</a> (und dann auf Autoplay schalten) oder <a href="https://www.youtube.com/watch?v=MaqSa8Jtjjw" target="_blank">den</a>.</i> <br />
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Ich dachte, ich mach zwischendurch mal eine Textanalyse, irgendwie hab ich für diese Woche genug Neue Musik gehört. Wie durch Zufall habe ich auch zwei wunderbare Texte parat, beide von <a href="http://kohlberger.net/" target="_blank">Rainer Kohlberger</a>, der Medienkunstirgendwas, ach was, reden wir nicht lange drumherum: Medienkunstquatsch macht. Entschuldigung, ich muss natürlich differenzieren: <i>Großen</i> Medienkunstquatsch.<br />
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Kohlbergers Selbstbeschreibung (ich gehe mal davon aus, dass diese Vita keine hochdotierte Werbeagentur verfaßt hat) liest sich so:<br />
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<blockquote class="tr_bq">
<b>Rainer Kohlberger, geboren in Linz, lebt als freischaffender Videokünstler und Filmemacher in Berlin</b> [ja wo denn sonst? Ich bin ja dafür, nur noch Wohnorte in Bios zu nennen, die nicht "Berlin" heißen]. <b>Seine algorithmisch komponierten</b> [wie jetzt, "komponierten", ich denke, er ist "Videokünstler und Filmemacher"? darf denn jetzt schon jeder komponieren?] <b>Arbeiten kerben </b>[hä?] <b>sich aus einer reduktionistischen Ästhetik der Flächigkeit</b> [ich muss jedesmal laut lachen, wenn ich das lese. Eine "Ästhetik der Flächigkeit" ist schon von sich aus "reduktionistisch", weil sie alles mögliche andere von vorneherein ausschließt. Das ist also schonmal eine Tautologie. Mir leuchtet auch nicht ein, warum man sich in seiner Vita (!!) schon auf so einen seltsam eingeschränkten Ästhetikbegriff freiwillig kapriziert. Und darüber hinaus weiß ich gar nicht, ob "Ästhetik der Flächigkeit" wirklich etwas bedeutet, also hier draußen, in der Nicht-Medienkunstquatsch-Welt, wo Begriffe tatsächlich hin und wieder einen echten semantischen Wert haben; und zu guter Letzt habe ich keine Ahnung, wie man aus einer "Ästhetik", sei es eine der Flächigkeit oder der räumlichen Tiefe, irgendetwas "kerben" kann]<b>, der Drones</b> [oh Gott, Drones schon wieder, hat doch der Niblock schon abgefrühstückt, kennste einen Drone, kennste alle, weiß gar nicht, was alle mit diesen Drones haben, es brummt halt lang rum, mal mehr mal weniger hell oder dunkel oder laut oder leise] <b>und Interferenzen</b> [klingt immer gut, "Interferenzen", kann man nix falsch machen]. <b>Den Bild- und Klangwelten</b> [aha, ganze Welten also gleich, drunter geht's wohl nicht, nicht etwa Bildabstellkammer oder Klangdoppelhaushälfte] <b>inhärent </b>[natürlich, "inhärent", wir wollen ja nicht, dass das jeder Trottel gleich versteht, ist ja schließlich Kunst] <b>ist dabei das Rauschen</b> [mit anderen Worten: Bilder und Töne (von Kohlberger, oder überhaupt alle? Wird nicht ganz klar) rauschen manchmal oder öfter oder immer. Warum nicht gleich so? Ach so, klingt irgendwie banal? Naja, vielleicht liegt das daran, dass die Aussage von Kohlbergers Satz eben banal ist] <b>- es fasziniert</b> [also mich bis jetzt noch nicht] <b>als die Ahnung einer Unendlichkeit</b> [Achtung, jetzt wird's gut]<b>, die sowohl die letztgültige Abstraktion als auch unverbesserlich verschwommen ist </b>[Evangelium nach Rainer; das ist nun wirklich kompletter Nonsens, dazu noch semantisch völlig schief, ausserdem ein ungekennzeichnetes Zitat, wie später klar wird: Er meint wahrscheinlich (ich versuche tatsächlich, diesem Gesülze irgendeinen Sinn abzugewinnen), dass man das Rauschen nicht wegbekommt oder sowas in der Art, daher das "unverbesserlich", das aber natürlich im Deutschen (im Kohlbergerischen vielleicht nicht) die Konnotation von charakterlichen Defiziten hat, also im Zusammenhang mit Verhalten von Personen gebraucht wird; man sagt ja auch nicht: Dieser Motor verbraucht unverbesserlich viel Benzin]. <b>Seine Arbeiten</b> [die gekerbten also] <b>wurden international</b> [ich nehme mal an Deutschland und Österreich] <b>in unterschiedlichen Formaten und Kontexten </b>[Worthülsenalarm] <b>gezeigt - Filme, Raum-Installationen und Live-Performances</b> [alles dabei, was das<strike> Künstler</strike>Hipsterherz begehrt] <b>lassen sich in einer konzentrierten Form der Intensität erfahrbar machen</b> [oh Mann, wo soll ich da anfangen? Erstens: Wieso "lassen" sie sich "erfahrbar machen"? Klingt wie ein mieser Werbetext für eine Wellness-Oase: "Lassen Sie sich von uns in die Welt der Sinne entführen." Ich denke, er hat diesen ganzen Kram schon aufgeführt, wieso also dieses ins Futur weisende "lassen"? Wo läßt sich das Zeug erfahrbar machen, in den Formaten und Kontexten? In welchen genau? Zweitens: eine "konzentrierte Form der Intensität" ist schon wieder tautologisch. Intensität ist schon von sich aus konzentriert, sonst hätte Sie kein Intensitäts-haftes an sich (Kant, halt dir die Ohren zu). Gibt keine breitgefächerte Intensität, oder eine lasche Intensität. Und drittens: Warum überhaupt ist es erwähnenswert, dass irgendein Zeug in einer "konzentrierten Form der Intensität erfahrbar" sein soll? In jedem stinknormalen Abokonzert kann ich diese sogenannte Intensität erfahren, was zum Teufel brauche ich da noch irgendwelche "Formen und Kontexte"?]. <b>Er wurde mit mehreren internationalen Preisen ausgezeichnet </b>[na klar].</blockquote>
<div style="text-align: right;">
(entnommen dem Programmheft von klub katarakt 11, Lange Nacht, 16.1.2016)</div>
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Wer jetzt denkt, okay, die Vita ist vielleicht aus Platzgründen irgendwie zusammengekürzt und dadurch entstellt worden, dem muss ich leider noch den Programmtext von <i>fluctuations (around zero)</i> und <i>(around one)</i> zumuten. Da wird's erst richtig lustig (oder auch nicht, je nachdem).<br />
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<blockquote class="tr_bq">
Rainer Kohlberger: Hintergrundrauschen [steht genau so in o.g. Programmheft]<br />
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In meiner Arbeit bewege ich mich sehr nahe an dem, was es heißt, grundsätzliche Paradigmen des Digitalen zu begreifen und erkennbar zu machen. Deshalb ist es notwendig, einen kurzen Einblick in jene Genealogie zu verschaffen, die meinem Denken vorausgeht.</blockquote>
Sätze, wie aus Wackelpudding gemeißelt. Es stimmt fast nix daran. "Grundsätzliche Paradigmen" ist eine Tautologie (eine Spezialität von Kohlberger offensichtlich), ein Paradigma ist immer etwas Grundsätzliches; "Paradigmen des Digitalen" gibt es nicht, was soll denn das sein, das "Digitale" an und für sich (streng genommen ist es einfach ein binäres Zahlensystem, aber das meint er ja wohl nicht, er meint ja wohl eher "Kompjutaah")? Warum man "grundsätzliche Paradigmen des Digitalen" in einem Kunstwerk begreif- und erfahrbar machen soll, erschließt sich mir nicht, bzw. ist das ja Unsinn: Dazu gibt es wissenschaftliche Theorien, Medientheorie, Zahlentheorie und dergleichen. Man kann solche Theorien für Kunst fruchtbar machen (auch die Frage, ob man das unbedingt muss, aber immerhin), aber "Paradigmen" in Kunst begreifbar zu machen ... <i>I don't think so</i>.<br />
"Deshalb" verstehe ich nicht, ich denke, die künstlerische Arbeit soll die Paradigmen begreifbar machen, weshalb also jetzt noch der ganze Sermon mit Pseudo-Medientheorie (immerhin noch 2 eng bedruckte Seiten, die folgen)? "Einen kurzen Einblick" ist auch gleich gelogen, der Einblick ist wie gesagt 2 Seiten lang, eine reine Unverschämtheit für einen Programmtext. "Genealogie, die meinem Denken vorausgeht" ist mal wieder eine Tautologie, eine Genealogie geht immer voraus, niemals nach. Den Beweis, dass Kohlberger ein eigenes "Denken" hat, bleibt er bislang schuldig.<br />
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<blockquote class="tr_bq">
Die Universalmaschine Computer bietet seit ihren Anfängen das Versprechen einer neuen Ästhetik, einer 'Künstlichen Kunst', in der Bilder und Töne prozessual komponiert werden. Programme folgen dabei Notationen, in denen zeitliche und räumliche Strukturen beschrieben und abstrahiert werden. Der Computer bietet sich als frei formbares Medium des 'anything goes' an, mit dem alles, was denk- und imaginierbar ist, in abstrahierten Prozessen generiert werden kann.</blockquote>
Ach so, so weit geht seine "Genealogie" also zurück, bis zu den Anfängen der "Universalmaschine Computer". So viel zum "kurzen" Einblick. Ausserdem eine Banalität, das Gequatsche von der "Universalmaschine". Die "Universalmaschine Computer" hat darüber hinaus nie irgendein Versprechen abgegeben. Ist nicht besonders wissenschaftlich, seinen Untersuchungsgegenstand zu anthropomorphieren, es sei denn, man wäre Anthropologe. "Künstliche Kunst" ist so ein Ausdruck (keine Ahnung, wo Kohlberger den herhat, offensichtlich ja ein Zitat oder was?), von dem man im ersten Augenblick vielleicht (NUR VIELLEICHT! AM BESTEN NICHT!) denkt: interessant! und gleich im anderhalbten Augenblick denkt (DENKEN SOLLTE!!SPÄTESTENS): Nee, Quatsch, bedeutet ja nix. Aber immerhin: es sollen "in" dieser Kunst "Bilder und Töne prozessual komponiert werden". Das ist ja toll. Bisher mußte man immer Schritt für Schritt komponieren, jetzt soll das Ganze also "prozessual" gehen. Wahnsinn. Ach, das noch ist nicht alles: "Programme folgen dabei Notationen" und in diesen Programmen werden "zeitliche und räumliche Strukturen beschrieben und abstrahiert". Alles auf einmal. Diese Wahnsinnsprogramme würde ich gerne mal sehen, die irgendwelchen Notationen (von was eigentlich?) folgen (wohin eigentlich?). Und "beschreiben und abstrahieren" in Einem ist natürlich großartig, diese ominösen Programme können dann auch bestimmt Dinge wie die Quadratur des Kreises und die letzte Nachkommastelle von Pi in "abstrahierten Prozessen generieren". Als "frei formbares Medium" bietet sich der Computer aber dann doch eher nicht an, denn selbstverständlich ist auch das Medium Computer gewissen Einschränkungen unterworfen wie alle anderen Medien auch, nicht zuletzt deshalb gibt es ja im Augenblick z.B. die Retro-Bewegung zurück zu analogen Hardware-Synthesizern, Plattenspielern und so 'nem Zeug. Dass Kohlberger das Denken und das Imaginieren als zwei verschiedene Tätigkeiten begreift, spricht dann wieder für sich selbst.<br />
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<blockquote class="tr_bq">
Heute, ein halbes Jahrhundert, nachdem der Computer in den Künsten Einzug fand, hat sich dieser in einer rasanten technologischen Entwicklung zum ständigen Begleiter gewandelt. Er hat uns schon immer umgeben. Ursprünglich füllte er den gesamten Raum aus, in dem wir mit ihm operierten. Wir bewegten uns in ihm. Heute ist er durch seine Verkleinerung ubiquitär geworden - er steckt in nahezu allen technischen Medien und Instrumenten, mit denen wir Bilder und Töne aufnehmen, verarbeiten und wiedergeben. Er ist uns sehr nahe geworden.</blockquote>
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Ich hab noch nie davon gehört, dass die technologische Entwicklung "rasant" wäre, ich dachte bisher immer, sie verliefe "gemächlich". Und auch die Tatsache, dass der "Computer" unser "ständiger Begleiter" sein soll, ist mir völlig neu. Ich dachte, das Ding in meiner Tasche, das so schön leuchtet und durch das manchmal Stimmen zu mir sprechen, wäre ein Käfig für gentechnisch manipulierte, verschiedenfarbig leuchtende Mini-Glühwürmchen, deren zartes Summen (auch gentechnisch angezüchtet) sich wie Menschensprache anhört, wenn man das Ohr ganz nah an den Käfig hält. Aber Computer, nein!<br />
Der folgende Satz ist dann wieder ganz klar und rein in seiner Aussage, denn der Computer hat "uns schon immer umgeben". Also auch in prähistorischer Zeit. In der Antike. Im Mittelalter, der Renaissance, der Aufklärung, der Romantik. Immer, immer, immer schon. Also ist der Computer Gott. Nehme ich zumindest mal an, seine Omnipräsenz wäre sonst für mich mit meinem doch reichlich beschränkten Denk- und Imaginierinstrumentarium schwer begreiflich. Muss wohl richtig sein, denn weiter geht es mit der Aussage, dass er (Gottcomputer bzw. Computergott) den "gesamten Raum" ausfüllt und wir uns in ihm bewegen. Ach nein, nicht ganz, Vergangenheit: "bewegten". Also nicht mehr. Ja klar, Theodizee, <i>Eli, Eli, lema sabachthani </i>und so weiter!<i></i> <i>Deep stuff, man! </i>Dann habe ich aber doch ein kleines Verständnisproblem, denn mir ist nicht ganz klar, wieso er uns "schon immer umgeben" hat, aber erst heute "ubiquitär" und uns "sehr nahe" ist. Ist denn der Jüngste Tag da? Kehrt Gott wieder, um zu richten die Lebenden und die Toten? Sieht so aus, jedenfalls wenn man Kohlberger glaubt. Und das tue ich vorbehaltlos.<br />
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<blockquote class="tr_bq">
Wurde die Maschine immer kleiner, so wurde sie doch in der jüngsten Spielart medialer Künste immer sichtbarer. Glitches, Artefakte und Pixel haben als gestalterisches Stilmittel nicht zuletzt in der Popkultur Einzug gehalten. Auch die vagen Zuordnungen von Urheberschaft im Internet und seiner 'Memes' hat dazu beigetragen, dass sich dabei ein Formenkanon herausgebildet hat, in dem wir Zeichen einer post-digitalen Ästhetik vorfinden. "In einer scheinbar selbstverständlichen Assemblage neuer und alter Ausdrucksformen gilt diese [post-digitale] Ästhetik als Gegenläufer zum Computer als Universalmaschine" (Cramer, 2014).</blockquote>
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Ich fange mal hinten an: Die gekürzte Angabe eines zitierten Titels ist nur zulässig, wenn man in einer Fußnote oder in einer Literaturliste die vollständigen Informationen angibt (passiert hier nicht). Das Zitat von Cramer widerspricht Kohlberger direkt, weil es behauptet, die neue Ästhetik sei ein "Gegenläufer zum Computer als Universalmaschine", Kohlberger jedoch grade eben noch festgestellt zu haben wissen will, dass der Computer immer noch als Universalmaschine gilt ("[...] mit dem alles [ALLES!], was denk- und imaginierbar ist, in abstrahierten Prozessen generiert werden kann."). Also verstehe ich nicht, inwiefern das Zitat Kohlbergers Position (mal angenommen, er hätte eine) untermauern soll. Was überhaupt eine "post-digitale Ästhetik" sein soll, ist mir sowieso schleierhaft. Der Computer ist doch das digitale Medium schlechthin, wie soll man denn mit seiner Hilfe etwas "Post-Digitales" erzeugen können. Davon abgesehen ist "digital" auch keine Zeit- oder Ortsangabe, die man hinter sich lassen könnte (anders, als beispielsweise die Moderne). Dass wir außerdem schon post-digital sein sollen, wo doch andernorts feste behauptet wird, die "digitale Revolution" stünde uns in ihrer gesamten Wucht und Schönheit (?) noch bevor, das kommt mir dann doch so vor, als würde man auf der Autobahn von einem Reifen überholt, der sich vom eigenen Fahrzeug gelöst hat. Da helfen dann auch die Hinweise auf so <i>mundane</i> Zeugs wie "die vagen Zuordnungen von Urheberschaft im Internet" nicht weiter (davon ganz abgesehen, dass es "[...] die vagen Zuordnungen [...] <u><i><b>haben</b></i></u> dazu beigetragen" heißen muss). Und schon gar nicht ist die Aufzählung von "Glitches, Artefakten und Pixel" in irgendeinem mir bekannten Sinne des Wortes "Hilfe" hilfreich. Saucoole Wörter natürlich alles, keine Frage, aber genauso natürlich absolut digitale, oder soll ich sagen: non-post-digitale Begriffe.<br />
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<blockquote class="tr_bq">
Diesen Gegensatz können wir noch einmal verschieben, wenn wir die diskrete Logik der Rechenmaschine, deren CPU in ihrer geometrischen Anordnung an eine städtische Architektur erinnern mag und in der sich die Verschaltungen der getakteten Signale immerzu wiederholen, mit dem Rauschen kontrastieren.</blockquote>
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Äh, NEIN ("Diesen Gegensatz können wir noch einmal verschieben"; welchen Gegensatz überhaupt, den zwischen "post-digitaler Ästhetik" und dem Computer als Universalmaschine? Hab ja oben schon ausgeführt, dass es den gar nicht gibt, jedenfalls nicht so, wie Kohlberger sich dies imaginiert und denkt), NEIN ("in ihrer geometrischen Anordnung an eine städtische Architektur erinnern mag"; die wenigsten Städte sind streng geometrisch aufgebaut; und selbst wenn, was beweist das?), NEIN ("in der sich die Verschaltungen der getakteten Signale immerzu wiederholen"; verschaltet sind nicht die Signale, sondern die Signalwege; die Verschaltungen wiederholen sich auch nicht, sondern die Signalwege werden immer wieder benutzt) UND NOCHMALS NEIN ("mit dem Rauschen kontrastieren"; das Rauschen ist in diesem Fall genauso digital [jedenfalls sagt er nirgendwo, dass er ANALOGES Rauschen meint] wie der Rest, also das Signal; der Kontrast, den Kohlberger so verzweifelt herbeibetet, funktioniert im Grunde nur über eine nachträgliche Interpretation des Rauschens als Störung des Signals, was er aber zwei Absätze später ablehnt; also geht gar nix mit Kontrastierung).<br />
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<blockquote class="tr_bq">
Stellt der Raster seit Jahrhunderten eine Kulturtechnik dar, um Ordnung und Struktur herzustellen, um Informationen und Personen zu adressieren (man denke an Städte wie Rom und Manhattan), so steht das Rauschen für das Unendliche, das Meer. Es wird zum Nicht-Ort, und "konstituiert einen Raum der Kontingenz." (Siegert, 2003)</blockquote>
Okay, es muss "das" Raster heißen, das kriegt er inzwischen geschenkt. Manhattan ist keine Stadt, sondern ein Stadtteil von New York, bestenfalls eine Insel. Warum ausgerechnet das in Jahrtausenden Siedlungsgeschichte zurechtchaotisierte Rom als Beispiel für eine Rasterstadt herhalten muss, bleibt Kohlbergers Geheimnis. Das Rauschen kann auch für Blähungen stehen, oder eine Eiswüste, eine Behauptung jedenfalls wird nicht dadurch wahrer, dass sie irgendwie poetisch klingen soll. Mir kommt das alles seltsam verräterisch zusammengestückelt vor. Ich warte ja noch auf Kohlbergers "Denken". Bis jetzt sind das alles Versatzstücke aus irgendwelchen zusammengeklaubten Medientheorien. Eigentlich wollte ich nicht weiter recherchieren (kein' Bock), hab dann aber doch auf die Schnelle <a href="https://e-pub.uni-weimar.de/opus4/files/1237/siegert.pdf" target="_blank">ein Papier von Bernhard Siegert</a> gegoogelt und prompt festgestellt, dass nicht nur der bescheuerte "Raum der Kontingenz" da drin vorkommt (S. 95), sondern auch der Quatsch mit der Kerbe und dem Meer. Ausserdem hat Kohlberger da was falsch verstanden, denn Siegert redet eigentlich vom "Ortlosen" und nicht vom "Nicht-Ort", anderenorts vom "Nicht-am-Ort-Sein". Einen Satz später kommt der "Nicht-Ort" dann tatsächlich vor, aber es geht da um den " 'Ort' der Ausdifferenzierung von Ort und Nicht-Ort", <i>whatever the fuck that's supposed to mean</i>. Das ist natürlich alles sowieso schon Pseudogeschwafel, das womöglich nichts bedeutet, aber das dann auch noch falsch zu verstehen, naja.<br />
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<blockquote class="tr_bq">
Es ist weniger die häufig negativ gelesene Konnotation des Rauschens, die für mich entscheidend ist - etwa als ein Störsignal, das unerwünscht ist, wenn auch in diesem Verhältnis durchaus seine Unabdingbarkeit, um Information erst zu übermitteln, interessiert, so wie Claude Shannon aufgezeigt hat. Vielmehr ist es eine Faszination, die es ausübt, eine Ahnung einer Unendlichkeit, die "sowohl die letztgültige Abstraktion, als auch unverbesserlich verschwommen ist" (David Foster Wallace). Als etwas, das nicht fassbar ist, in dem eine Ahnung des Neuen steckt, das in die Welt kommt.</blockquote>
Ich verliere langsam echt die Lust, aber es hilft nichts, da muss ich jetzt durch, alleine schon, um mich selbst davon zu überzeugen, dass nicht ich bekloppt bin.<br />
Zunächst mal finde ich sehr schön, dass Kohlberger dem Rauschen eine Chance geben will. Ist ja wirklich schlimm, diese "häufig negativ gelesene Konnotation des Rauschens". "Das Boot ist voll, Frau Merkel", möchte ich aus Trotz gleich rufen, "wir schaffen das mit dem Rauschen nicht!" Leider verunklart Kohlberger seinen wirklich ehrenwerten Einsatz für das (weiße oder pinke oder braune??) Rauschen gleich wieder, indem er ein Satzungetüm anfügt, das bestimmt maroder als die Schiersteiner Brücke ist. Es geht um irgendein "Verhältnis", man weiß nicht zwischen was, wahrscheinlich zwischen Rauschen und Signal. Diese temporäre Unsicherheit wird aber gleich wieder mittels <i>namedropping </i>zugeschüttet. Wenn ein Shannon das gesagt hat, dann muss ja was dran sein. Also abgesehen davon, dass die von Shannon (vor knapp 70 Jahren! also <i>cutting edge</i>) ausgearbeitete Informationstheorie ausdrücklich die Semantik ausschließt und im Grunde ihres kalten Herzens ein rein statistisches Verfahren zur Ermittlung des notwendigen Signal-Rausch-Abstandes ist (ja hallooo, ich wußte immer, dass sich das eine Semester Medientheorie irgendwann auszahlt), wird sie auch einfach nicht richtig von Kohlberger wiedergegeben: Ich würde gerne mal die Textpassage bei Shannon sehen, wo davon die Rede ist, dass das Rauschen "unabdingbar" für die Informationsübermittlung sei. Dass ein Riesenhaufen Information einem Rauschen nicht unähnlich ist, wie Shannon (wirklich) festgestellt hat, ist ja doch irgendwie etwas anderes, als einfach zu behaupten, man brauche Rauschen (Brausche rauchen) zur Informationsübermittlung. Dann kommt ja noch der Mist mit der Unendlichkeit, der auch nicht dadurch besser runtergeht, dass er von DAVID FOSTER WALLACE, der SCHRIFTSTELLERLEGENDE, dem MYTHOS, stammt. Na und, jeder labert mal Scheisse.<br />
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<blockquote class="tr_bq">
Bei Deleuze/Guattari ist das Meer der glatte Raum par excellence. Doch es steht auch für den Archetyp aller Einkerbungen, die in ihm vorgenommen werden. So ist es jene Verschränkung des Glatten und des Gekerbten, deren wechselseitige Beziehung und ihre Wandelbarkeit, die es ermöglichen, jene Spielfläche zu beschreiben, in der meine Arbeit angelegt ist.</blockquote>
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Aua, mein Kopf tut weh. Und ich bin traurig. Über so viel Hilflosigkeit. Die natürlich schnellstens kaschiert werden muss, so dass Kohlberger jetzt anfängt, mit den ganz großen Namen zu hantieren. Ich hab' echt nix gegen Deleuze und Guattari, aber die zwei haben schon auch 'ne Menge Unsinn verzapft. Bildet Rhizome und so 'n Zeug. Das Bild mit dem Meer ist ja total schief. In ein Meer kann man doch keine "Einkerbungen" machen. Den folgenden Satz verstehe ich überhaupt nicht (mir fallen keine Synonyme mehr für "nicht verstehen" ein): <b>Das Meer steht für den Archetyp</b> [ist also nicht der Archetyp, sondern repräsentiert ihn irgendwie] <b>aller Einkerbungen</b> [ALLER!]<b>, die in ihm</b> [wem, dem Meer oder dem Archetyp?] <b>vorgenommen werden</b> [von wem? Riesen? Gott? Kohlberger?]. Den Satz drauf kapiere ich auch nicht: <b>So </b>[wie, "so"?, es gab doch gar keine Prämissen, die jetzt eine Schlussfolgerung erlauben würden] <b>ist es jene </b>[welche? ach so, jene] <b>Verschränkung des Glatten und Gekerbten</b> [ich weiß noch immer nicht, was eigentlich zum Teufel dieses "Gekerbte" sein soll, ist das 'ne Metapher? Wofür? Ist das sowas wie Derridas "Spuren" oder wie?]<b>, deren wechselseitige Beziehung und ihre Wandelbarkeit</b> [also der Beziehung, oder des "Glatten und Gekerbten" oder der Verschränkung, die ja auch eine Beziehung ist?]<b>, die es ermöglichen</b> [leider, muss man an dieser Stelle sagen]<b>, jene Spielfläche zu beschreiben</b> [ach nee, beschrieben wurde bisher noch gar nichts so richtig und von einem "Spiel" war auch noch nie die Rede]<b>, in der meine Arbeit angelegt ist</b> [<i>whatever, man</i>].<br />
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<blockquote class="tr_bq">
Das Glatte verfügt immer über ein "Deterritorialisierungsvermögen, das dem Gekerbten überlegen ist" (ebd.). Die Bilder und Töne sind unendlich und flach, sie haben keinen Anfang und kein Ende - nicht in der räumlichen, auch nicht in der zeitlichen Dimension. Sie rauschen immerfort, es findet sich kein Fokus, keine Entitäten, die für die Sinne auffindbar werden. Der Blick schweift umher, sein Versuch, sich irgendwo anzuhaften, schlägt fehl.</blockquote>
Was heißt denn bitte "(ebd.)"? Wo "ebd."? Bei Deleuze/Guattari? Wo da genau? Im entsprechenden Wikipedia-Artikel? Anschließend folgt die beeindruckendste Sequenz an Tautologieen, die je zu lesen ich in meinem Leben das Unglück hatte. "unendlich und flach" = "kein Anfang und kein Ende" = nicht räumlich und zeitlich = kein Fokus, keine Entitäten = kein Anhaftpunkt für den Blick. Aber immerhin schön, dass der Text jetzt mal poetisch zu werden versucht, was ihm ungefähr genauso gut gelingt, wie vorher der beinahe schon tragisch gescheiterte Versuch, wissenschaftlich zu klingen.<br />
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<blockquote class="tr_bq">
Meine Intention ist die vollkommene Vereinnahmung des Blicks, die Herstellung der größtmöglichen[n; Ergänzung von E.H.] Immersion; über die Verkopplung mit Sounds alles umher abzustellen und nur mehr die Arbeit als Wirklichkeit gelten zu lassen.</blockquote>
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Endlich rückt er mit seiner künstlerischen "Intention" raus. Andererseits, irgendwie ist das dann doch etwas arg dünne. Jedes abgehalfterte B-Movie will ja die größtmögliche "Immersion" herstellen, jeder Schubert-Liederabend will für den Zeitraum seiner Dauer als alleinige "Wirklichkeit" gelten. War's das schon? Mehr will er nicht? Okay...<br />
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<blockquote class="tr_bq">
Doch es handelt sich nicht um ein beliebiges Spiel mit dem dröhnenden Flimmerkasten. So wie Einkerbungen im Bild sichtbar werden, so wie es eine konstante Verschiebung im Klang gibt, so wird deutlich, dass alles einer Notation folgt, von der aus ein Stück visueller Musik ausgebreitet wird. Diese Notation steht präzise im Programm festgeschrieben, in dem die Gestalt, die zeitlichen Bedingungen, die Verformungen der Bilder und Töne über Algorithmen festgeschrieben stehen. Handelt der Computer dieses komplexe Arrangement deterministisch ab, so fügt sich doch abermals das Rauschen in das Gefüge ein. </blockquote>
Nee, klar, keiner will sich ja nachsagen lassen, das was er da fabriziert, sei "beliebig". Das Problem mit solchen Aussagen ist ja, dass die Wahrheit sozusagen nachher auf der Bühne liegt. Der Kohlberger kann doch nicht ernsthaft von mir erwarten, dass ich seinen ganzen Medientheoriequatsch nachher im Konzert präsent habe und dann immerzu denke: "Ja, richtig, er hat ja geschrieben, dass es nicht beliebig ist, weil die Einkerbungen ja im Meer deterrorisiert werden. Alles klar, tolles Stück."<br />
Was mich nachher im Konzert überhaupt erwartet, wird hier erstmals angedeutet: "Einkerbungen im Bild" und "Verschiebung im Klang". Okay, klingt gar nicht mal so vielversprechend, vor allem angesichts des theoretischen Apparates, den der Kohlberger aufzufahren versucht, aber letztendlich mit kleiner Verve in den Straßengraben setzt. Dennoch läßt er nicht locker, mich gehirnzuwaschen, damit ich bloß nicht unvoreingenommen im Konzert rumhocke: Das Stück ist notiert (ich bin schweeer beeindruckt), diese Notation ist "präzise" (waaas? ist ja der Hammer), und in dieser "Notation" werden "die Gestalt", die "zeitlichen Bedingungen" und die "Verformungen der Bilder und Töne" "festgeschrieben". Aber doch nicht etwa in so was Ähnlichem oder vielleicht sogar genau dem Gleichen wie in einer Partitur? Im letzten Satz dann sehen wir Kohlberger wieder in seiner Eigenschaft als (Welt-?) Meister der Tautologie am und im Werke: das Rauschen "fügt" sich ins "Gefüge".<br />
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<blockquote class="tr_bq">
Denn während sich die Partitur im Entstehen befindet, wird in diese eingegriffen und ständig modifiziert. Auf die Komposition folgt die augenblickliche Interpretation. Die Arbeit entsteht in einem Prozess der ständigen Rückkopplung. Statt von visueller Musik könnte man auch von einer bewegten Malerei sprechen.</blockquote>
Wieder was zu loben: Kohlberger beschreibt sehr schön und in ganz einfachen Worten den ganz normalen Kompositionsprozeß (geschenkt die inzwischen schon als liebenswerte Marotte verbuchte grammatikalische Ungenauigkeit, dass es natürlich heißen muss: "[...] wird in diese eingegriffen und diese ständig modifiziert." <i>language's a bitch, bro</i>). Als kleinen Einwand würde ich nur anführen, dass ich inzwischen gar nicht mehr verstehe, warum ich mir die anderthalb Seiten MedienBlaTheorieBlaBla durchlesen mußte. Der letzte Satz ist dann auch gleich wieder nicht ganz so gelungen, lieber Rainer Kohlberger, denn "visuelle Musik" als synästhetische <i>contradictio in adiecto</i> ist halt nicht dasselbe wie "bewegte Malerei", eine nicht-synästhetische <i>contradictio in adiecto</i>.<br />
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<blockquote class="tr_bq">
Das Rauschen als das Ungenaue und Unvorhersehbare mischt sich dann hinzu, wenn in der Assoziation der einzelnen Objekte zur Bild- und Klanggenerierung Fehler und Zufälle passieren. Ein Prinzip, das fortlaufend in meinen Arbeitsprozess inkorporiert wird, über deren Ausprägung und Fortbestand unmittelbar und intuitiv entschieden wird.</blockquote>
Ach Mensch, Kohlberger, jetzt haste im allerletzten Absatz deine ganzen schönen Vorsätze doch noch in die Tonne getreten. Was ist denn mit "weniger die häufig negativ gelesene Konnotation des Rauschens"? Plötzlich ist das Rauschen doch wieder nur ein "Fehler", eine "Ungenauigkeit", das "Unvorsehbare". Ziemlich viele "Un-"s. Das liest sich nicht gerade wie eine Umwertung aller Werte. Eher wie eine Bestätigung der Vorurteile, die wir mit uns herumzutragen uns alle mitschuldig machen. Schade eigentlich. Schade auch der grammatikalische Fehler im allerletzten Satz, wo es heißen müßte: "[...] über <u><i><b>dessen</b></i></u> Ausprägung [...]", egal, ob du das Prinzip oder den Arbeitsprozess meinst, was ja auch nicht ganz klar wird.<br />
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Musik (oder so was Ähnliches) gab's zu dem ganzen Worthackepeter auch noch dazu, die ist aber in zwei Sätzen abgehandelt:<br />
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<i>fluctuations (around one)</i> von Rainer Kohlberger entgeisterte mit einem halbstündigen Drone, dessen Lautstärke ich nur mit den Worten "scheisselaut" umschreiben kann. Dazu gab es grisselige Bilder, deren fluktuierende (ja, ich hab's kapiert!) Einkerbungen eins zu eins das (spärlich genug gesäte) Geschehen in der Musik doppelten (oder andersrum, ich weiß es wirklich nicht).Jakob Goljadkinhttp://www.blogger.com/profile/00956296579601798564noreply@blogger.com1tag:blogger.com,1999:blog-2377568753436832195.post-63202579807122278892016-01-21T14:48:00.001+01:002016-01-21T14:53:06.841+01:00Kommentar 48 - Wie es dazu kam, dass ich einmal den historischen Hintergrund vergaß (Confessions of a not quite as beautiful mind, as I might've hoped for)Liebes Blog,<br />
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neulich habe ich einen schrecklichen Fehler gemacht. Ich habe den historischen Hintergrund unterschlagen. Naja, nicht aktiv unterschlagen, nur vergessen. Was es nicht besser macht. Eher schlimmer. Wie kann man nur so blöd sein und den historischen Hintergrund nicht beachten? Waren denn die ganzen Geschichtsstunden in der Schule und die Lektüre der vielen historischen Schinken völlig umsonst? Leider kann ich Dir keine zufriedenstellende Erklärung dafür liefern, warum ich den historischen Hintergrund vergessen habe, aber die Frage nach dem "Warum" ist ja sowieso keine gute Frage, wie ich neulich von <a href="https://www.youtube.com/watch?v=36GT2zI8lVA" target="_blank">Richard Feynman</a> gelernt habe. Deshalb kann ich Dir nur erzählen, <i>wie</i> es dazu kam, dass ich den historischen Hintergrund vergessen konnte:<br />
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Ich hatte mich nach langer Zeit mal wieder dazu entschlossen, Analysen von aktuellen Stücken der sogenannten Neuen Musik zu schreiben. Das ist eine Arbeit, die oft keinen großen Spaß macht, weil ich mir unheimlich viel Schrott anhören muss. Natürlich steht nirgendwo, dass das Schreiben von Analysen Spaß machen muss, deshalb beklage ich mich auch nicht darüber, ich stelle lediglich fest. Viele Stücke, die ich mir anhöre, laufen einfach so durch, tun nicht weh, begeistern nicht, zünden keinen einzigen Gedanken. Andere Stücke mag ich vielleicht gerne hören, trotzdem erzeugen auch sie nicht das Bedürfnis in mir, etwas darüber zu schreiben. Und dann gibt es da noch die Stücke, die mich nerven. Das sind die ergiebigsten. Weil sie mich dazu bringen, mir selbst erklären zu müssen, warum sie mich nerven. Ich weiß auch nicht, warum ich mir ausgerechnet das Nichtgefallen nicht einfach so gestatte, wahrscheinlich liegt da irgendein auf Erziehung und / oder Genetik beruhender persönlicher Defekt vor. Selbst das Bedürfnis, Analysen zu schreiben, wird ja bei mir davon ausgelöst, dass mich andere Analysen nerven.<br />
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In diesem Fall, in dem ich dann am Ende den historischen Hintergrund vergessen habe, war es so, dass mir nach fünfzehn oder zwanzig durchgehörten Stücken ein Gedanke kam, der sich in paradigmatisch vereinfachter Form so liest: "Dieses allgegenwärtige Bedürfnis, Musiker szenische Aktionen ausführen zu lassen, ist doch eigentlich Quatsch." Dieser Gedanke war für mich umso beunruhigender, als dass ich selbst in den letzten Jahren diesem Bedürfnis nachgegeben und mich also quasi mitschuldig an dieser Modeerscheinung gemacht habe. Natürlich bilde ich mir ein, dass ich das in meinen Stücken viel besser gemacht habe als die anderen in ihren Stücken. Ist doch klar, sonst könnte ich ja gleich aufhören. Andererseits hatte ich mir auch nie so richtig darüber Rechenschaft abgelegt, warum das so sein sollte. Also warum denn jetzt die Instrumentalisten zum Beispiel irgendwas mit ihrem Körper machen sollen, für das er gar nicht trainiert ist. (sorry, da sind mir dann doch wieder "Warum"-Fragen reingerutscht). Irgendwie ist der Gedanke, die Inszenierung "Konzert" auszubauen, für mich jedenfalls zu naheliegend gewesen, um ihn als hinterfragungswürdig eingestuft zu haben ich mich befähigt gesehen hätte. Und genau an dieser Stelle habe ich dann auch den historischen Hintergrund des ganzen Komplexes vergessen.<br />
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Ich habe einfach nicht daran gedacht, dass die aktuelle Entwicklung natürlich Vorläufer hat, die letztendlich bis in die Antike reichen, jedenfalls wenn man den Ausführungen von Thrasybulos Georgiades (aah, dieser Name!) in "Musik und Sprache" folgt:<br />
<blockquote class="tr_bq">
Aus der ursprünglichen Einheit [von Musik und Sprache im Altgriechischen] ist eine Zweiheit geworden; aus der μoυσιχέ sind Dichtung und Musik entstanden. Erst jetzt, erst innerhalb der abendländischen Geschichte ist es möglich geworden, Musik und Sprache streng voneinander zu trennen. Von jetzt ab besteht aber auch, gleichsam als Erinnerung an den gemeinsamen historischen Ursprung, die Sehnsucht der einen nach der anderen, die Neigung, sich gegenseitig zu ergänzen.</blockquote>
<div style="text-align: right;">
<blockquote class="tr_bq">
<i> Thrasybulos Georgiades, Musik und Sprache, S. 7</i></blockquote>
<div style="text-align: left;">
Was Georgiades hier in leicht anthropomorpher Verklärung den beiden Medien Musik und Sprache zuschreibt ("Sehnsucht"; dass er damit im Handstreich die sogenannte absolute Musik mehr oder weniger zum
Mangelwesen erklärt, wäre eine lange, ausführliche, gesonderte
Darstellung wert), läßt sich leicht auf die Trinität von Szene, Text und Musik erweitern, siehe die vermeintliche Restituierung antiker Vorbilder in der Renaissance-Oper oder Wagners Zeug. Immer schon und immer mal wieder ist dieses Bedürfnis dagewesen, alles wieder zusammenzufassen, was man als ursprünglich zusammengehörig und "künstlich"(?) auseinandergerissen begriffen hat. </div>
<div style="text-align: left;">
<br /></div>
<div style="text-align: left;">
Tja, das hätte ich natürlich bedenken müssen. Ich hätte selbstverständlich all die Versuche in der Musikgeschichte präsent haben müssen, zusammenzuführen, was (vielleicht) zusammengehört. Ich hätte klaro die aktuelle Entwicklung in ihrem historischen Kontext verorten müssen, nämlich jenen, nach einer ziemlich langen Phase, in der es vorwiegend um absolut-musikalische Dinge ging (Zwölfton, Serialismus, Spektralismus, Neue Einfachheit, Minimalismus, Komplexismus usw.), endlich wieder den vernachlässigten, inzwischen als außermusikalisch, früher aber als innermusikalisch verstanden zu wissen wollen seienden Ausdrucksformen zu ihrem Recht zu verhelfen, wenn nicht gar zum Eigentlichen zu erklären. Ich hätte logo auch die ganzen gelungenen Beispiele der Musikgeschichte im Hinterkopf haben müssen, und seien es nur diejenigen aus dem letzten Jahrhundert, als da wären zum Beispiel Ekklesiastische Aktion von Zimmermann aus der eher seriösen Ecke und zum Beispiel Pas de Cinq von Kagel aus der eher heiter-absurden Fraktion. Ich hätte gottverflucht nochmal erklären müssen, dass ich das alles im Prinzip gar nicht verkehrt finde, sondern im Gegenteil absolut richtig, und nur die Art und Weise, wie im Augenblick häufig damit hantiert wird, grauenhaft.</div>
<div style="text-align: left;">
<br /></div>
<div style="text-align: left;">
Ja, liebes Blog, derart sind meine zahlreichen Verfehlungen. Kaum tröstlich ist daran die Tatsache, dass ich mir selbst damit am meisten geschadet habe. Selbstverständlich werde ich diese Versäumnisse aufzuarbeiten haben, gleich nachdem ich zu Mittag gegessen habe (in Butter angebratene Salzkartoffeln vom Vortag).</div>
<div style="text-align: left;">
<br /></div>
<div style="text-align: left;">
Bleibt mir nur noch, mich zu bedanken, bei der Freien und Hansestadt Hamburg für viele weitere Inspirationen, beim Badischen Intellekt für korrektives Wirken und nicht zuletzt bei Google für die Verfügbarmachung von allem.</div>
<blockquote class="tr_bq">
<div style="text-align: left;">
Warum ist das Licht gegeben dem Mühseligen,<br />
und das Leben den betrübten Herzen [...]? </div>
</blockquote>
<div style="text-align: left;">
<i>Well, Feynman, how's that for a why-question?</i></div>
<div style="text-align: left;">
<br /></div>
<div style="text-align: left;">
Dein</div>
<div style="text-align: left;">
<br /></div>
<div style="text-align: left;">
Erich S.</div>
</div>
Jakob Goljadkinhttp://www.blogger.com/profile/00956296579601798564noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-2377568753436832195.post-20818963459537629662016-01-18T09:40:00.003+01:002016-01-21T10:13:27.063+01:00Kommentar 47 - Schlechtes Schauspiel ist doch auch keine Lösung / Vom Stühlerücken und Technotanzen - Teil 1Ja, ich bin schwach. Keine Frage. Ich bin - und das sage ich an dieser Stelle in aller Offenheit - auch nur ein Mensch und unterliege wie jeder andere auch gewissen Eitelkeiten und Ängsten. Deshalb dürfte es kaum verwundern, dass ich mich aus reiner Angst, ästhetisch abgehängt zu werden, doch wieder mit dieser ganzen elendigen "Kunst""musik" und solchem Kram beschäftige, mit dem ich schon längst abgeschlossen zu haben glaubte. Widerwillig, immerhin, ich gebe es zu, aber so eine Angst, die kriegt man nicht so einfach weg, da helfen auch White Russians und ItaloPop nicht wirklich (mehr zu diesem Thema demnächst unter "to whom it may concern 2"...). Zumal diese Angst auf beinahe widerliche Weise mit der Eitelkeit gepaart ist, dass es ja doch niemand anders vernünftig macht, wenn ich's nicht mache. Also mach ich's eben. Bitteschön.<br />
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Allerdings, und damit ist es der Vorreden dann auch genug, wird es diesmal sehr wenig um Musik gehen, was wiederum nicht meine Schuld ist; es wird einfach kaum noch Musik komponiert, die der Rede wert wäre, sondern entweder irgendein Metazeug mit Videoelektronikmaxmspselbstreferentialitätskram oder eklektisches Neoromantikohneromantikmitavantgardebezügenundlachenmannallusionengewürge. Und obwohl ich weiß, dass ich natürlich nur einen sehr geringen Bruchteil der aktuellen "("("Kunst""musik")""produktion")" überhaupt kenne oder zur Kenntnis nehme, lasse ich diese Ungeheuerlichkeit von einer Aussage so stehen, woran dann wieder die eben erwähnte Eitelkeit Schuld trägt und auch die gar nicht so insgeheime Hoffnung, dass sich bestimmt jemand findet, der sich darüber tierisch aufregt.<br />
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Jetzt aber, Schluss mit den Erklärungen und Vorabentschuldigungen, <i>let's get to it</i>.<br />
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Als Komponist (nein, das ist jetzt keine Vorrede mehr, das gehört zum Hauptstück) ist man ja heutzutage in einer beklagenswerten Situation. "Einfach" nur Komponist sein reicht nicht, jedenfalls dann, wenn man in irgendeinem vernünftigen Sinn dieses Begriffes "Neue Musik" machen will. Es ist halt nicht genug, ein paar Musiker auf eine Bühne zu setzen und sie irgendwelche Noten von irgendwelchen Blättern abspielen zu lassen. Ich meine, selbst ein Jörg Widmann, der nun vollkommen unverdächtig ist, in irgendeiner Weise dem Neuen Konzeptualismus oder sonst irgendeiner anderen dieser neuen Prenzlberghipsterbewegungen nahezustehen (jedenfalls nicht, dass ich davon wüßte...), baut inzwischen szenische Elemente in seine Instrumentalkonzerte ein. Jedenfalls, und da nehme ich mich keineswegs aus, im Gegenteil, ich nehme mich ausdrücklich mit ein, scheint es so eine Art Gefühl zu geben, Musik an sich reiche nicht mehr aus. Also wird auf den Konzertbühnen gesprochen, geschauspielert, videogedreht, moderiert und fremdreferenziert, was das Zeug hält oder auch nicht hält. Das Problem daran ist, dass Instrumentalisten keine Sprecher oder Schauspieler und Komponisten keine Regisseure, Moderatoren oder Filmemacher sind. Mit anderen Worten: Es wird herumdilettiert, bis der Arzt kommt. Nur, dass kein Arzt kommt. Jedenfalls bis jetzt nicht.<br />
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Dass man mich nicht missverstähe: Ich hab gar nichts gegen Dilettanten (ausser, sie werden straffällig, dann aber schnell weg mit ihnen), ich finde auch überhaupt nicht, dass immer alles hochprofessionell sein muss. Diese niemals fehlgreifenden Interpretenmaschinen, die die fünfzigtausendste Einspielung vom Tschaikowski-Klavierkonzert raushauen, die sind ja unerträglich. Aber, ABER: Wenn schon dilettiert werden muss, dann bitteschön richtig. Nicht dilettantisch dilettieren, sondern professionell dilettieren, sozusagen.<br />
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Na gut, ich kann verstehen, dass diese Forderung, oder sagen wir: Anregung absurd wirken könnte, wenn sie nicht sogar in dieser Form möglicherweise ganz und gar unverständlich sein sollte. Deshalb, wie es gute Sitte ist in meinem sogenannten Blog: konkrete Darstellung an einem konkreten Beispiel. Ach was, lass uns gleich zwei konkrete Beispiele nehmen. Sind beide super, um verschiedene Aspekte an meinem Punkt zu demonstrieren. Ausserdem kriegt so jeder sein Fett weg und keiner kann sich bevorzugt fühlen.<br />
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<h3>
<a href="https://www.youtube.com/watch?v=rXqHjGtLasI" target="_blank">1 Neele Hülcker: "kramen" - Installation für 4 Performer</a></h3>
Ja, hier gibt's jetzt richtige Überschriften, ich bin begeistert. Neele Hülcker ist eine dieser jungen, feschen Komponistinnen (darf man das sagen? wahrscheinlich nicht, keine Ahnung, ich mein es auch gar nicht gendermäßig, sondern rein kompositorisch), die zur Zeit wohl irgendwie "Furore" machen, oder so. Zumindest hatte ich den Eindruck. Und mein Eindruck beruht ausschließlich auf einer eher kursorischen Youtube- bzw. Google-Suche (was ja irgendwie doch dasselbe ist, sozusagen fast ein Hendiadyoin, wenn man sagt: "Youtube und Google"). Neele Hülcker ist ganze zehn Jahre jünger als ich, also gerade mal Ende zwanzig, und ich glaube, ich tue ihr nicht unrecht, wenn ich sage, dass sie einer der vielgepriesenen und -beschworenen und herbeigebeteten <i>digital natives</i> ist, im Übrigen auch einer dieser häßlichen Begriffe aus der idiotischen und staubtrockenen Nerdkultur, der zudem auch noch leicht rassistische Anklänge hat, denn bis jetzt wurden ja noch alle <i>natives</i> ausgerottet, versklavt und / oder unterdrückt. Ich bin jedenfalls wohl keiner mehr bzw. noch keiner, ich hab Mühe, mich an ein Telefon mit Drucktasten zu gewöhnen und nicht beim Abnehmen gleich "Vermittlung?" in den Hörer zu rufen. Aber im Grunde ist das auch völlig belanglos, denn ich will ja nicht Neele Hülcker besprechen, sondern ihr Stück. Irgendwie hänge ich dieser altmodischen Vorstellung an, dass ein Stück für sich selbst stehen und nicht von der Biographie seines Autors abhängig sein sollte. Deshalb, dieser Beisatz sei mir dann doch noch erlaubt, ehe es wirklich und tatsächlich losgeht, deshalb also nervt mich zum Beispiel der ganze Helmut - Oehring - Komplex tendenziell etwas, weil ich immer denke: Wie würde ich die Musik finden, wenn ich seine Biographie nicht ständig im Hinterkopf hätte? Also, Schluß jetzt damit, ich hab mich mit Neele Hülckers Biographie nicht beschäftigt, interessiert mich auch nicht. Ich glaube, das ist in ihrem Sinne, auf ihrer Webseite steht ja auch nur, wann sie geboren wurde und wo sie jetzt lebt. Und selbst auf diese Infos hätte ich noch verzichten können, wer lebt denn heutzutage nicht in Berlin? Wahrscheinlich nur noch ich.<br />
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"Kramen" also. Cooler Titel, wie immer. Ohne coolen Titel läuft gar nix. Coole Titel haben die "...fragment...wie ich einmal von mir selbst ergriffen war..."-pseudopoetischen Hochromantiktitel des späten 20. Jahrhunderts abgelöst. Ist ja auch richtig so, jede Zeit braucht ihre Titelmoden. Und es wäre keine Mode, wenn nicht jeder mitmachen würde. Mach ich ja auch.<br />
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Bei Neele Hülcker wird grundsätzlich viel gekramt, scheint so ihr
Topos zu sein. Leute setzen sich an einen Tisch und hantieren mit
irgendwelchen sogenannten Alltagsgegenständen herum, ach nee, das heißt ja jetzt: <i>found items</i>, so z.B. auch bei
"Mitarbeit", "Live Electronic Music", "Bauvorhaben", "Sidekick" usw.
usf. Auch bei "kramen" wird also gekramt. Denke ich zumindest. Und wird es auch. Es ist auch kein Musikstück, sondern eine Installation. Denkt Neele Hülcker zumindest. Ist es aber nicht. Es ist eine astreine Theaterszene, ich denke da in Richtung Ionescu oder auch Beckett, irgendwie absurd halt. Dargeboten von Dilettanten. Eben nicht musikalischen, sondern schauspielernden. Das ist teilweise schwer erträglich. Weil es nicht, wie wohl angedacht, irgendwie merkwürdig oder absurd, sondern einfach nur unbeholfen und hölzern wirkt. Einen Gefallen hat Neele Hülcker dem Stück damit jedenfalls nicht getan. Ich mag gar nicht das ganze Stück auseinandernehmen, vielleicht ein anderes Mal (naja, wohl eher nicht). Für diesmal will ich die Aufmerksamkeit des allerwertesten Lesers nur auf einige ausgesuchte Momente lenken.<br />
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Vier Leute (Streichquartett?) sitzen an vier Cafétischen, adrett bestückt mit Kunst(?)blume in Vase, Zuckerstreuer etc. Im Hintergrund läuft irgendein Soundtrack, dessen Aufbau entlang, Zweck für und Verbindung mit der Szene ich nicht kapiert hab. Klingt nach geschredderten Neue-Musik-Fragmenten, irgendwelchen aufgenommenen Alltagsgeräuschen, Entschuldigung: <i>field recordings</i>, und was weiß ich noch. Vielleicht ist auch die Qualität im Video nicht ausreichend, um das alles zu beurteilen. Also lass ich es bei der Feststellung, dass das alles für mich ziemlich beliebig klingt und sofort in mein Unbewußtsein bzw. in den großen Bereich der Nichtaufmerksamkeit hineinverläppert.<br />
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Zu Anfang werden erstmal die Gesten vorgestellt (Exposition!), die im Laufe des Stücks vorkommen. Als da wären: Trinken, Umdrehen, Haare aus der Stirn streichen, Stühle rücken (Ionescu!). Alles mit erzbitterem Ernst vorgetragen. Verstehe ich schonmal nicht. Warum dieser Ernst? So hockt ja keiner im Café. Nicht, dass ich einer dieser idiotischen Realismusverfechter wäre, die bei irgendwelchen Fernsehkrimis rumjammern, dass sie die Polizeiarbeit nicht realistisch darstellten. Nein, darum geht's nicht. Es ist vielmehr so, dass sich bei mir sofort der Gedanke festsetzt: Die können gar nix anderes. Wenn man keine schauspielerischen Möglichkeiten hat, dann macht man eben ein ernstes Gesicht und verzieht es möglichst nicht. Derart auf die Limitierungen der Ausführenden aufmerksam gemacht, kann ich nicht anders, als nur noch darauf zu achten, was selbstredend dazu führt, dass ich nur noch Unzulänglichkeiten finde. Beim HaareausderStirnStreichen zum Beispiel (0'22'' z.B. und später in Häufung ab 9'22''): Die Bewegungen sind zu langsam und betont, um als "natürlich" durchzugehen. Und nicht, wie soll ich sagen, mit ausreichend Haltung ausgeführt, dass man uneingeschränkt sagen könnte: "Das ist eine stilisierte Bewegung." Also hängen sie so in einem gestischen Niemandsland herum und wirken letztendlich, wie schon gesagt, unbeholfen. Ähnliches gilt für's Stühlerücken (0'26'' und im weiteren Verlauf z.B. bei 3'39'' oder 9'30''): So rückt man seinen Stuhl nicht zurecht. Man schaut nicht runter, wohin man ihn rückt. Man rückt ihn beinahe nie seitwärts, außer man macht Platz an einem bereits engbesetzten Tisch, was hier aber nicht der Fall ist. Andererseits bietet diese Aktion auch kein Stilisierungspotential. Das Rücken ist nicht irgendwie angemerkwürdigt, so dass man denken könnte: "Aha, seltsam, dieses Rücken, es bekommt jetzt eine poetische Kraft, die ich ihm nie zugetraut hätte." Nein, es wird mit diesem heiligen Ernst, der ja auch keine Haltung, sondern bloß ein Notbehelf ist, gemacht und wirkt irgendwie schlampig, ohne absichtsvoll schlampig zu wirken, was ja auch eine Qualität wäre, sondern ungekonnt schlampig, was garantiert keine Qualität, sondern bloß ärgerlich ist. Auch nicht besser: Wasser aus'm Glas trinken (gleich zu Beginn oder auch später bei 3'25''). Wer zum Teufel fixiert sein Glas mit dem Blick auf diese Weise, bevor er es in die Hand nimmt? Warum wird das Trinken beim ersten Mal so gewollt bedeutungsvoll inszeniert (Bedächtigkeit der Bewegungen)? Noch schlimmer und also am schlimmsten allerdings finde ich die Kopf-auf-Hand-stütz-und-in-die-Ferne-schau-Geste (3'31''). Da kriecht bei mir dann schon so eine leichte Fremdschamanwandlung die Speiseröhre hoch. Laientheater in seiner ganzen Pracht. <br />
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Ach, aber da ist ja noch das "Kramen". Bis jetzt hatten die Gesten irgendwie mit dem Thema "Café" zu tun. Das Kramen fällt da raus, jedenfalls ist es nicht unbedingt eine übliche Tätigkeit an einem Cafétisch, den gesamten Inhalt seiner Tasche auf den Tisch zu räumen. Später wird das Zeug noch auf dem Tisch umarrangiert. Zwischendurch wird Papier geknüllt, glattgestrichen, wieder geknüllt, wieder glattgestrichen. Und zu guter Letzt wird alles wieder in die Tasche gepackt (leider bricht das Video mitten im Einräumprozess ab). Es ist interessant zu beobachten, wie falsch man so eine einfache Sache wie etwas aus einer Tasche zu holen und auf den Tisch zu legen machen kann, wenn man es spielt. Denn es wird gespielt. Es ist keine Tätigkeit, die man unbeobachtet und für einen konkreten Zweck in einem tatsächlichen Café macht. Man fühlt sich beobachtet (bei 7'48'' schaut der Möller ja sogar in die Kamera), das Rausräumen hat keinen Zweck, außer, dass es wohl in irgendeiner Form verabredet ist und prompt geht einem der Bewegungsablauf gar nicht mehr so natürlich vom Körper. Es sind Kleinigkeiten wie sekundenbruchteillanges Zögern beim Abstellen von Gegenständen, die man im natürlichen (ich schreib' immer "natürlichen", als hätte der Mensch so eine Art wildes Habitat, aus dem man ihn rausgerissen und in eine absolut künstliche Umgebung hineinverfrachtet hätte, was irgendwie ja auch ungefähr stimmt, mit dem Unterschied, dass man nicht aus der Wildnis, sondern aus einem sozusagen alltäglichen Kulturumfeld in ein nichtalltägliches Kulturumfeld gesetzt wird, womöglich noch aus freiem Willen), jetzt hab ich den Satzanfang vergessen, ach so: Kleinigkeiten wie sekundbruchteillanges Zögern beim Abstellen von Gegenständen, die man im natürlichen (siehe Ausführung in der vorigen Klammer) Umfeld nicht erwarten würde. Da wäre es ja so: Bei dieser Menge an Gegenständen, die ich aus meiner Tasche aus irgendeinem Grund (ich suche etwas?) auf den Tisch befördern wollte, würde ich wohl früher oder später einfach die Tasche auskippen. Niemals würde ich so einen Haufen disparate Gegenstände sorgfältig nebeneinander auf dem Tisch aufbauen, jedenfalls will mir kein Grund dafür einfallen. Und das ist auch der Grund, warum die "Performer" immer wieder ganz kurz, kaum merklich zögern. Es muss ja ein Platz für den nächsten Gegenstand gesucht werden. Na und, wo ist jetzt das Problem? Das Problem ist ganz einfach folgendes: Die ganze Aktion soll irgendwie natürlich (siehe Ausführungen in der Klammer oben) wirken, ist aber gleichzeitig von der Anlage her schon vollkommen unnatürlich (siehe Ausführungen in der obigen Klammer). Diese Differenz kann man natürlich (nicht in Bezug zu den Ausführungen in der obigen Klammer) aufmachen, aber man muss sie bewußt aufmachen. Die "Performer" im Video dagegen versuchen, die Aktion natürlich aussehen zu lassen, was gar nicht geht, weil es gar keine natürliche Aktion ist. Bzw. könnte man immerhin versuchen, es wie eine natürliche Aktion aussehen zu lassen, müßte dafür aber gut schauspielern können. <br />
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Jetzt könnte man mir ja vorhalten, dass ich mit all dem gar nichts über das Stück und beinahe alles über die Leistungen der Interpreten gesagt hätte. Könnte man meinen, stimmt aber nicht. Denn das Nichtfunktionieren des Stückes, jedenfalls sehe ich das so, beruht gar nicht so sehr auf den Unzulänglichkeiten der Ausführung, sondern beides hauptsächlich auf einer, nein, sogar mehreren Fehleinschätzungen der Komponistin. Diese betreffen die a) formale Anlage des Stückes, b) die sozusagen Instrumentation des Stückes und c) den Schwierigkeitsgrad der Ausführung. Wie immer im richtigen Leben hängen alle drei Punkte eng verzwirbelt ineinander und eines bedingt das andere. Und damit muss ich natürlich doch das Stück auseinandernehmen.<br />
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a) Da ja, wie schon ausgeführt, die "Musik", also das Zuspiel, gar keine Rolle spielt, ist man als Zuschauer ausschließlich auf die Bewegungen der Interpreten verwiesen. Mit anderen Worten: Man interpretiert das Geschehen auf der Bühne als Szene. Das geht nicht anders. Ich weiß nicht, warum Neele Hülcker das Ganze "Installation" nennt, vielleicht, weil es in einem tatsächlichen Café aufgeführt wird, vielleicht, weil es stundenlang im Loop aufgeführt wurde (was ich auch nicht weiß, weil es dazu keine Angaben gibt), vielleicht aber auch einfach nur, weil es cooler klingt als "Szene für 4 Schauspieler". Als Installation allerdings ist es mir nicht statisch genug bzw. auch einfach zu kurz (selbst unter der Voraussetzung, dass es mehrmals hintereinander aufgeführt wurde), während es als Szene zu einförmig und -tönig bzw. zu lang ist. Das ganze Ding, wie auch immer man es jetzt nennen will, hat im Grunde eine ziemlich klassische musikalische Form, mit Exposition, Durchführung und Reprise. Beinahe möchte ich hier als Vorlage die Große Fuge anführen (Themenbruchstücke zu Beginn, fugales "Kramen" in den Themen, einpacken), wenn der Vergleich nicht gar zu viel Gefälle hätte. Denn wirklich "gearbeitet" wird mit den Themen in "kramen" nicht. Sie werden halt immer neu kombiniert, bleiben ansonsten aber weitgehend unverändert. Ein Haarewischen sieht in Minute 9 genauso aus wie in Minute 1. Da tut sich nix. Nach ca. Minute 2 kommt dann gar nichts Neues mehr, wenn man mal vom <i>freeze</i> ab 7'55'' ca. absieht (2/3-Regel!). Das führt dazu, dass zwar eine Entwicklungsform abgefahren wird, die aber ohne wirkliche Entwicklung auskommen muss. Also eiert alles so leicht unmotiviert vor sich hin. Da bringt es auch nichts, dass das Kramen im Verlauf des Stückes hektischer wird. Zumal die Hektik nicht gerade die schauspielerische Leistung befördert. Oder andersrum die schauspielerische Leistung nicht gerade den Eindruck befördert, die Hektik sei irgendwie notwendig oder am Platze. <br />
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b) Die Instrumentation des Stückes mit vier "Performern" ist auch so ein kompositorisch nicht gelöstes Problem. Oben meinte ich ja noch Streichquartett, aber es ist dann wohl doch eher so etwas wie ein Stück für vier Geigen. Alle vier bieten ungefähr die gleiche Klangfarbe an. Also: dieselben Gesten, in derselben Intensität, mit demselben Gesichtsausdruck. Keiner muckt mal auf, steht auf (Toilettengang!), kriecht unter den Tisch, schreit rum oder macht sonstetwas, das man eine abweichende Klangfarbe nennen könnte. Das ist zu einem Teil natürlich auch den formalen Problemen geschuldet, es gibt keinen wirklichen Kontrapunkt oder irgendein "zweites Thema". Das Kramen ist jedenfalls keines, dafür ist seine Andersartigkeit doch etwas zu, sagen wir mal, subtil. Damit gibt es auch keine Notwendigkeit, ein anderes Motiv mit einer anderen Klangfarbe herauszuinstrumentieren. Dann hätte man ja aber wenigstens die immergleichen Elemente uminstrumentieren können. Dazu aber hätte man fähigere Interpreten einplanen müssen. Da beißt die Katze keinen Schwanz ab.<br />
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c) Das Stück bietet einen zu hohen Schwierigkeitsgrad für Laienschauspieler. Mit Requisiten hantieren, ins Leere schauen, genau abgezirkelte Bewegungen immer wieder ausführen und alle diese Dinge, das ist schwierig. Das sieht ja oft genug auf der Theaterbühne schon doof aus, nach sechs Wochen Proben, mit Leuten, die das alles jahrelang studiert haben. Woher die Gewissheit oder Idee kommt, dass das mit Nichtschauspielern irgendwie einfacher oder besser oder irgendwie 21.-Jahrhundert-mäßiger sein soll, weiß ich nicht. Und wenn ich hier darauf beharre, dass Schauspieler vielleicht die bessere Lösung gewesen wären, so geschieht dies immer mit dem unausgesprochenen Attribut "gute". So wie man für die Aufführung irgendeines stinknormalen Musikstückes ja auch viel lieber "gute" Instrumentalisten hat als mittelmäßige oder gar unfähige. "kramen" bietet keinerlei Anhaltspunkte für die implizit aufgestellte Behauptung, es müsse unbedingt von ungeübten Laiendarstellern aufgeführt werden. <br />
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Alles in allem läuft es darauf hinaus, dass das eigene Konzept nicht konsequent durch- und zuendegedacht wurde. Wenn man eine Szene in einer musikalischen Form organisieren will, warum sind dann grundlegende musikalische Techniken wie Transposition, Augmentation / Diminution, Klangfarbenänderung, Modulation etc. nicht berücksichtigt? Das wäre doch mal ein interessantes Konzept gewesen, gestische bzw. szenische Lösungen für diese Dinge zu finden. Aber klar, mit Instrumentalisten, die Schauspieler darstellen, die irgendwas darstellen, kann man keine großen Sprünge machen. Mein tieferliegender Verdacht ist aber, wie auch bei vielen anderen Stücken, dass es gar kein kompositorisches Problem zu lösen gab und nur eine Idee durchgehauen wurde. Das ist mir dann aber für "Kunst""musik" im allerweitesten Sinne doch irgendwie zu wenig. Am schlimmsten aber fand ich, dass das Ganze noch nicht mal lustig war.<br />
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<a href="https://www.youtube.com/watch?v=Om3-SksinTg" target="_blank">2 Ole Hübner: "fuck bass fuck bass" für Ensemble mit Solo-Sopranblockflöte, live-Elektronik, Audio- und Videozuspiel und Stroboskop</a></h3>
Wunderbar, diese Zwischenüberschriften. Ich merke allerdings gerade, dass der Text doch arg lang wird, deshalb gibt's dieses Stück und den mit Dressing vermengten Gesamtsalat in Form einer allgemeineren Abschlusserklärung nächste Woche in einem zweiten Teil.Jakob Goljadkinhttp://www.blogger.com/profile/00956296579601798564noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-2377568753436832195.post-85470407533284594352015-12-03T20:16:00.002+01:002015-12-03T20:16:51.599+01:00Kommentar 46 (5.1.6) - Deutschland wird im Spätbarock verteidigt / Was ich neulich mal dachte 7 / Was ich daraufhin gemacht habe 1Neulich dachte ich mal, dass man doch eigentlich nichts weiter als die Goldbergvariationen bräuchte. Ist doch wunderbar. Ist doch alles da. Kann gar nicht verstehen, dass sich irgendjemand danach die Mühe gemacht hat, überhaupt nochmal was Neues zu komponieren.<br />
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Und weil ich also fest daran glaube, dass man nichts außer den Goldbergvariationen braucht, habe ich beschlossen, um für den absoluten Notfall gerüstet zu sein (totaler Stromausfall, Internet lahmgelegt, Installation eines Gottesstaates mit totalem Musikverbot, Installation eines Besorgte-Bürger-Und-Schweigende-Mehrheit-Staates mit totalem Bücherverbot usw.), die Goldbergvariationen auswendig zu lernen. Quasi als Dr. B. der Musik. Die Arbeit geht auch gut voran, die ersten drei Nummern habe ich schon intus. Die Bassfiguren in der Nummer 4 (also Variation 3 / canone all'unisono) machen grade etwas Schwierigkeiten, die scheinen manchmal willkürlich, was aber natürlich nur daran liegt, dass ich ihre Sinnhaftigkeit noch nicht richtig kapiert hab. Ansonsten bin ich nach wie vor ziemlich begeistert von meinem Vorhaben und möchte behaupten, dass damit ein aktiver und nicht gerade geringer Beitrag zur Verteidung der abendländischen Werte oder doch wenigstens zu ihrer Rettung über eine eventuell bevorstehende Durststrecke geleistet ist. Nur darf halt erst in zwei oder drei Monaten etwas passieren. So lange brauche ich wohl noch.<br />
Deutschland, halte durch!Jakob Goljadkinhttp://www.blogger.com/profile/00956296579601798564noreply@blogger.com1tag:blogger.com,1999:blog-2377568753436832195.post-23218246454659135312015-11-19T15:07:00.000+01:002015-11-19T15:07:22.582+01:00Kommentar 45 - Kleiner Katechismus des Zweifels (Von der Notwendigkeit einer Utopie)<div style="text-align: center;">
Was ist der Zweifel?</div>
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Der Zweifel ist die Methode des Denkens oder Sprechens, eine Frage nicht mit einer Aussage, sondern mit einer Gegenfrage zu beantworten, das heißt also: eine Frage nicht zu beantworten, sondern die Frage zu befragen. Der Zweifel ist also eine Art und Weise, das Gespräch in Gang zu halten. Wer zweifelt, redet. Reden heißt auch denken. Also denkt, wer zweifelt.<br />
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<div style="text-align: center;">
Wie zweifle ich richtig?</div>
<br />
Weil der Zweifel nur eine Methode oder Art und Weise des Denkens oder Sprechens darstellt, ist er erlernbar. Um den Zweifel zu erlernen, muss man ihn einüben. Das Einüben des Zweifelns besteht darin, eine Frage nicht zu beantworten, sondern ihrerseits zu befragen. Eine Frage kann auf verschiedene Weise befragt werden: Eine Frage kann auf ihre expliziten oder impliziten Prämissen hin befragt werden (Welche Prämissen liegen der Frage zugrunde und sind die zugrundeliegenden Prämissen richtig?). Eine Frage kann auf ihre explizite oder implizite Richtung hin befragt werden (Zielt die Frage schon auf eine bestimmte Antwort ab? Ist die Frage also überhaupt eine Frage, oder doch nur eine als rhetorische Frage verkleidete Aussage?). Eine Frage kann auf ihre Sinnhaltigkeit befragt werden (Ist es sinnvoll, diese Frage so oder überhaupt zu stellen?).<br />
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<div style="text-align: center;">
Was ist das Ziel des Zweifels?</div>
<br />
Insofern der Zweifel aus dem Erwidern einer Frage mit einer Gegenfrage und damit auch aus dem Erwidern der Gegenfrage mit einer weiteren Gegenfrage besteht, gibt es kein Ziel des Zweifels in Form einer anzustrebenden Antwort. Ziel des Zweifels ist es lediglich, das Gespräch und damit das Denken in Gang zu halten. Der Zweifel, verstanden als Gegenfrage, produziert höchstens vorläufige Antworten, indem er seinerseits Prämissen zur Voraussetzung hat, eine Richtung anzeigt und seine eigene Sinnhaftigkeit behauptet. Damit wird der Zweifel als Akt der Gegenfrage selbst zum Gegenstand des Zweifels.<br />
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<div style="text-align: center;">
Gibt es unbezweifelbare Tatsachen, also Fragen, die ein für alle Mal beantwortet werden müssen?</div>
<br />
Nein. Alle Fragen sind immer dem Zweifel zugänglich. Weil der Zweifel Prämissen, Richtungen und Sinn sichtbar zu machen versucht, leistet er Erkenntnisarbeit in dem Sinne, dass er die Konstruktion von sogenannten letztgültigen Wahrheiten als prinzipiell unabschließbar offenlegt. Der Zweifel behauptet nicht, dass es keine letztgültigen Wahrheiten gibt, der Zweifel hält lediglich das Gespräch und das Denken darüber in Gang.<br />
<br />
<div style="text-align: center;">
Aber was ist zum Beispiel mit Werten, die wir für universell halten, also Menschenrechten, Schutz des Lebens usw.? Sind diese Tatsachen nicht vom Zweifel ausgenommen?</div>
<br />
Der Zweifel zwingt dazu, Begründungen für Fragen zu liefern, indem er Prämissen, Richtung und Sinn einer Frage offenlegt. Deshalb ist der Zweifel auch kein Mittel der Dekonstruktion. Der Zweifel ist konstruktiv, indem er Schwächen der bisherigen Konstruktion offenlegt und darauf beharrt, die Konstruktion zu verbessern. Wenn man bestimmte Fragen dem Zweifel entziehen will, entzieht man diese Fragen dem Denken und Sprechen darüber. Damit schwächt man aber letztendlich diese Fragen, indem man ihnen die Möglichkeit zur Begründung verweigert. Fragen, die vom Zweifel ausgenommen werden, produzieren Ideologien. Eine Ideologie ist die Antwort auf eine Frage, die nicht bezweifelt wurde.<br />
<br />
<div style="text-align: center;">
Ist dann der Zweifel nicht selbst eine Ideologie?</div>
<br />
Nein. Der Zweifel ist keine metaphysische Tatsache im Sinne einer Antwort auf eine unbezweifelte Frage, er ist nur eine Methode des Denkens und Sprechens. Er ist selbst dem Zweifel zugänglich.<br />
<br />
<div style="text-align: center;">
Führt der Zweifel dann nicht in einen bodenlosen Relativismus?</div>
<br />
Nein. Der Zweifel bietet keine Grundlage für ein <i>anything goes</i>. Dem Zweifel liegt vielmehr ein <i>nothing goes </i>zugrunde. Dem Zweifel muss jede vorläufige Erkenntnis abgerungen werden. Der Zweifel als Denkwerkzeug produziert auch keine Beliebigkeiten, da Beliebigkeiten nicht begründbar sind, der Zweifel aber immer nach der Begründbarkeit fragt. Der Zweifel verhandelt auch nicht über Dinge oder macht Dinge verhandelbar, er fragt nach Begründungen für Fragen.<br />
<br />
<div style="text-align: center;">
Verdammt der Zweifel nicht zur Handlungsunfähigkeit?</div>
<br />
Handlungen sind keine Fragen, sondern Antworten auf Fragen, deshalb befasst sich der Zweifel nicht mit Handlungen. Der Zweifel befasst sich mit der Frage, deren Antwort die Handlung ist. Insofern die Frage, deren Antwort die Handlung ist, nicht immer explizit gestellt wird und zeitlich eng an diese geknüpft ist, sieht es so aus, als könne sich der Zweifel mit der Handlung selbst befassen. Eine Handlung kann aber nicht bezweifelt werden, sie ist einfach da. Sobald die Handlung da ist, kommt der Zweifel zu spät. Wenn es dem Zweifel gelingt, die Frage vor der Handlung mit einer Gegenfrage zu belegen und damit also das Gespräch in Gang zu halten, verzögert der Zweifel die Handlung als Antwort auf die Frage. Dieser Fall spielt im Alltag aber keine Rolle. Der Alltag besteht aus Handlungen, die als Antworten auf nicht expliziert formulierte Fragen diesen auf dem Fuss folgen. Deshalb ist der Zweifel oder die vermehrte Anwendung des Zweifels als Methode ein utopisches Projekt.<br />
<br />
<div style="text-align: center;">
Dann ist der Zweifler dem Nichtzweifler aber doch hilflos ausgeliefert und letztlich nur Spielball der Handlungen des Nichtzweiflers?</div>
<br />
Der Zweifel ist keine Haltung, er ist nur eine Methode des Denkens und In-Gang-Haltens eines Gespräches. Deshalb ist auch kein Mensch ausschließlich ein Zweifler oder Nichtzweifler. Da der Alltag, verstanden als Lebenswirklichkeit des Menschen, beinahe ausschließlich aus Handlungen besteht, spielt der Zweifel für den Alltag keine Rolle. Eine Handlung setzt einen Automatismus von Gegenhandlungen in Gang. In diesem Automatismus hat der Zweifel keinen Platz. Wenn der Automatismus aus Handlungen angelaufen ist, kommt der Zweifel bereits zu spät. Die Vermehrung des Zweifels aber als utopisches Projekt ist darauf aus, zwischen Frage und Antwort zu gelangen. Ziel des utopischen Projektes der Vermehrung des Zweifels muss es sein, zwischen immer mehr Fragen und ihre Antworten in Form von Handlungen zu gelangen. Der Zweifel muss missioniert werden. Dieses Ziel ist bezweifelbar. Der Zweifel an diesem Ziel ist aber schon der erste Schritt auf dieses Ziel zu.<br />
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<div style="text-align: center;">
Warum gibt es überhaupt so wenig Zweifel? </div>
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Der Zweifel erfordert die Möglichkeit, eine Frage im Raum stehen zu lassen, ohne sie sofort zu beantworten oder beantworten zu müssen. Nur im handlungsfreien Raum kann der Zweifel sich entfalten. Dieser Raum besteht im Alltag nicht, wo Handlung nahtlos auf Handlung folgt. Die Automatismen des Handelns, also: des Beantwortens von Fragen, kennen keinen Raum des Zweifels. Weil der Zweifel Handlungen nicht betrifft, dient die Reihung von Handlungen, also Antworten, auch der Ausübung von Macht. Macht wird durch die enge Reihung von Handlungen, also Antworten, ausgeübt, zwischen die der Zweifel nicht gelangen kann. Ziel der Ausübung von Macht ist es, den Zweifel weiter zu verdrängen und letztendlich auszuschalten. Deshalb dient das utopische Projekt der Vermehrung des Zweifels auch der Freiheit.<br />
<br />
<div style="text-align: center;">
Ach komm schon, ist das wirklich dein Ernst? </div>
<br />
Der Zweifel als Methode des Denkens und Sprechens ist kein Allheilmittel. Er ist überhaupt kein Heilmittel. Er ist nur eine Methode. Die Anwendung der Methode des Zweifels zeitigt aber gewisse Folgen. Ohne Zweifel kein Sprechen und Denken. Ohne Zweifel keine Wissenschaft. Ohne Zweifel keine Kunst. Ohne Zweifel keine Demokratie, keine Menschenrechte, keine Rechtsstaatlichkeit. Während diese Dinge wie Antworten aussehen, müssen sie doch als Fragen und Gegenfragen im Prozeß der Anwendung der Methode des Zweifels verstanden werden.<br />
<br />
<div style="text-align: center;">
Oh je, jetzt wird's aber doch sehr pathetisch...</div>
<br />
Versteht man diese Konzepte als Antworten, also als metaphysische Dinge, die in irgendeinem Sinne da sind und also gefunden (entdeckt) werden können, dann sind diese Antworten naiv und damit pathetisch. Versteht man aber diese Konzepte als Fragen und Gegenfragen im Prozeß des Zweifelns, dann bekommen sie einen rein pragmatischen Sinn, weil der Zweifel dazu zwingt, Begründungen für diese Konzepte zu liefern. Das ist das Gegenteil von naivem Pathos.<br />
<br />
<div style="text-align: center;">
Ich weiß nicht, irgendwie finde ich diese Art von abstraktem, sophistischem Gelaber ziemlich doof. Hilft doch keinem weiter, schon gar nicht in der aktuellen gesellschaftlichen und politischen Situation.</div>
<br />
Der Begriff "weiterhelfen" ist nicht klar definiert. In welchem Sinne soll wem überhaupt weitergeholfen werden? Wohin soll ihm weitergeholfen werden? Was soll das Ziel des Weiterhelfens sein? Worin besteht die aktuelle gesellschaftliche und politische Situation genau? Gibt es überhaupt soetwas wie "eine" Situation, oder sind es mehrere, wenn auch vielleicht miteinander verknüpfte Situationen, also mehrere Fragen und nicht nur eine? Ruft diese Aussage in dieser Form nicht einfach nur nach Handlungen? Impliziert die Formulierung nicht, dass es einer ganz bestimmten Art von Handlungen bedarf, um "weiterzuhelfen"? Ist die Forderung nach schnellen Antworten, also Handlungen, immer und auf allen Seiten ein Teil des Problems? Wird mit solchen Aussagen die zivilisatorische Wirkung des Zweifels zu unrecht verkleinert?<br />
<br />
<div style="text-align: center;">
Naja, letztlich ist das natürlich doch eine äußerst bequeme Position, über die man leicht im kuschelig beheizten Wohnzimmer parlieren kann. Währenddessen werden draußen in der Welt in wahnsinniger Geschwindigkeit Fakten geschaffen, ziemlich beunruhigende Fakten.</div>
<br />
<br />
Wenn wir das Gespräch und damit das Denken einstellen, weil es angeblich einfach nur bequem ist und keinem "weiterhilft", dann bleibt nichts anderes übrig, als in den Automatismus der Handlungen einzusteigen, mit allen Konsequenzen. Ansonsten ist es nicht meine Schuld und auch nicht mein Verdienst, dass ich in einem kuschelig beheizten Wohnzimmer sitze. <br />
<br />
<div style="text-align: center;">
Du hast wohl auf alles eine Antwort?</div>
<div style="text-align: center;">
<br /></div>
Ja.Jakob Goljadkinhttp://www.blogger.com/profile/00956296579601798564noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-2377568753436832195.post-44755944379349950862015-11-12T10:10:00.000+01:002015-11-12T15:46:04.612+01:00Kommentar 44 - Radikaler Objektivismus (Kleinstgeistigkeit)Fehler in:<br />
<br />
Markus Gabriel: Ich ist nicht Gehirn. Ullstein, 2015<br />
<br />
-S. 46: "Meine positive Hauptthese beläuft sich darauf, dass es sich bei diesen Begriffen um Elemente eines Bildes handelt, dass sich der menschliche Geist von sich selbst macht." Es muss aber heißen: "[...] dass es sich bei diesen Begriffen um Elemente eines Bildes handelt, <u><i><b>das</b></i></u> sich der menschliche Geist von sich selbst macht." <br />
<br />
- S. 213: "Frauen wären dann auf ihr artspezifisches Gehirn festgelegt. Das dem so ist, brauche ich hier wohl nicht weiter auszuführen." Es muss aber heißen: "<u><i><b>Dass</b></i></u> dem so ist [...]".<br />
<br />
- S. 258: "Er [Richard Dawkins] meint, das dasjenige, was den Egoismus antreibt, nicht das Individuum sei (also nicht Ich oder Sie), sondern ein bestimmtes Gen, das wir repräsentieren." Es muss aber heißen: "[...], <u><i><b>dass</b></i></u> dasjenige, was den Egoismus antreibt [...]".<br />
<br />
- S. 294: "Wir würden normalerweise sagen, Romeo sei frei gewesen, dies zu tun - es sei denn, wir erführen, dass er unter dem Einfluss einer Droge steht, die seine Freiheit einschränkt oder Ähnliches Hier sind einige Bedingungen dafür, dass wir dieses Ereignis als Ausdruck von Freiheit einstufen." Es muss aber heißen: "[...] oder Ähnliches<u><b>.</b></u> Hier sind einige Bedingungen dafür [...]".<br />
<br />
Alles andere ist korrekt.Jakob Goljadkinhttp://www.blogger.com/profile/00956296579601798564noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-2377568753436832195.post-46215724246117536672015-11-12T09:09:00.001+01:002015-11-12T09:09:54.194+01:00Kommentar 43 - Radikaler Subjektivismus (Selbstüberredung)Ich mochte den Artikel von Frank Hilberg über die Donaueschinger Musiktage "Das Festival als Kindergeburtstag" in den Musiktexten 147 [November 2015].Jakob Goljadkinhttp://www.blogger.com/profile/00956296579601798564noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-2377568753436832195.post-32327467798003498582015-10-25T13:02:00.000+01:002016-01-21T17:06:54.180+01:00Kommentar 42 - Komponieren ohne SauerstoffIch werde mal nicht so tun, als gäbe es für mein einjähriges Verstummen irgendeine vernünftige Erklärung. Gibt's nicht. Im Grunde war mir von einem Tag auf den anderen ganz fürchterlich langweilig, mit diesen ganzen nutzlosen Diskussionen um die Neue Musik, den ganzen nutzlosen "Kunst"-"Philosophien", der ganzen nutzlosen "Blogosphäre" (überhaupt, was für'n hässlicher Name) und eigentlich und ganz hauptsächlich vor allem mit mir selbst und dem ewigen Weitergemache, das ja letztendlich nur darauf hinauslief, alles mögliche scheiße zu finden, was wiederum nicht weiter schwer ist, weil es einfach viel zu viel gibt, was einfach auch scheiße ist. Man kann das dann selbstverständlich "Langen Atem" nennen, wenn man auf Teufel komm raus weitermacht, obwohl es nichts gibt, womit man weitermachen sollte, aber diese Art von faulig riechendem, wenn auch langem Atem fand ich dann doch irgendwie eklig.<br />
<br />
Die Frage war irgendwann, ob ich wirklich nur noch aufschreiben wollte, was ich scheiße finde (was, wie gesagt, nicht schwer wäre, weil es einfach, das kann ich gar nicht genug betonen, viel zu viel gibt, was total scheiße ist), oder ob ich mich nicht doch lieber mit Dingen beschäftigen will, die mir vielleicht bessere Laune machen. Und das wollte ich. Und damit hab ich natürlich doch erklärt und hinrationalisiert, warum ich ein Jahr lang nichts geschrieben habe, und mir gleich mal selbst widersprochen, aber mir hat sich sowieso noch nie erschlossen, was eigentlich genau daran verkehrt sein soll, sich von Zeit zu Zeit und auf engstem Raum selbst zu widersprechen, weil sich selbst zu widersprechen ja doch eine schöne, intime und besonders belebende Form des fortdauernden inneren Dialogs ist.<br />
<br />
Jedenfalls habe ich tatsächlich und umgehend damit angefangen, mich mit schönen Dingen zu beschäftigen und mich also (neben der Zerstörung von mehr oder weniger wackligen Bauwerken grüner Schweine mit diversen Vögeln) mit dem Bergsteigen befaßt. Also nicht mit dem Bergsteigen als Sport - der höchste Berg, auf den ich eigenfüßig gestiegen bin, dürfte so um die 700 Meter hoch gewesen sein - nein, mit dem Bergsteigen als Phänomen. Das heißt: Ich habe in der Zeit, die meine Angry-Birds-Leben zum Aufladen benötigt haben, erstmal einen Haufen Videos geschaut.<br />
<br />
Ganz neu war mir das alles nicht, schon als Kind war eine meiner Lieblingsgeschichten im "Grossen Buch der Entdecker" neben jener von Amundsen und Scott die von der Erstbesteigung des Mount Everest. Inzwischen ist wohl relativ klar oder gilt zumindest als sehr wahrscheinlich oder sagen wir so: es wäre cool, glauben zu dürfen, dass nicht Hillary und Norgay die Ersten auf'm Gipfel waren, sondern Mallory und Irvine. Nützt denen aber nichts, weil es ja nur zählt, wenn man es wieder runterschafft, um allen davon zu erzählen. Und runtergeschafft haben sie's halt nicht. Und trotzdem oder auch gerade deswegen ist ihre Geschichte die Bessere, wie doch eigentlich fast immer die Geschichte vom Scheitern die Bessere ist. Ich jedenfalls finde die "Sieger"-Geschichten meistens langweilig. Ich will Geschichten vom Scheitern lesen und sehen, ich will, dass jemand abkackt, dass alle seine Träume zerplatzen, dass er ganz nach unten durchgereicht wird und Alkoholiker wird und depressiv und vielleicht noch wahllos Passanten anpöbelt usw. Kurz: Ich will mich besser fühlen können, weil es jemanden gibt, der noch mehr versagt hat als ich.<br />
<br />
Ist doch auch langweilig, dieser Amundsen mit seinen Huskys, die er als lebende Futterreserve mitgenommen hat, und mit seinen norwegischen Spezialisten, die gut Ski laufen konnten und sich überhaupt so gut in der Kälte und in der Eiswüste auskannten. Wieviel spannender dagegen dieser Scott mit seinen idiotischen Ponys, die überall eingebrochen und schlussendlich erfroren sind. Und mit seinen Motorschlitten, die genauso eingefroren, eingebrochen und versunken sind. Und mit seinen Leuten, die irgendwie nichts von ihm und seinem Führungsstil gehalten haben (und ebenfalls erfroren sind). Und er war ja trotzdem auch da, er hat den Südpol erreicht, nur eben ein paar Wochen nach Amundsen. Zurückgeschafft hat er's halt nicht. Merkwürdig, wie die Regeln so sind. Im Fall der Nordpol-Expeditionen war es ja ganz ähnlich und eigentlich noch exemplarischer: Cook war zuerst wieder von der Expedition zurück und Peary hat alles in Bewegung gesetzt, inklusive einer ausgetüftelten medialen Verleumdungskampagne, um Cook mundtot zu machen. Nur hat sich bei den Zweien dann blöderweise rausgestellt, dass wohl keiner von beiden wirklich am Nordpol war. Während man von Cook ziemlich genau weiß, dass er irgendwie wohl nur an den Inseln im äußersten Norden Kanadas entlangspaziert ist, gesteht man Peary immerhin zu, näher am Pol gewesen zu sein, ohne ihn jedoch tatsächlich erreicht zu haben. Cooks (Lebens-) Geschichte ist dabei aber doch wieder die Bessere; anscheinend hat er aus "Versehen" (kann schonmal passieren) nicht den Denali (für die Älteren: Mount McKinley), sondern irgendeinen 10 Kilometer entfernten Nebengipfel bestiegen, die Nordpol-Ersterreichung wurde ihm natürlich in allen Unehren aberkannt, und zu guter Letzt ist er auch noch wegen Aktienbetrugs oder so in den Knast gewandert. Super.<br />
<br />
Aber eigentlich ging es ja nicht um die Polarexpeditionen, sondern um das Bergsteigen. Und damit natürlich um Reinhold Messner. <b>Den</b> Bergsteiger schlechthin. Messner, dieser Kontinent von einem Bergsteiger. Alles hat er bestiegen, was sich nicht auf drei flach auf die Erdkrümmung geschmissen hat. Und selbst das Flachmachen hat diverse Weltgegenden nicht davor bewahrt, sozusagen horizontal von Messner bestiegen zu werden. Irgendwie gehört ihm inzwischen halb Südtirol und es gibt ungefähr in jedem zweiten Dorf ein sogenanntes <i>Messner Mountain Museum</i>. Also auch einer von denen, die alles erreicht haben, was es zu erreichen gibt. Und wie bei vielen, die alles erreicht haben, was es zu erreichen gibt, pflastern auch aber nicht nur sprichwörtliche Leichen seinen Weg. Mit fast allen seinen Begleitern hat er sich nach den Besteigungen zerstritten, die Umstände des Verschwindens seines Bruders am Nanga Parbat sind bis heute, naja, sagen wir mal: einigermaßen unklar, und überhaupt wirkt er immer wie einer dieser autodidaktischen Ehrgeizlinge (der er ja ist), die denen in der akademischen Welt mal so richtig die Meinung geigen wollen, was ihn immer etwas gezwungen, steif und humorlos wirken läßt.<br />
<br />
Im Grunde sind mir diese biographischen Petitessen aber auch völlig egal. Denn Reinhold Messner ist nicht nur der wahrscheinlich beste Bergsteiger aller Zeiten (sage nicht ich, sagen andere Bergsteiger), nein, er ist auch ein großer Künstler und einer der klügsten Kunstphilosophen unserer Zeit (sage jetzt ich). Richtig gelesen, Kunstphilosoph. Nee, das ist kein Witz. Echt nicht. Die Argumentation geht nämlich so:<br />
<br />
<br />
1. Bergsteigen (in der von ihm betriebenen Form) ist für Messner eine Kunstform<br />
<br />
Wenn man es genau betrachtet, ist der Gedanke, Messner als Extremperformer in der Nachfolge Joseph Beuys' (Schakal!) zu betrachten, gar nicht so abwegig, nein, nicht nur nicht abwegig, sondern geradezu naheliegend. Messner sagt ja, wenn er eine Bergwand anschaut, dann sieht er nicht nur den Stein und das Eis und den Schnee, sondern er sieht Linien, Spuren (Derrida!!) von eigenen und anderen Besteigungen, quasi eine synchrone psychisch-graphische Repräsentation der diachronen Geschichte der Besteigungen eines Berges (ach, wunderbar, die drei Semester Fernstudium Kulturwissenschaften zahlen sich schon aus). Das kann man natürlich metaphorisch nehmen und vielleicht eilig als eine etwas exaltierte Darstellung einer recht simplen Tätigkeit ("Ich gehe einen Berg hinauf") abtun. Man kann es aber auch für einen Moment mal ernst und wörtlich nehmen und zu der Feststellung gelangen, dass Kunst ja eigentlich genau das ist: Die Betrachtung labyrinthisch ineinander verflochtener Spuren an den Bergen menschlicher Geistestätigkeit (ja, man wird im Angesicht der majestätischen Gebirgsketten, die Gott vor sechseinhalb tausend Jahren da aus der Rippe eines Menschen oder so ähnlich geformt und hingeworfen hat, schon irgendwie pathetisch) und die Auslotung von Möglichkeiten, noch irgendwo eine eigene Spur ziehen oder notfalls auch bloß hinpissen zu können.<br />
<br />
<br />
2. Es gibt künstlerisches und unkünstlerisches Bergsteigen<br />
<br />
Wie im richtigen Leben, also in der richtigen Kunst, gibt es eben doch Kunst und Nichtkunst, auch wenn natürlich viele gerne hätten, dass es nur Kunst und Kunst gibt. Und während für Aussenstehende vielleicht alles gleichermaßen wie Kunst (oder auch gleichermaßen wie Nichtkunst) aussieht, gibt es doch Unterscheidungskriterien, die ganz klar Kunst von Nicht- oder Pseudo- oder Schrottkunst unterscheiden. Messner jedenfalls hat für das Bergsteigen ziemlich genaue Vorstellungen davon, wie künstlerisches (oder "echtes") Bergsteigen auszusehen hat, er nennt das Ganze "Bergsteigen im Alpinstil" im Gegensatz zum "Bergsteigen im Expeditionsstil". <br />
Natürlich sehen die Ergebnisse der beiden Stile irgendwie ziemlich gleich aus ("Er war auf dem Gipfel"), und trotzdem ist eines davon eine Kunstform und das andere bloß (bestenfalls) Kunstgewerbe (siehe auch: Danto). Im Grunde hängt alles an einer Messner'schen Forderung:<br />
<blockquote class="tr_bq">
"Benutze keinen künstlichen Sauerstoff!"</blockquote>
<br />
Eigentlich nicht so schwer: Pack dich warm ein, geh los und besteige den Berg. Nur mit dem Allernötigsten ausgerüstet. Und zum Allernötigsten gehört eben nicht künstlicher Sauerstoff. Oder eine Horde von Trägern, die den ganzen Kram (also auch die Sauerstoffflaschen) den Berg hochschleppen. Oder wochenlang Höhenlager (mit Sauerstoffflaschenvorräten) einrichten. Und einen womöglich noch runterholen sollen, wenn was schiefläuft (also der Sauerstoff ausgeht). Mit anderen Worten: Wenn du schon eine so zweckfreie (siehe Punkt 4 unten) Unternehmung wie auf einen sehr hohen Haufen Steine zu klettern angehst, dann mach es gefälligst richtig und so, dass das ganze Risiko nur bei dir selbst liegt. <br />
Na gut, könnte man sagen, aber in der wirklichen Kunst geht es ja selten um Menschenleben, und das Risiko, in einem Konzertsaal biwakieren zu müssen, weil einem ein Schneesturm den Weg nach draußen abgeschnitten hat, ist auch recht überschaubar. Was also soll das?<br />
Einfach: Man muss die Lebensgefahr rauskürzen. Es ist ja nicht so, dass man sich mit den ganzen Hilfsmitteln irgendwie weniger in Lebensgefahr begeben würde, eigentlich im Gegenteil. Siehe nur als Beispiele die beiden großen Unglücke, 1996 am Mount Everest und 2008 am K2. Das ist also nicht der Unterschied zwischen den beiden Stilen, folglich kann man es rausstreichen aus der Ungleichung. Und was dann übrigbleibt, kann man ohne weiteres eins zu eins auf die "normale" Kunst, hier also Komposition, übertragen. Das geht dann so:<br />
<br />
Wenn du schon ein so zweckfreies (siehe Punkt 4 unten) Unternehmen wie die Anhäufung von schwarzen Punkten auf einem Blatt Papier angehst, dann mach es gefälligst richtig und so, dass das ganze Risiko nur bei dir selbst liegt.<br />
Will heißen: Es ist eine Illusion, ein Stück mit irgendwelchen überflüssigen Mitteln (Theorien, Konstruktionen, Konzepten, Virtuosität etc.) absichern zu können. Also lass es. Je mehr unnützer Krempel am Stück dranhängt, desto weniger ist es letztendlich Kunst und desto mehr ist es Kunstgewerbe. Auch wenn es von außen den schmeichelhaften Eindruck erwecken mag, es sei doch Kunst.<br />
<br />
<br />
<br />
3. Bergsteigen (und also Kunst) ist eine Form, sich selbst auszudrücken<br />
<br />
Also das ist nun schon eine derartige Banalität, dass ich immer versucht bin zu sagen: im Gegenteil. Je weniger man sich selbst ausdrückt, desto mehr ist es Kunst. <br />
Das wäre natürlich irgendwie doof und geradezu idiotisch, aus bloßem Trotz das Gegenteil zu behaupten. Klüger und langfristig effektiver ist es dann doch, wenn man den Begriff einfach mal präzisiert: "Sich selbst ausdrücken" heißt zweierlei:<br />
a) Man weiß, was das ist: "Ich selbst".<br />
b) Es gibt überhaupt etwas auszudrücken <br />
Und schon fallen grob geschätzte 98 % aller Ausdruckswillensbekundungen raus und unter den Tisch und werden von herumstreunenden, räudigen Ratten aufgefressen.<br />
<br />
<br />
4. Bergsteigen (und also Kunst) ist zweckfrei<br />
<br />
Für mich beinahe der wichtigste Punkt. Messner meint damit die ganzen Expeditionen, die irgendeinen hehren Zweck behaupten:<br />
"Wir machen es für's Vaterland" (Ende 19. / Anfang 20. Jahrhundert)<br />
"Wir machen es, um auf den Klimawandel / den Raubbau an der Natur / die Auswirkungen des Massentourismus etc. etc. aufmerksam zu machen" (Ende 20. / Anfang 21. Jahrhundert)<br />
<br />
Völlig zu recht sagt Messner, dass das alles Quatsch sei. Bergsteigen sei eben Bergsteigen. Man mache es, weil man auf einen Berg steigen wolle. Das ist eine so einfache und schöne und ehrliche Aussage, dass ich sie gar nicht mit Übersetzungsversuchen verdrecken will.<br />
<br />
_______<br />
<br />
<br />
<br />
Da haben wir sie also: die Messner'sche Kunstphilosophie. Oder Kunsttheorie. Oder auch Ästhetik. Einfach, klar, überzeugend. Und wem das alles von mir an den lockigen Wuschelhaaren herbeigezogen vorkommt, dem kann ich dann doch nur mit Baudrillard kommen:<br />
<blockquote class="tr_bq">
"Das Problem mit der Realität ist, dass sie den Hypothesen entgegenkommt, die sie verneinen. Sie kapituliert bei der leisesten Aufforderung, sie beugt sich jeder begrifflichen Gewalt, ihr Kennzeichen ist die freiwillige Knechtschaft. Die Realität ist eine Hündin."<br />
<blockquote class="tr_bq">
<i>Baudrillard, Das radikale Denken</i> </blockquote>
</blockquote>
<br />
<br />
P.S.: Nur, um Amundsen nicht vollkommen unrecht zu tun: Er ist ja später in der Nordpolarregion verschollen und niemand weiß bis
heute, was eigentlich passiert ist; irgendwie ist er letztendlich also doch auch gescheitert...<br />
<br />Jakob Goljadkinhttp://www.blogger.com/profile/00956296579601798564noreply@blogger.com3tag:blogger.com,1999:blog-2377568753436832195.post-20945923169539071542015-10-17T15:16:00.001+02:002015-10-17T15:16:10.088+02:00Kommentar 41 - to whom it may concern 1 [abwinkend]Ach so.Jakob Goljadkinhttp://www.blogger.com/profile/00956296579601798564noreply@blogger.com1tag:blogger.com,1999:blog-2377568753436832195.post-60925954544579452032014-09-18T11:02:00.000+02:002014-09-18T11:02:30.025+02:00Kommentar 40 - Prowokäischn, wott iz itt? / Von der Monophonie der ProvokationViele Möglichkeiten bleiben einem heutzutage nicht mehr, wenn man, wie es so schön heißt, einen 'handfesten' Skandal in der Kunstszene provozieren will. Da muss man schon tief in die Tabukiste greifen und ganz schön rumwühlen, will man ein geeignetes Thema finden. Hitler oder Nazikram funktionieren immer. Naja, meistens. Kannibalismus, bzw. seine Befürwortung. Sex mit Minderjährigen. Um nicht zu sagen Pädophilie. Nekrophilie vielleicht noch, aber da bin ich mir schon nicht mehr so sicher. Scheint irgendwie überhaupt aus der Mode gekommen zu sein. Andererseits bin ich da auch nicht unbedingt auf dem Laufenden. Jedenfalls muss man schon was aufbieten, damit sich überhaupt noch einer über irgendwas aufregt.<br />
<br />
<br />
Niemand scheint mehr irgendein funktionierendes Gefühl dafür zu haben, wann er denn nun provoziert zu sein hat und wann nicht. Man fühlt sich ja öfter von irgendeinem permanent linksfahrenden Idioten auf der Autobahn provoziert als von 'nem 'Künstler', der <a href="http://www.welt.de/vermischtes/weltgeschehen/article128415504/Norwegischer-Kuenstler-verspeist-seine-eigene-Huefte.html" target="_blank">eigene Körperteile kocht und zu einem Glas Rotwein iss</a>t, oder <a href="http://www.spiegel.de/panorama/kannibalismus-britischer-tv-sender-zeigte-kuenstler-beim-essen-eines-toten-babys-a-229076.html" target="_blank">totgeborene Babys</a> (zumindest behauptet er das) oder ähnliches Zeug. Im geliebten Internet finden sich schnell eine Menge Sachen, die man im Nachhinein lieber doch nicht gefunden hätte. Na gut, ich hab auch danach gesucht, also selber schuld. Aber so richtig provoziert fühle ich mich davon nicht, sondern bloß angewidert. Oder ich behaupte nur, dass ich mich davon nicht provoziert fühle, und bin in Wirklichkeit doch provoziert, traue mich aber nicht, es zuzugeben, weil man mich ja dann für einen Spießer halten könnte. Und ein Spießer zu sein, das ist nun wirklich das Allerletzte. Schlimmer noch als seine eigene Hüfte zu kochen. Hundert Jahre (+/-) provokativer Kunst haben immerhin also dafür gesorgt: Dass man weiss, dass man sich besser nicht provozieren lassen sollte. Weil das einfach sowas von uncool ist. Es ist uncool, dem Künstler das Gefühl geben zu müssen, dass er irgendeinen Nerv getroffen hat. Das hieße ja letztendlich, dass er irgendwie klüger ist als man selbst. Weil er über das zu verletzende Tabu 'nachgedacht' hat und zu dem Schluß gekommen ist, dass man es verletzen sollte. Weil man das in der Kunst nunmal so macht. Tabus verletzen. Grenzen niederreißen. Freier Geist und Wind und so.<br />
<br />
So ein Tabubruch ist ja immerhin auch oft nützlich, um eine Diskussion in Gang zu bringen, wobei ich mich schon frage, was für eine Art Diskussion das Verspeisen einer Totgeburt eigentlich in Gang bringen soll. Der chinesische Künstler behauptet ja, er begehe den Tabubruch, um herauszufinden, ob ihn überhaupt noch jemand als Tabubruch empfinde (insofern bin ich vielleicht irgendwie abartig, wenn ich diesen Tabubruch nicht als provozierend empfinde, sondern als bloß widerlich, andererseits will ich dem 'Künstler' ja auch nicht das Gefühl der Befriedigung geben, dass er mit seiner Fragestellung irgendeinen Nerv getroffen hätte, insofern sitze ich hier in der Falle und komme nicht raus, wie ich es auch drehe und wende; so behält der 'Künstler' also in jedem Fall Recht, was schön für ihn, aber irgendwie blöd für mich ist). Na gut, wer das für 'nen etwas billigen, leicht zirkelschlüssigen Ansatz hält, liegt vielleicht auch nicht ganz daneben. Denn öfter als für den noblen Zweck der Diskussionskatalyse dienen Tabubrüche, <i>the bleedin' obvious</i>, als ganz und gar unnoble Aufmerksamkeitserzeuger. Natürlich stellt sich kein Künstler hin und sagt geradeheraus, dass er einfach nach irgendeinem Tabu gesucht hat, das noch nicht oder noch nicht genug verletzt wurde, damit er in die Zeitung kommt (süß, ne, in die 'Zeitung'). Weil das ja auch wieder uncool ist, auf Künstlerseite jetzt, weil man nicht zugeben darf, dass man den ganzen Scheiß nur macht, um den eigenen Namen nachher auf Platz eins der Google-Suche zu finden, am besten noch möglichst unabhängig vom eingetippten Suchwort. So hat halt jeder seine Tabus und Tabüchens, die Kunstwelt nicht anders als die stinknormale Spießerwelt. Natürlich hat der gemeine Künstler ebenso wie der gemeine Spießer inzwischen gelernt, dass es uncool ist, sich provozieren zu lassen. Also schiebt er, wie der gemeine Spießer, schnell irgendeinen anderen, möglichst unverdächtigen Abwehrgrund vor. Sehr beliebt ist das Langeweile-Motiv. Ist ja alles so langweilig, kenn ich alles schon, hab ich schon gesehen, schon gehört, schon selbst gegessen. Öööööde. Ach Gottchen, wenn der mich provozieren will, dann muss er aber früher aufstehen. Damit einher geht häufig die Abwertung der Provokation als bloße 'Albernheit', als 'kindisches' bzw. 'pubertäres' Zeug und so weiter und so fort. Die Provokation wird also erstmal kleingeredet, bis sie (in den Augen des Provozierten jedenfalls) keine mehr ist, weil sie von vorneherein keine sein durfte.<br />
<br />
Bei der Behauptung von Langeweile sollte eigentlich immer der <i>bullshit</i>-Alarm losgehen. Wenn irgendwas ganz offensichtlich auf Provokation ausgelegt ist und jemand mit der Langeweile-Arie darauf reagiert, kann man mit einiger Sicherheit davon ausgehen, dass er sich provoziert gefühlt hat (mir muss erstmal einer das Gegenteil beweisen, und nein, es reicht nicht, einfach zu behaupten, man habe sich nicht provoziert gefühlt).<br />
<br />
Sehr schön beobachten konnte man neulich diesen Mechanismus an der <a href="http://blogs.nmz.de/badblog/2014/09/12/kreidlers-audioguide-auflistung-der-verfuegbaren-videomaterialien/" target="_blank">Diskussion</a> (<a href="http://blogs.nmz.de/badblog/2014/09/12/verstehen-und-missverstehen-wie-nmz-satire-ernst-genommen-wird/#comment-15402" target="_blank">hier</a> und <a href="http://blogs.nmz.de/badblog/2014/08/04/one-night-in-darmstadt-darmstadt-du-stadt-der-1000-geigen/#comments" target="_blank">hier</a> noch weitere Bruchstücke davon) die sich um einen Ausschnitt aus 'Audioguide' von Johannes Kreidler im sogenannten Bad Blog of Musick entspann. Es geht um <a href="https://www.youtube.com/watch?v=jwlCD2y2tBA" target="_blank">diese</a> Zerstörung von 65 oder 100 oder wer weiß wie vielen Geigen. Keine Ahnung, ob der Kreidler das als Provokation gemeint hat, irgendwie hängt das Ganze mit seiner Donaueschingen-Protestaktion gegen die Fusion der beiden SWR-Orchester zusammen und erinnert auch an das allseits beliebte Zerschmettern von Gitarren bei Rockbands. Darum geht's im Augenblick auch gar nicht, sondern um die Reaktionen darauf.<br />
<br />
Und die folgen exakt dem von mir beschriebenen Muster. Davon abgesehen, dass Godwin's Law mal wieder aufs Glänzendste bestätigt wurde <a href="http://blogs.nmz.de/badblog/2014/08/04/one-night-in-darmstadt-darmstadt-du-stadt-der-1000-geigen/#comment-15184" target="_blank">(hier)</a>, kam relativ schnell die Rede darauf, dass dem Kreidler'schen Werk die "existentielle Tiefe" fehle, dass die Diskussion um den Gegenstand viel interessanter sei als der Gegenstand selbst, dass man mit den Geigen auch was Sinnvolleres hätte anfangen können (nach Afrika schicken [!!!!], kein Scherz) und dergleichen Abwehrstrategien mehr ('kindisch', 'ungebildet', 'macht man einfach nicht', 'unoriginell', 'Wohlstandsverwahrlosung' usw.). Es lief im Grunde darauf hinaus, die Provokation (die Zerstörung von Musikinstrumenten) nicht als solche zuzugeben. Keiner will rückständig erscheinen, allen ist doch nur das Seelenheil und die Zukunft der Kunstmusik ein Anliegen, man ist sich nur nicht einig über den zu beschreitenden Weg dahin. Die einen sagen, weg mit dem alten Schrott, die anderen sagen, lass uns den alten Schrott nochmal verzinken, dann hält er vielleicht noch 'n bißchen. Niemand von den Diskutanten hat irgendein substantiell ästhetisches Argument gegen (oder meinetwegen auch für) die Aktion gebracht (naja, vielleicht mit Ausnahme von Alexander Strauch, was mir aber im Dickicht seiner grammatikalischen Ungetüme, die er wohl für Sätze hält, entgangen sein mag). Es lief immer darauf hinaus, für sich selbst die provokative Spitze in irgendeiner Form stumpf zu klopfen, einfach weil es sich besser anfühlt, wenn man seine Gefühle der Abneigung im Nachhinein rationalisiert, das heißt also mit einer Art pseudo-logisch aufgebautem Skelett versieht. Andererseits war die Provokation doch irgendwie gelungen, indem sie auf (ungewollt?) manipulative Weise die Diskussion in Gang setzte, von der doch jeder der "nicht"-Provozierten behauptet hat, sie könne von diesem "langweiligen Kram" gar nicht ausgelöst werden (wie übrigens auch bei <a href="http://stefanhetzel.wordpress.com/2014/09/02/johannes-kreidler-talk-mit-fricke-2014/" target="_blank">dieser Diskussion</a> über einen anderen Ausschnitt aus 'Audioguide'). Dumm gelaufen, ne? Plötzlich wurde über Orchesterschließungen geredet, über Musikausbildung usw. (oder, im anderen Fall, über Kultur-'Subventionen', Machtmechanismen in der Neuen Musik usw.) Bemerkenswert für ein Stück Kunst, von dem doch behauptet wurde, es sei 'langweilig', 'albern' oder besitze gar keine 'existentielle Tiefe' (was zur Hölle auch immer das sein mag).<br />
<br />
Damit ist noch gar nix darüber gesagt, ob ein Kunstwerk, das eine Provokation erfolgreich in Szene setzt, eigentlich auch ein gelungenes Kunstwerk ist. Eine Provokation ist ja an sich 'ne ziemlich monothematische, oder, um's in Musiksprache zu sagen: monophone Sache. Ein Aufreger wird durchgekaut (im wahrsten Wortsinn...) und das war's. Ohne jetzt die elendige WasistKunst-Dose wieder aufmachen zu wollen (ALLES!!!?), stellt sich mir doch die Frage, was eigentlich mit einem Kunstwerk passiert, wenn man es derartig auf einen Punkt festnagelt. (Im Übrigen, und das wird mich demnächst an dieser Stelle beschäftigen, hege ich inzwischen den Verdacht, dass, grob geschätzt, achtzig bis neunzig Prozent der zeitgenössischen [Kunst-] Musik im weiteren Sinne monophon sind.) <br />
<br />
Man kommt also nicht mehr ran an die Leute, an Künstler genausowenig wie
an Nicht-Künstler. Jedenfalls nicht so, wie die Künstler sich das wohl vorstellen: Aufgebrachte Zuhörer, die sich im Konzertsaal prügeln, die mit Fackeln und Mistgabeln bewaffnet durch den Ort ziehen, um den Tabubrecher zu lynchen. Im besten Falle kriegt man eine Diskussion, bei der aber niemand zugibt, dass das provokative Stück irgendwas mit der provozierten Disukssion zu tun hat. Ein unbefriedigender Zustand.<br />
<br />
Es gibt immer wieder Versuche, irgendwie aus dieser
provokationsimmunen Hölle rauszukommen, und alle scheitern an der
Provokationsimmunität. Lehrhaft (ja genau, <i>delectare </i><b>und </b><i>docere</i>) in diesem Zusammenhang sind die Bücher von Matias Faldbakken. Darin geht's eigentlich permament um die Unmöglichkeit, irgendwen mit irgendwas zu provozieren. Um die Mainstreamisierung des Undergrounds. Um die Normalisierung von Abartigkeiten. Und so packt Faldbakken Provokation auf Provokation (unter anderem in <i>Macht und Rebel</i>: ein Typ, der zum Hitler-Bewunderer wird, aus dem einzigen Grund, weil er es doof findet, kein Antisemit sein zu dürfen; die ultimative Provokation im Konsens-Kapitalismus aber ist der von Faldbakken erfundene Trend, bewußt und gewissermaßen 'stolz' gefakte Markenschuhe zu tragen), in der Hoffnung, irgendwie doch noch irgendjemanden zu provozieren. Aber das passiert einfach nicht. Seine Bücher werden gelesen, die Leute finden sie unterhaltsam, mir ist nichts davon bekannt, dass sie irgendeine nennenswerte Diskussion über irgendwas ausgelöst hätten. Seine Bücher doppeln also (unfreiwilligerweise) den darin beschriebenen Umstand selbst im 'echten' Leben. Die Konsensgesellschaft ist halt nunmal totalitär. Bevor jetzt wieder das Lamento darüber losgeht ("buhuu, ich werde hier zu Tode toleriert"), muss man vielleicht auch mal drauf hinweisen, dass wir 'n paar hundert Jahre und 'n Haufen Menschenleben dafür verbraucht haben, eine solche Gesellschaft möglich zu machen. Irgendwie erinnern mich diese Klagen entfernt an die Klagen über nicht stattfindende Kriege zum Zwecke des <i>character building</i>. <br />
<br />
Ach ja, die Geigenzertrümmerungsnummer fand ich übrigens langweilig ...Jakob Goljadkinhttp://www.blogger.com/profile/00956296579601798564noreply@blogger.com7tag:blogger.com,1999:blog-2377568753436832195.post-48586814105284100192014-09-01T10:50:00.002+02:002015-10-17T15:13:39.832+02:00Kommentar 39 - Resampled / Über Wut (Von der Kunstseuche und dem ganzen anderen Rest nebst dem endgültigen Beweis für die Überlegenheit gedruckten Papieres über den Computerbildschirm)<br />
<blockquote class="tr_bq">
<i>Wenn ich mit Menschen- und mit Engelszungen redete, und hätte der Wut
nicht, so wäre ich ein tönend Erz oder eine klingende Schelle.</i><span class="p"><br /></span></blockquote>
<br />
Es
gibt ja 'ne Menge Dinge, die einen wütend machen können. Das fängt bei
Tiefbahnhöfen an und hört bei über den Zaun hängenden Apfelbaumästen
auf, oder vielleicht auch bei nicht zugedrehten Zahnpastatuben, je nach
Persönlichkeitsstruktur. Jedenfalls ist Wut eine seltsam einseitige
Emotion. Sie macht blind, heißt es ja schon im Volksmund - übrigens
darin der Liebe ähnlich -, und sie treibt einen zu irrationalen,
unüberlegten oder auch einfach nur unheimlich dämlichen Taten - auch
darin der Liebe nicht unverwandt. Selten (genau gesagt: nie) hört man
davon, dass eine großartige Tat - jetzt aber ganz anders als bei der
Liebe - aus Wut geboren worden ist. Aus Wut entsteht immer nur
Schwachsinn. Im Zweifelsfall erregt die aus Wut entstandene Tat des
Einen die Wut und damit die aus Wut entstandene Tat des Anderen, die
bestimmt mindestens so idiotisch ist wie die ihr vorausgegangene Tat.
Die Eskalation ist der Wut ja quasi gleichsam subkutan eingeschrieben. <br />
Jetzt
aber, was soll das Geschwafel über Wut? Ich finde ja trotz allem, dass
es zu wenig Wut gibt. Gute, alte Wut. Biblisch kann man ja nicht sagen,
biblisch ist ja schon der Zorn, der kleine perverse <i>fuckbuddy</i> der Wut. Aber so 'ne richtig gut abgehangene Wut, das ist schon was Feines. Was Exquisites.<br />
<br />
Ich rede hier von richtiger Wut.<br />
<br />
Nicht
dieser öden, wohlfeilen
IchkettemichanBäumeweildieHaselmaussonstkeinNestmehrhatWut oder der
DieWeltistsoungerechtundinAfrikahungerndieKinderWut oder so 'nem Quark.
Also nicht etwas, das sich eigentlich auf einen vermeintlich guten oder
vermeintlich gutgemeinten Zweck richtet, also per definitionem keine Wut
ist. Nein, ich rede von ganz egoistischer Wut, so 'ner Wut, die einen
sich vorstellen läßt, wie man den Nachbarn mit 'ner Axt in Stücke hackt,
weil's mal wieder drei Blätter Laub von seinem Baum auf den eigenen
Rasen geweht hat. Wut in ihrer reinsten Form. Ungefiltert,
unzivilisiert, ungezügelt.<br />
<br />
Moment mal, das klingt ja nun doch 'n
bißchen sehr nach Marinetti (Achtung: Synekdoche[!]) und dem ganzen
antihumanistischen Scheiß, der uns schon das ganze 20. Jahrhundert
versaut hat. Wir sollten froh sein, dass wir das alles inzwischen im
Griff haben, dass wir jetzt Egoshooter spielen können, wo wir zum
Abreagieren statt richtiger Menschen irgendwelche Pixelklumpen über'n
Haufen schießen können. Ja richtig, darüber können wir froh sein.
Natürlich. Selbstverständlich. Auf jeden Fall. Klaro. Wolfenstein 3D -
juchhee!<br />
<br />
Gibt ja nix Schlimmeres als dieses unerträglich dümmliche
Geschwafel von wegen "Euch geht's doch viel zu gut, ihr solltet mal
'nen Krieg miterleben, da wißt ihr erst, wie dreckig es einem gehen
kann, dann erst könnt ihr überhaupt mitreden / wirkliche Kunst machen /
echte Gefühle haben / Verantwortung übernehmen." Hört man ja in letzter
Zeit immer öfter, diesen gequirlten Mist. Zuletzt in einem Artikel von
Moritz Eggert, den er "dankenswerterweise" sowohl in Deutsch als auch
Englisch auf dem sogenannten "BadBlog of Musick" veröffentlicht hat. Er
streitet natürlich ab, dass diese Schlussfolgerung aus seinen
"Überlegungen" gezogen werden sollte, aber zu was zum Teufel sollen
solche "Überlegungen" gut sein, wenn nicht zu diesem Schluss? Die
"Argumentation" geht ja so: Früher (als alles noch viel, viel, viel,
viel, viiiiel besser war) mussten die Menschen um ihr Überleben kämpfen
(genau: kämpfen). Da hatte man noch richtige Gefühle, weil man ja
täglich mit der nackten Angst ums Überleben die Füße aus dem Heuboden
geschwungen hat. Dann ging es immer weiter bergauf bzw. ja eigentlich
bergab und jetzt, nach unerträglich langen 70 Jahren Frieden in Europa,
weiß die verweichlichte Generation der Wohlstandskinder überhaupt nicht
mehr, was eigentlich so'n "richtiges" Gefühl überhaupt ist. Sprich: Sie
kennt nur noch unrichtige, also wenigstens zweitklassige, wenn nicht
sogar nur noch Surrogat-Gefühle. Hoppladihopp - schon simmer bei der
Feststellung, dass die verweichlichte Generation von
Wohlstandsschlappschwänzen im Grunde gar nix kann, weiß und fühlt und
deshalb eigentlich auch gleich aufhören könnte, irgendwas zu machen.
Nach derselben Logik ist es auch völlig legitim und sogar ein Gebot der
Menschlichkeit, Kinder zu schlagen und sie wie den letzten Dreck zu
behandeln, weil sie ja sonst gar nicht lernen, was Disziplin heißt. Und
ohne Disziplin wäre das Leben ein Irrtum.<br />
Man könnte ja auch den
Gedankengang umdrehen und einfach mal behaupten, dass die Menschen
früher vor lauter Angst ums Überleben gar nicht wußten, was überhaupt
ein Gefühl ist. Z.B. von wegen Liebesheirat, Kinderliebe usw. Oder, und
das wäre das allerbeste, man könnte einfach mal aufhören, die Gegenwart
gegen die Vergangenheit auszuspielen und Unvergleichbares ständig
miteinander zu vergleichen. Früher hatten wir Krieg, jetzt nicht mehr
(vielleicht ja bald wieder, wer weiß, dann kommen sie wieder aus ihren
Löchern gekrochen, die Verfechter der "echten" Gefühle und des
Überlebenskampfes und dann dürfen sie mal zeigen, was in ihnen steckt;
redet sich ja leicht von der angeblich "reinigenden" Wirkung von so'nem
Krieg, wenn er nicht gerade 'nen Häuserblock weiter stattfindet).<br />
<br />
Nun gut, jetzt habe ich also festgestellt, was ich mit meinem leidenschaftlichen Plädoyer für die Wut eben gerade <b>nicht </b>meine.
Gleichzeitig bleibt meine Feststellung von oben bestehen, dass es nach
meinem Dafürhalten zu wenig Wut gibt. Es gibt z.B. auch überhaupt keine
wütende Kunst, jedenfalls nicht, dass ich davon wüßte. Vielleicht
schließen sich diese beiden Begriffe gegenseitig aus, weil ja aus Wut
nix Dolles entstehen kann. Hm, ich weiß nicht.<br />
Und was macht man,
wenn man argumentativ nicht mehr weiterweiß. Man wird konkret, macht mal
'n Fallbeispiel und schaut, ob man irgendwo dabei rauskommt. Vielleicht
(und das wäre wohl das Beste) vergisst der Leser ja auch unterwegs das
ganze Geseiere von vorher und merkt gar nicht, dass alles nur 'ne
gedankliche Sackgasse war.<br />
<br />
Also: <br />
Zwei Anlässe haben mich in
der letzten Zeit wütend gemacht: Das neue Heft der MusikTexte und der
ganze Darmstädterferienkurskomplex.<br />
<br />
Ich fange mal mit letzterem
an, weil es sich in verschiedene Ärgernisse gliedert, die irgendwie
miteinander zu tun haben und jeder für sich vielleicht noch nicht
wutauslösend sein müssten, es in der Summe der Dinge aber doch sind:<br />
Kurz
vor Beginn der Ferienspiele veröffentlicht der notorische Moritz Eggert
auf dem sogenannten "BadBlog of Musick" eine "Satire" auf Darmstadt und
den dortigen Zirkus, in der er im "Stile" eines Gangsta-Rap-Musikvideos
die dort versammelte Szene "persifliert". Ich weiß gar nicht, wo ich da
anfangen soll. Vielleicht ja so: Inhaltlich unter aller Sau,
stilistisch unter aller Sau, handwerklich unter aller Sau. Anscheinend
hat er noch nie was davon gehört, dass eine Satire von der Genauigkeit
der Beobachtung lebt, vom Timing, von der Präzision. Kurz: Ich habe
schon lange (vielleicht seit den Funniest HomeVideos of the World)
nichts so unerträglich Unlustiges mehr gesehen.<br />
Derart warmgewütet
habe ich in der Folge versucht, mangels eigener Anwesenheit dortselbst,
den Darmstädter Betrieb in der einen oder anderen Form mitzuverfolgen.
Da gab es ja allerhand Bemühungen im sogenannten "Internet", Streams von
den Lectures bzw. Podiumsdiskussionen, Blogartikel usw. usf. Naja, was
soll ich sagen, ich habe bald schon das Interesse verloren, einem
abgehackten Livestream auf VoiceRepublic folgen zu wollen, in dem ich
weder wusste, wer gerade redet, noch, worum es überhaupt geht. Liebes
"Internet", das muss besser werden. Schlussendlich habe ich mir das
Zusammenfass-Video von der NMZ angeschaut und wurde im Verlauf desselben
so wütend, dass ich selbst die achteinhalb oder was Minuten nicht
fertig geschafft habe.<br />
Erstens: Vielleicht war ich schon von
Moritz Eggerts Video mies draufgebracht und bin schon mit einer Grundwut
in die ganze Sache reingegangen, aber diese Wichtigkeit, mit der die
Leute dort ihren gedanklichen Dünnpfiff in die Kamera gesagt haben, fand
ich erst lächerlich und dann ärgerlich. Ein unerträgliches Gefasel von
irgendwelchem Pseudokunstscheiß, ich dachte wirklich, das kann ja gar
nicht sein. Fliegt da einer mit Drohnen über 'nen Darmstädter Platz und
labert was von "Überwachungsstaat". Fliegen (warum wurde überhaupt so
viel geflogen?) 'n paar Heißluftballons durch die Gegend, während ihre
Gasfeuerung in irgendeinem (wahrscheinlich algorithmisch hergestellten)
Rhythmus betrieben wird. Probt irgend'n Ensemble irgendwelches Tongeöde,
das man beim besten Willen nicht orginell nennen darf, und schwafelt
was von künstlerischer Arbeit. 'Ne Freilichtaufführung von dem
großartigen "Generation Kill" von Stefan Prins (na klar, erst
Donaueschingen, dann Darmstadt, ich erspare mir die schmierigen
Details). Und immer mit so'nem todernsten Ausdruck auf dem Gesicht, so
als ginge es jetzt und sofort um ALLES. Herrgottnochmal, ich ertrage es
nicht mehr. Ich will diese ganze Scheiße nicht mehr sehen / hören /
lesen. Ich will nicht, dass irgendjemand nochmal das Wort "Kunst" in den
Mund nimmt. Durchfall ist und bleibt Durchfall und wird nicht dadurch
schmackhafter, dass man ihn jetzt Kunst nennt (abgesehen von der in
Dosen abgefüllten Kacke Manzonis). Der Gebrauch des Wortes "Kunst"
sollte unter schwere Strafe gestellt werden. Es sollte überhaupt keine
"Kunst" mehr geben. Das wäre das Beste für alle Beteiligten. Und für die
Unbeteiligten sowieso.<br />
<br />
Vor lauter Aufregung darüber <i><b>WAS </b></i>alles Kunst sein kann, oder <b><i>WAS </i></b>Kunst
alles sein kann, wird inzwischen völlig vergessen, die viel wichtigere
und eigentlich alles entscheidende und einzig relevante Frage zu
stellen: <b><i>WIE </i></b>Kunst sein kann. Die Frage nach dem <b>Kunstfertigen</b> wird von der Frage nach dem <b>Kunstartigen</b>
überdeckt, zugedeckt, erstickt. Diese erstere Frage wird gerahmt von
einer Aussage und einer zweiten Frage: Erstens: Es gibt Kunst und alles
kann Kunst sein. Verdammtnochmal, das wissen wir jetzt (siehe
allerallerspätestens Manzoni). Zweitens: Warum ist es überhaupt wichtig,
dass etwas Kunst und nicht Nicht-Kunst ist? Ja genau, warum zur Hölle
ist es Euch Kunstheinis denn so verflucht wichtig, dass euer Krempel
Kunst ist? Geht's nicht auch 'ne Nummer kleiner? Wenn ihr den Menschen
was beibringen wollt, dann werdet gottverflucht nochmal Lehrer (ich
schaue ganz streng Helmut Lachenmann an). Wenn ihr philosophieren wollt,
dann werdet in Gottes Namen Philosophen und schreibt unnütze Bücher wie
der Hindrichs. Wenn ihr gegen den "Überwachungsstaat", gegen Krieg,
gegen Kinderarbeit, gegen die Globalisierung, gegen die Startbahn West,
gegen Atomkraft, gegen irgend'ne Religion, gegen den Kapitalismus, gegen
Nazis, gegen Kommunismus, gegen Drohnen, gegen Aufrüstung, gegen
Wasauchimmer seid, dann werdet scheißenochmal Politiker und kümmert euch
endlich mal um den ganzen Dreck auf der Welt und hört auf, mir im
Konzertsaal die Ohren mit eurem Gejammer vollzuschleimen. ES
INTERESSIERT MICH NICHT DIE KLEINSTE BOHNE! Ich will nicht im
Konzertsaal "aufgerüttelt" werden. Ich will nicht zuhören, wie dem
Komponisten beim Komponieren anscheinend einer abgegangen ist, weil er
seine Gedanken selbst so geil fand. Ich will nicht "neu hören lernen".
Kann ich schon. Und wenn es nicht das richtige "Neu-Hören" ist, dann
will ich es trotzdem nicht lernen. Lasst mich mit dieser ganzen Scheiße
in Ruhe.<br />
<br />
(ich hole tief Luft)<br />
<br />
Jedenfalls hat mich dieses Video ziemlich geärgert. Nicht zuletzt auch und damit: <br />
Zweitens:
Die Ausschnitte aus Johannes Kreidlers neuem Musiktheater oder was auch
immer das sein soll. Ich habe mich ja schon verschiedentlich mit
Kreidlers Stücken auseinandergesetzt und dem ganzen
Neue-Konzeptualismus-Kram und wie die Henne zum Ei kam und so. Ich
möchte für mich in Anspruch nehmen, dass ich das bisher zwar subjektiv
in der Aussage aber doch objektiv in dem Bemühen, zu dieser Aussage zu
gelangen, getan habe. Damit ist nun Schluss. Ich will auch gar nix davon
hören, dass ich doch auf Grund einiger sekundenlanger Ausschnitte nicht
ein siebenstündiges Werk beurteilen könne (im Übrigen habe ich mir noch
'n Haufen Schnipsel davon auf YouTube angesehen, also mindestens eine
gute Stunde von dem Zeug). Kann ich. Mach ich. Wenn die Ausschnitte so
in diesem Werk zu sehen bzw. hören sind, dann will ich den Rest einfach
nicht mehr kennenlernen. Was soll das? Was soll das doofe Rumgehopse auf
der Bühne zu Metal-Musik? Soll das lustig sein? Inwiefern dient das, ja
was eigentlich? Soll so die Beschäftigung mit populärer Musik aussehen?
Soll das eine Persiflage sein? Mannmannmann...ich zitiere mich selbst:<br />
<blockquote class="tr_bq">
<blockquote class="tr_bq">
<i>Inhaltlich unter aller Sau, stilistisch unter aller Sau, handwerklich unter aller Sau. </i>(siehe oben, Eggert)</blockquote>
</blockquote>
Das
Schöne an so'ner Wut ist ja, dass sie beinahe eins zu eins wiederkehrt,
wenn man sich die Umstände ihres ersten Auftauchens so genau wie
möglich ins Gedächtnis ruft. Ein unerschöpflicher Quell steter
Aufwühlung.<br />
<br />
Und weil's so schön ist, und weil man sich in seiner
Wut so schön behausen kann (whoo-hoo heideggoo) jetzt noch der Aufreger
aus den MusikTexten:<br />
Abgesehen davon, dass ich schon von der
vorletzten Nummer enttäuscht war, weil von der großangekündigten
WirmachendenneuenKonzeptualismusmalsorichtigplatt-Offensive genau gar
nix kam (außer einem mehr weinerlich-beleidigten als kämpferischen
Antwortbrief von Johannes Kreidler auf die unverschämten
Anschuldigungen, er wisse gar nicht, dass Wagner-Tuben gar keine Tuben
seien, in dem er nochmal in aller Deutlichkeit darauf hingewiesen hat,
dass er selbstverständlich wisse, dass Wagner-Tuben keine Tuben seien,
dass aber der andere [ich vergesse die Namen so schnell wieder]
offensichtlich gar nicht wisse, dass die ersten Prototypen der
Wagner-Tuben, die selbstverständlich, wie er und jeder andere wisse, gar
keine Tuben seien, doch tatsächlich Tuben waren oder so ähnlich), war
die neue Ausgabe der allseits beliebten und komischerweise immer
langweiligen MusikTexte ein wirklicher Schlag ins Gesicht. Ich erspare
mir hier die Aufzählung von ermüdenden "Analysen", diesmal wurden einige
Stücke von Enno Poppe irgendwie auseinandergenommen, ohne dass klar
werden würde, was man denn nun mit diesem Wust von unverständlichen
Tabellen (warum zum Geier wird auf einer Drittelseite die Zuordnung von
"Übergeordneten Settingnummern" zu "Keyboard 1" und "Keyboard 2"
abgedruckt, immer mit der Frage versehen: "Modulation On?" [weiss ich
doch nicht, ob die Modulation on ist]), Notensalat und Textbausteinen
aus der Verlagsbroschüre ("spätestens seit 'Thema mit 840 Variationen'
komponiert Enno Poppe mit kleinsten Zellen...") eigentlich anfangen
soll. Irgendwie soll damit wohl bewiesen werden, dass Enno Poppe ein
gaanz gaaanz toller Komponist ist. Muss er ja sein, sonst wären die
ganzen Seiten, die die MusikTexte ihm gewidmet haben, ja eigentlich bloß
schlechteres Klopapier, weil nicht ganz so weich wie das dreilagige von
Hakle. Ich sage weder, dass er es nicht, noch dass er es ist, halte
diese Art von Apologetik aber für total schwachsinnig.<br />
<br />
Wie dem
auch sei, eigentlich wollte ich auf das "Prunkstück" dieser Ausgabe
hinaus, und das ist diesmal eindeutig und weit vor allem anderen die
Seite 20 (Ausgabe 142). Ein halbseitiges Photo unseres geliebten Helmut
Lachenmann, mit Che-Guevara-artig verfremdetem eigenen Konterfei auf dem
Tshirt und Schlandfahne in der Hand, die Augen irre aufgerissen, die
Haare irre in die Stirn gekämmt oder gelegt, was weiß ich denn. Titel:
"WM-Tagebuch eines geschüttelten Komponisten". Unter dem Photo ein
Haufen Schüttelreime, thematisch auf die Fussball-WM bezogen. Na gut,
könnte man sagen, meinetwegen, jede Zeitung hat ihre Witz-Seite, warum
nicht auch mal die MusikTexte. So ein humoristisches Schmankerl, zumal
vom großen Neuhörenlernen-Guru der Nation. Ist doch nett. Da treffen
sich auf schmunzelnde Weise Hoch- und Tiefkultur. Warum denn also nicht?
Ganz einfach: Weil es doof ist. Nein, es ist nicht nur doof, es ist
peinlich. Nein, noch mehr, es ist direkt beschämend. Ich fange mal mit
der Frage an, wie der Abdruck dieser Texte eigentlich in die Wege
geleitet wurde: Hat irgendein Redakteur bei sich gedacht: Mensch, wäre
doch nett, wenn wir irgendwas zur WM im Heft drinne hätten, sind ja auch
Weltmeister geworden, das wär doch schön. Irgendwas Lustiges, nicht zu
ernst, weil ist ja nur Fussball und so. Wart mal, ich ruf mal den Helmut
an, der macht doch immer so lustige Sachen. Der hat bestimmt was. Ja,
Helmut, du, sach mal, haste vielleicht irgendwas Lustiges zur
Fussball-WM? Ja, genau, für die neuen MusikTexte. Naja, so 'ne Seite
oder so. Nee, ehrlich, haste? Ach was, Schüttelreime? Ist ja großartig.
Kannste mir mal einen... ja, hol ma aus'm Komponierhäusel, ich warte
[dumm-di-dumm, di-di-di-di-di-dumm], ja, ich bin noch dran. Lies ma vor.
Hahahahaha, super, Helmut, nee ehrlich super, du weißt, ich würd's
sagen, wenn's anders wär. Hahahaha, großartig Müller kniet - Knüller
mied, du kommst auf Sachen, Helmut, weiste was, fax mir die Sachen ma
rüber, das machen wir. Ach so, nur ne halbe Druckseite...hm...na denn
machen wir noch ein Photo dazu, lass dir noch was einfallen, vielleicht
was Politisches oder so. Ja, ruhig mit Deutschlandfahne und irgend'ner
ironischen Brechung dazu, was aus'n 68ern oder so, ja, genau, Che und
so, mach ma, wir bringen das, super, tschö Helmut.<br />
Oder, was
eigentlich auch nicht besser wäre: Lachenmann selbst ist an einen der
Redakteure herangetreten mit dem Hinweis, er habe da einige <i>Parerga und Paralipomena </i>(höhö) zur Fussball-WM, ob man die nicht mal, und so weiter.<br />
<br />
Der
Punkt ist ja der: Die Dinger sind von Lachenmann. Meinetwegen, jeder
hat ja so ein kleines Poesiealbum unter'm Kopfkissen, wo er seine
Geistesblitzchen reinkritzelt. Aber deswegen sind sie ja noch lange
nicht gut. Oder lustig. Oder von Interesse. Im Grunde ist diese Seite
auch nix anderes als eine Homestory aus der inStyle, nur halt für
Kulturidioten. Wenn diese Kulturidioten einfach mal zugäben, dass sie ja
auch nur Menschen sind mit dem Bedürfnis nach Tratsch und einer
gesunden Portion Neugier, die Nase in das Leben anderer Leute zu
stecken, wäre das alles halb so schlimm. Aber das tun sie ja nicht. Sie
tun so, als hätten diese bestenfalls albernen Schüttelreime durch den
Namen Lachenmann den Odor des Hochkulturellen und des irgendwie
Subversiven und als sei es daher in Ordnung, sie direkt vor ein
Interview zu drucken, das mit den Worten beginnt: "Sie sprechen häufig
von Impetus. Können Sie diese Initialzündung beschreiben?" Man hätte
einfach beides lassen sollen, die Schüttelreime und das Interview. Im
Grunde das ganze Heft. Jedenfalls war die ganze Sache zu einem gut:
Während ich beim Eggert und Darmstadt usw. hilflos vor meinem
Computermonitor gesessen habe, konnte ich die MusikTexte mit Verve in
die Ecke pfeffern. Herrlich. Und konnte damit den endgültigen Beweis für
die Tatsache liefern, dass so ein Computermonitor eigentlich ein
Rückschritt und ein Kulturvernichter ist, weil man ihn nicht ohne
größere Einbußen einfach so in die Ecke pfeffern kann, wenn einem mal
danach sein sollte.<br />
Nun sind wir also durch die Fallbeispiele durch. Und, worauf wollte ich jetzt eigentlich hinaus? <br />
<blockquote class="tr_bq">
<i>Mehr
Wut wagen. Wut macht müde Männer munter. Wut macht mobil. Vorsprung
durch Wut. Schluckst du noch oder wütest du schon? Créateurs de Wut.
Nicht nur ärgerlich sondern wütend. Auf diese Wut können Sie bauen. </i></blockquote>
Also: Wut.<br />
<br />Jakob Goljadkinhttp://www.blogger.com/profile/00956296579601798564noreply@blogger.com7tag:blogger.com,1999:blog-2377568753436832195.post-67989847733982622642014-04-30T11:41:00.000+02:002014-04-30T11:41:08.214+02:00Kommentar 38 - Interlude 2 / Der andere Xenakis und der Traum von der kalten Fusion / Fetzen einer Poetik 9Es ist ja wohl so, dass es, je älter man wird, immer selter und eigentlich kaum noch diese Momente gibt, wo man von den Socken gehauen wird, wenn man ein Stück das erste Mal hört. Meistens sitzt man rum und denkt die ganze Zeit: Kenn ich schon, weiss ich schon, laaaangweilig, Schrott. Und erinnert sich wehmütig an die Zeit, als man <i>Stille und Umkehr </i>das erste Mal gehört hat, oder das <i>Requiem </i>von Ligeti oder den <i>Sacre </i>oder oder. Aber dann gibt es manchmal doch wieder solche Augenblicke, wo man plötzlich wieder aus seiner Lethargie gerissen wird und denkt: Boah, ist das gut.<br />
So mir vor einiger Zeit geschehen bei <i>The Strychnine Lady </i>von Jani Christou. Seltsamerweise bricht<a href="https://www.youtube.com/watch?v=zVSTUR6uBSI" rel="nofollow" target="_blank"> dieses Video</a>, bei dem die Klangqualität ziemlich bescheiden ist, nach etwas mehr als neun Minuten ab. Es gibt zwar noch eine vollständige <a href="https://www.youtube.com/watch?v=3UdngJEfjo0" rel="nofollow" target="_blank">Audioversion</a> (offensichtlich von der UA), bei der fehlt aber ein entscheidender Teil, nämlich der visuelle. So oder so gibt es also zur Zeit keine (jedenfalls im Internet zugängliche) vollständige (Audio- und Video-) Aufnahme von <i>Strychnine Lady</i>, was es zwar einerseits erschwert, sich ein Gesamtbild von dem Stück zu machen, andererseits jedoch der elementaren Wucht, die es schon in seiner teilweise amputierten Form erzeugt, keinen Abbruch tut.<br />
<br />
Christou nennt das Stück, das irgendwie eine Art Violaperformancekonzert ist, einen "rituellen Traum". Der Begriff des Rituellen spielt eine zentrale Rolle in seinem Versuch, das klassische griechische Drama in seiner dionysischen Form wiederzubeleben, wobei es sich in Christous Fall keineswegs bloß um eine Beatmung mit Herzmassage handelt. Er holt den ganz großen Defibrillator raus und jagt ein paar wohl- oder auch unwohldosierte Stromstöße in die zweieinhalbtausendjährige Geschichte dieser Kunstform.<br />
"I am concerned with the transformation of acoustical energies into music." schreibt er in seinem Text <a href="http://www.janichristou.com/commentaries/commentaries.html" rel="nofollow" target="_blank">"A Credo for Music"</a>. Und beklagt den Einfluss von "aesthetics" und "decoration" auf einen Großteil nicht nur der zeitgenössischen Musik. Folgerichtig sind die Mittel, die er in <i>Strychnine Lady </i>und anderen Stücken seiner letzten Lebensjahre verwendet, nicht eben von der, sagen wir mal, subtilen Sorte. Was nicht heißen soll, dass er ein drorfeilerscher Hackebeilkomponist wäre. Im Gegenteil, formal und klanglich ist das alles sehr austariert, szenische Aktion, Musik und Sprache stehen in einem klaren und deshalb wirkungsvollen Verhältnis zueinander.<br />
Los geht es mit einer Ansage, die behauptet, das Stück könne aus technischen Gründen nicht aufgeführt werden. Aus dem Publikum protestiert jemand laut. Zwei Männer treten auf, entfalten ein rotes Tuch, halten es hoch, falten es wieder zusammen und legen es auf ein Tischchen, gehen dann wieder ab. Die Musik setzt ein, der Ansager sagt noch was (wirklich schade, dass das alles auf griechisch ist, dessen ich leider unmächtig bin), dann tritt die Bratschistin auf. Auf einen Schlag verstummt das Orchester und die Bratschistin spielt lautlos irgendwelche mechanisch-virtuosen Figuren. Im folgenden "konzertanten" Teil wechseln Bratschistin und Orchester nach Ritornell-Art einander ab, schaukeln einander hoch bis zu einem ersten Höhepunkt bei 5'20'', an dem dieser Teil durch einen Tamtam-Schlag der Pianistin beendet wird. Über einem Liegeton der Streicher samt Solobratsche treten vier Männer auf, die irgendetwas murmeln (wieder griechisch). Sie gehen zum Klavier in der Mitte der Bühne, das Murmeln steigert sich zum Schreien, bis sie schließlich ins Klavier brüllen.<br />
Das Erstaunliche an diesen ersten sechs Minuten ist, mit welcher Zwanglosigkeit Performance, Musik und rituelles Spiel einander ablösen und ineinandergreifen. Es gibt keine langen Überleitungen, "Erklärungen", Vorbehalte oder ähnliches. Im Grunde sind es alles Setzungen. Gibt kein Rumgetaste und Rumgefummele "am Klang" und "im Ton", das wäre in Christous Verständnis wohl sowieso "Dekoration". Es geht einfach los. Und dann weiter. Und weiter. Und endet nach 25 Minuten, die einem wesentlich kürzer vorkommen, was, wenn ich Claus-Steffen Mahnkopf mal paraphrasieren darf, immer ein gutes Zeichen ist.<br />
Nicht unschuldig an der oder vielmehr entscheidend für die Möglichkeit, diese ganzen Elemente so nebeneinanderstellen zu können, ist nach meinem Dafürhalten die erste Ansage. Man könnte es ja als bloßen Gag abtun, jaja, Stück findet nicht statt, lustig, lustig, diese modernen Künstler. Aber es ist weit mehr als das. Es hebt das Stück von Anfang an auf eine sozusagen irreale Ebene. Denn eigentlich dürfte es ja gar nicht erklingen. Es erklingt aber doch. Natürlich, möchte man meinen, der ganze Aufbau steht ja schon auf der Bühne und welche Art "technischer" Probleme sollte ein stinknormales Orchester und ein paar Schauspieler davon abhalten, ein stinknormales Konzertstück aufzuführen. Indem aber seine Nichtaufführung angesagt wird, ist dem Stück schon von vorneherein in gewisser Weise ein Freiraum eröffnet, der nicht zuletzt auch mit dem Traumszenario, das diesem Stück zugrunde liegt (die <i>Strychnine Lady </i>entstammt einem von Christous <a href="http://www.janichristou.com/works/fifthperiod/fifthperiod.html" rel="nofollow" target="_blank">Träumen</a>,
in dem er eine Frau sucht, die irgendwelchen Leuten Strychnin verabreicht), zusammenhängt. Ausserdem ist mit dieser Ansage schon klargestellt, dass dieses Stück performative Elemente einbezieht. Dass Musik erklingen wird, ist ja unübersehbar, schließlich sitzt da ein Haufen Musiker herum, aber mit der Ansage als erster Aktion und dem inszenierten Zwischenruf ist gleich klargestellt, dass es neben der Musik noch etwas anderes geben wird. Oder zumindest geben könnte. Diese Vorgehensweise ist einfacher, "natürlicher" und effektiver als zum Beispiel diejenige Schuberts in <i>Point Ones</i>, der ja mit dem anfängt, was man ohnehin erwartet (= der Musik) und erst nach und nach das Besondere (= die Gestensteuerung) einführt, was man machen kann (man kann ja grundsätzlich alles machen), was aber schwerwiegende formale Probleme aufwirft (siehe auch als unumgängliches Beispiel aus der Historie den Schlusssatz aus Beethovens Neunter; wer das formal elegant findet, der isst wahrscheinlich auch gern Fischstäbchen mit Nutella, beides für sich sehr lecker, aber zusammengenommen: naja, sagen wir mal gewöhnungsbedürftig). Wenn man sich als Zuhörer erstmal im Erwarteten eingerichtet hat, dann sorgt die natürliche Trägheit dafür, dass das Besondere immer als "Störung" und damit als erläuterungsbedürftig empfunden wird. Und etwas hinterher erklären zu müssen ist immer unelegant. Wer schonmal einen schlechten Witz erzählt hat, weiß, wovon ich spreche. (NB: Das gilt nur für aussergewöhnliche "Störungen", will sagen: einem Medienwechsel [unerwarteter Gesang in einer Symphonie, unerwartete szenische Aktionen in einem Ensemblestück usw.] und nicht so sehr für innermusikalische Brüche, bei denen es sich eigentlich genau umgekehrt verhält).<br />
Das alles soll nun nicht heißen, dass man es so machen muss oder soll, oder dass ich wüßte, dass es so und so besser zu machen sei, nein, es geht eigentlich nur darum, ein Bewußtsein für solche Abläufe und die damit verbundenen Probleme zu entwickeln. Es ist ja bekannt, dass Beethoven sich der Schwierigkeiten mit dem Gesang in der Neunten in höchstem Maße bewußt war, dass er sich ewig lang mit dem Schlußsatz rumgequält hat. Und irgendwie gibt ihm der Erfolg ja letztendlich doch recht. Aber vielleicht ist das grundsätzliche Problem dabei gar kein rein musikalisches (obwohl es das sicherlich auch ist), sondern eher ein performatives. Ich meine, es ist ja so: Da spielt eine Dreiviertelstunde lang ein Orchester eine Symphonie und im Hintergrund steht der Chor rum und die Solisten sitzen neben dem Dirigenten und man fragt sich, was die da eigentlich machen. Natürlich ahnt man schon, dass sie irgendwann singen, aber die meiste Zeit sitzen sie eben doof in der Gegend rum. Gleiches Problem auch bei den später so beliebten Streichquartetten mit Gesang im letzten Satz. Es gibt irgendwie keine befriedigende szenische Lösung für das Problem, dass die meiste Zeit vier Leute spielen und irgendwann noch jemand dazu kommt und plötzlich singt. Eine solche "Störung" ist, jedenfalls glaube ich das, nicht überzeugend innermusikalisch zu motivieren. Es wirkt immer angepappt, draufgepfropft, willkürlich, unelegant. Natürlich muss man sehen, dass die Möglichkeit eines sozusagen szenischen Eingreifens zu diesen Zeiten einfach nicht gegeben war. Insofern sind diese Stücke fremd in ihrer Zeit. Im eigentlichen Sinne also unzeitgemäß. Während es heute ohne performative Elemente gar nicht mehr geht. Das Problem hat sich dabei aber nicht einfach eine Ebene nach oben verlagert, so als müßte man nun eben das Performative motivieren. Irgendwo ist eine Grenze für das, was noch motivationsbedürftig ist und was nicht. Dass Leute auf einer Bühne irgendetwas machen, kann gar nicht mehr motivationsbedürftig sein, sonst würde man nicht mehr anfangen können. Natürlich kann man thematisieren, warum denn nun überhaupt auf einer Bühne etwas passieren soll, warum es überhaupt eine Bühne, ein Konzert, ein Theater geben soll (irgendwann landet man dann bei Flash-Mob-Aktionen, was aber auch irgendwie nur ein Wechsel des Mediums ist und nicht zwangsläufig die Lösung formaler Probleme fördert). Nein, das Problem des Performativen ist ein anderes: Es führt, wenn man ihm denn freien Lauf läßt, zur Verdrängung des Musikalischen. Das kann man an vielen, vielen, vielen Stücken der letzten Jahre beobachten. Allzuoft wird einer szenischen Idee (= einem "Konzept") die musikalische Struktur geopfert. Ja noch mehr, die musikalische Faktur wird geradezu systematisch vernachlässigt. Diese ganzen Zufallsalgorithmen, die freie Verfügbarkeit von undenkbaren Sample-Massen, die Ersetzbarkeit von realen durch virtuelle Instrumente fördern letztlich eine zunehmende Verrohung dem Musikalischen gegenüber. Grobe instrumentatorische Fehler wie eine voll aufgedrehte verzerrte E-Gitarre im Zusammenspiel mit Flöte oder Klarinette oder Cello sind einfach nicht durch irgendwelche Konzepte wegzuerklären. Es sind und bleiben Fehler. Willkürliche musikalische Verläufe, die durch keinerlei innermusikalische Logik mehr zusammengehalten werden, sind nicht cool. Jaja, das hört sich jetzt schon so reaktionär an, als würde hier der Hindrichs ohne philophischen Schutzschild rumfuhrwerken. Meinetwegen. Dabei bin ich unbedingt für Konzepte. Ich bin für Performatives. Ich bin aber gegen den Logozentrismus des Neuen Konzeptualismus. Gegen die Erdrückung des Musikalischen zugunsten eines Automatismus der Bilder, Worte und Bewegungen. Isch möschte das nischt.<br />
Was hat das alles nun mit Christou und was hat Christou eigentlich mit <i>Slayer</i> und was haben <i>Slayer</i>, Christou und die Neunte von Beethoven mit der "Transformation von Energien" und was zum Teufel hat die "Transformation von Energien" mit dem Neuen Konzeptualismus zu tun?<br />
Nix, könnte man denken, das war alles nur ein Vorwand, um mal eine der neuerdings so beliebten Tiraden gegen die aktuelle Entwicklung in der Neuen Musik loszulassen. Zumal ich ja letzthin noch getönt hatte, mir gehe die Diskussion darum am Allerwertesten vorbei. Vielleicht habe ich mich ungenau ausgedrückt. Ich würde gerne die Sache an sich (als würde es so etwas geben) von der Diskussion darum trennen. Es ist ja wohl ziemlich offensichtlich, dass die Diskussion eigentlich ein schlecht getarnter Verteilungskampf ist und es Hindrichs, Drees, Hillberg und Konsorten gar nicht um eine Auseinandersetzung in der Sache geht. Deshalb ist der Austausch von Häßlichkeiten auch so fruchtlos. <br />
Dabei täte eine wirkliche Beschäftigung mit der Sache wirklich not. Die Tatsache bleibt bestehen, dass der sogenannte Materialfortschritt an ein Ende gelangt ist. Die Tatsache bleibt bestehen, dass die Einbeziehung von performativen Aspekten eine wirkliche Chance bietet, aus der Kratzgeräuschüberbietungsorgie rauszukommen. Die Tatsache bleibt bestehen, dass es kein einfaches Zurück zu irgendetwas geben kann. <br />
Und genau hier kommen Christou und <i>Slayer</i> ins Spiel. Wenn man den Fokus auf das richten würde, was Christou "akustische Energien" nennt und was (natürlich nicht nur, aber exemplarisch) bei <i>Slayer </i>als Umwandlung von akustischer Energie in körperliche Wirkung ins Werk gesetzt ist, dann wäre dieses ganze blödsinnige Hickhack um Material und Konzepte mit einem Mal überflüssig. Es ist inzwischen nunmal alles möglich. Aber dass alles möglich ist, heißt ja noch lange nicht, dass alles gleich gut ist. Oder dass alles gleich wünschenswert ist. Nimmt man die Richtgröße der "akustischen Energie", die in und durch Musik übertragen werden soll, dann hat man, denke ich, eine gute Ahnung davon, in welchem Verhältnis zueinander die verschiedenen Elemente eines Stückes stehen sollten. Der Begriff beinhaltet schon, dass das Akustische nicht sozusagen ein dünnes Mäntelchen für ein Konzept oder eine Mono-Idee abgeben kann. Denn genau seine Energie ist es ja, um die es geht. Zumindest, wenn man an einem einigermassen strengen Begriff von "Musik" festhalten will. Darüber kann man natürlich reden, wie eng man den Begriff fassen will. Darüber muss man sicherlich reden. Bei Christou und seiner <i>Strychnine Lady </i>jedenfalls kann man sehen, wie eine Musik, die sich nicht auf sich selbst zurückzieht, sich aber auch nicht völlig ins Szenische veräußert, aussehen kann. Wenn jetzt noch die Zuhörer von der Bühne ins Publikum hüpfen, dann haben wir die Musik der Zukunft.<br />
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<br />Jakob Goljadkinhttp://www.blogger.com/profile/00956296579601798564noreply@blogger.com1tag:blogger.com,1999:blog-2377568753436832195.post-49201296811728836652014-04-29T12:36:00.004+02:002014-05-09T10:28:15.918+02:00Kommentar 37 - Interlude 1 / Blutherrschaft oder: Über den Begriff musikalischer "Härte" und warum sie wünschenswert sein soll / Fetzen einer Poetik 8Als 1986 die Platte <i>Reign In Blood </i>von <i>Slayer </i>rauskam, war damit nach vorherrschender Meinung in der einschlägigen Szene ein neuer Standard für die "Härte" von Musik gesetzt. Sie war der vorläufige (manche behaupten ja auch: endgütlige) Höhepunkt einer Entwicklung, die mit dem ersten Aufflackern des Punk Mitte der 70er in New York und der Aufspaltung in Dutzende Sub- und Subsubgenres in den frühen 80ern begonnen hatte. Irgendwie war es plötzlich wichtig, dass Musik "hart" war. Hört man sich allerdings heute frühe Punkmusik an (z.B. von den <a href="https://www.youtube.com/watch?v=mdu3EU6sbng" rel="nofollow" target="_blank"><i>Dead Boys</i></a>, <a href="https://www.youtube.com/watch?v=TP3x-VdOb44" rel="nofollow" target="_blank"><i>Richard Hell and the Voidoids</i></a>, den <a href="https://www.youtube.com/watch?v=K56soYl0U1w" rel="nofollow" target="_blank"><i>Ramones</i></a> oder den <a href="https://www.youtube.com/watch?v=-KTsXHXMkJA" rel="nofollow" target="_blank"><i>Dead Kennedys</i></a>), dann wirkt das im Vergleich zu dem, was nicht einmal zehn Jahre später von <i>Slayer </i>gemacht wurde, direkt niedlich.<br />
Abgesehen von den ziemlich wirren Texten (wer's unbedingt wissen will, kann ja mal <a href="http://www.darklyrics.com/lyrics/slayer/reigninblood.html#1" rel="nofollow" target="_blank">hier</a> nachlesen, oder es sich auch sparen), die eigentlich nur Pubertierende oder <strike>zurückgebliebene</strike> <strike>entwicklungsverzögerte</strike> <strike>einfach gestrickte</strike> jung gebliebene Erwachsene als in welcher Weise auch immer "sinnvoll" wahrnehmen können (interessant ist übrigens die Parallele zu Schlagertexten mit einer ganz ähnlichen Reihung von Substantiven, die hier aber nicht dem Heile-Welt-Liebe- , sondern dem Tod-Blut-Gewalt-Konnotationsfeld entstammen), abgesehen davon also kann man der Musik eine gewisse Energie nicht absprechen. Ich meine, natürlich ist die Klangfarbenvielfalt bei einem Ensemble aus verzerrten E-Gitarren, Bass und Schlagzeug relativ eng begrenzt, da ist keine überraschende Vielfalt von fein ausgehörten Abstufungen zu erwarten. Überhaupt ist das musikalische Material, sagen wir mal, überschaubar. Es gibt immer eine Art Grundriff, durch das ein Stück mehr oder weniger zusammengehalten wird, ein paar uncharakteristische, chromatisch angerauhte Töne in etwas charakteristischerer Rhythmisierung. Auffällig ist, dass auf die Liedanfänge besonderer Wert gelegt wird. Ich glaube nicht, dass jemand, der das Album weniger als zwanzig, dreißig Mal gehört hat, auf Anhieb ein Stück aufgrund eines Ausschnitts aus der Mitte erkennen würde. Die Liedanfänge dagegen sind ganz auf Wiedererkennung abgestellt, kein Wunder, muss doch der Fan auf dem Konzert schon nach den ersten paar Sekunden wissen, woran er ist und gegebenenfalls jubeln, weil genau dieses Stück jetzt kommt. Daher eben das (jedenfalls in der Szene) berühmte Anfangsriff von <a href="https://www.youtube.com/watch?v=a_7TMeDTX_U" rel="nofollow" target="_blank"><i>Angel of Death</i></a>, und das spielerisch-atmosphärische Gewittergrummeln von <a href="https://www.youtube.com/watch?v=z8ZqFlw6hYg" rel="nofollow" target="_blank"><i>Raining Blood</i></a> usw. Das alles sind aber im Grunde keine besonders origienellen Zutaten, das kann man so oder ähnlich bei anderen vergleichbaren Liedern vergleichbarer Bands hören<i>.</i><br />
Was macht diese Musik aber nun so "hart"? Was bedeutet es überhaupt, wenn man von Musik sagt, sie sei "hart"? Geht es nur um Lautstärke und Schnelligkeit?<br />
Bestimmt auch, aber nicht nur. Wäre die Musik bloß laut oder bloß schnell oder auch bloß laut und schnell, hieße das noch lange nicht, dass man sie als "hart" empfinden würde. Auch die Thematik der Texte, die wohl sowieso eher dem Genre geschuldet ist als irgendwelchen künstlerischen Überlegungen, ist für sich genommen kein ausreichendes Anzeichen für Härte, genausowenig wie die Tatsache, dass Tom Araya mehr schreit als singt.<br />
Laut Wikipedia ist der Begriff der <a href="http://de.wikipedia.org/wiki/H%C3%A4rte" rel="nofollow" target="_blank">Härte</a> im ursprünglichen (= physikalischen) Sinn definiert als das Mass des mechanischen Widerstandes, "den ein Werkstoff der mechanischen Eindringung eines härteren Prüfkörpers entgegensetzt". Anders gesagt: Härte heißt Undurchdringlichkeit. Und die Musik von <i>Slayer </i>ist in diesem Sinne tatsächlich "undurchdringlich". Die Oberfläche dieser Musik, so man denn von Oberfläche bei Musik überhaupt sprechen kann, bietet dem Ohr keine Angriffsfläche, keinen Punkt, an dem man in irgendeine Tiefe eindringen könnte. Das klingt jetzt möglicherweise etwas arg metaphorisch, wobei ich nicht glaube, dass man über Musik abseits eines technisch-analytischen Vokabulars anders als metaphorisch sprechen kann.<br />
Wie auch immer, das Zusammenspiel der oben aufgezählten Eigenschaften dieser Musik erzeugt einen seltsam undifferenzierten Klangstrom, der eben aufgrund dieser Undifferenziertheit undurchdringlich wirkt. Die heruntergestimmten, stark verzerrten Gitarren, die jenseits der obligatorischen (im Übrigen aber angenehm sparsam verstreuten) Gitarrensoli ein Erkennen des Tonhöhenverlaufs nicht nur erschweren, sondern geradezu konterkarieren, erwecken den Eindruck einer Geräuschkulisse, deren Oberfläche nur blockhaft wechselt und die immer nur in Kopplung mit Schlagzeug und Bass ihre rhythmische Gestaltung erhält. Es gibt also keine individuellen Freiheitsgrade der einzelnen Klangfarbspender (in welcher Musik der im weitesten Sinne populären Genres gäbe es die?) Die Riffs wirken dabei wie Einkerbungen in einem Felsen, die dem Ganzen zwar eine Struktur (in diesem Falle eine zeitliche) geben, darüberhinaus aber die Oberfläche nicht durchdringen. Das Spiel der vier Musiker ist bei all dem ziemlich <i>tight</i>, wovon man sich nicht zuletzt anhand der <a href="https://www.youtube.com/watch?v=U2BHfmk-aKI" rel="nofollow" target="_blank">Live-Mitschnitte</a> der Konzerte überzeugen kann, die in ihrer rhythmischen Präzision den Studio-Aufnahmen nicht nachstehen. Überhaupt ist rhythmische Präzision das A und O bei der ganzen Sache. Die ganzen Stops, Breaks und Tempiwechsel würden bei der geringsten Unsauberkeit ihre Wirkung verlieren. Wer schonmal für größere Ensembles oder Orchester komponiert hat, der weiß, wie unendlich schwierig es sein kann, wenn mehr als zwei Leute zum exakt gleichen Zeitpunkt rhythmisch das exakt Gleiche machen sollen. Natürlich haben <i>Slayer </i>den "Vorteil", dass ihr 4/4-Takt durchläuft und sie immer einen durchgehenden Puls haben. Das gibt es selbstverständlich in Neuer Musik so nicht. Allein schon die Andeutung eines durchgehenden Pulses in drei aufeinanderfolgenden Noten gilt ja gemeinhin als verpönt und populistisch. Dennoch ist die rhythmische Genauigkeit der Jungs von <i>Slayer</i> bewundernswert. Eine Musik, die nicht auch rhythmisch präzise ist, kann, jedenfalls nach meinem Dafürhalten, nicht hart sein. Deshalb wirken auch die Beispiele oben aus der Gründerzeit des Punk im Vergleich zu <i>Slayer </i>zwar roh, aber nicht unbedingt sonderlich hart.<br />
Ich fasse zusammen: Härte ist keine Eigenschaft, die man aus einzelnen Zutaten ableiten könnte, sie entsteht im Zusammenwirken von Geräuschhaftigkeit, Schnelligkeit, Lautstärke und präzisem Spiel und ist so etwas wie eine emergente Eigenschaft, eine Eigenschaft, die mehr ist als die Summe ihrer Bestandteile.<br />
Jetzt aber, warum finden so viele Leute, dass die Musik, die sie hören, unbedingt hart sein sollte? Klar, harte Musik hat zunächst mal immer ein hohes Provokationspotential den Eltern oder anderen Erwachsenen gegenüber, die man als Jugendlicher als spießig, langweilig, erdrückend, zum Verzweifeln vernünftig empfindet. Das ist wie mit einer Einstiegsdroge, man erfährt eine Wirkung (nämlich den Widerwillen der Eltern gegenüber solchem "Geschrei", solcher "Nichtmusik"), die Wirkung läßt aber zusehends nach und kann nur durch noch höhere Dosen und schließlich nur mit noch härterem (da ist das Wort schon wieder) Stoff erzielt werden. Hinzu kommt natürlich ein Zusammengehörigkeitsgefühl der jeweiligen Szenen, man ist unter sich, man grenzt sich von anderen Genres ab (und sei es nur als Thrash-Metaller von Death-Metallern, was Aussenstehenden wohl einigermassen absurd vorkommen mag), man trägt die entsprechende Mode, geht zu den entsprechenden Festivals usw. usf. Aber all das würde wohl kaum auf Dauer funktionieren, wenn man als Hörer die Härte der Musik nicht als in irgendeiner Form angenehm empfinden würde. Und das führt mich zurück zu dem, was ich beim Schlager schon festgestellt habe: Die körperliche Wirkung von Musik. Während der Schlager für die gesetzteren Jahrgänge eine Bewegungstriebabfuhr bewirkt, leistet z.B. der Thrash-Metal selbiges für die Jüngeren. Die Texte sind leicht zu merken (irgendwas mit Tod und Verderben wird schon dabei sein), man kann sie also beim Konzert oder im Auto schön mitschreien. Man kann wunderbar headbangen, man kann im Moshpit rumhüpfen und sich auf "spielerische" Art mit anderen körperlich auseinandersetzen. Man kann klatschen, Hände in die Luft recken, stagediven (obwohl das eher in Punkkonzerten und nicht so sehr im Thrash-Metal üblich ist) und was der körperlichen Aktivitäten noch mehr sind. Man kann und muss sich sogar bewegen. Und Bewegung fördert ja bekanntlich das eigene Wohlbefinden. Kein Wunder, dass Jugendliche nicht in sogenannte klassische Konzerte gehen. Eine ödere Veranstaltung kann man ihnen wohl kaum zumuten. Man kann sein Bier nicht in den Saal mitnehmen, es gibt keine überlaufenden Dixie-Klos, man kann keine T-Shirts der Ensembles kaufen, man kann nicht von der Bühne in einen Haufen Menschen hüpfen, die einen auffangen, man darf nicht mitsingen und schon gar nicht darf man nach Beginn des Stückes johlen, weil man es wiedererkannt hat und sich darauf freut. Ich würde als Jugendlicher auch nicht hingehen.<br />
Zuegegeben, das klingt jetzt ziemlich anti-intellektuell und irgendwie nach "Edlem Wilden" und so weiter, aber ich wiederhole mich: Ist es nicht möglich, diese rohe Energie in die aktuelle Kunstmusik aufzunehmen? Und zwar nicht auf die unerträglich herablassende, ausplündernde Weise, auf die es mit den ganzen Musiken "fremder" Kulturen geschehen ist (wenn ich noch einmal was von der Dreiviertelton-Melodik der arabischen Musik hören muss, dann trete ich wirklich noch aus der Neuen Musik aus, endgültig). Sondern vielmehr im Sinne einer radikalen Vereinfachung der musikalischen Strukturen, so dass solche körperlichen Wirkungen überhaupt erst wieder möglich werden. Noch einmal, nicht dass man mich noch mit den Heinis von der Zurück-zur-Tonalität-Bewegung oder den Langwellen-Minimalisten in einen Topf wirft: Vereinfachung heißt nicht Simplifizierung (heißt es natürlich schon, der Wortbedeutung nach, aber eben doch nicht ganz: Vereinfachung heißt für mich: mit dem geringstmöglichen Aufwand die größtmögliche Wirkung zu erzielen; Simplifizierung wäre dagegen: mit dem geringstmöglichen Aufwand die geringstmögliche Wirkung erzielen, also: dass es auch der letzte Depp noch rafft). Es kann nicht darum gehen, einzelne Elemente aus der Popmusik (ja, ihr Metaller, es ist nunmal Popmusik, da könnt ihr euch auf den langhaarigen Kopf stellen) rauszuklauben und irgendwie in ein Neue-Musik-Stück einzubauen (eine verzerrte E-Gitarre oder einen 4/4-Beat im Schlagzeug). Es geht auch nicht darum, irgendwelche formalen Vorgaben zu übernehmen, nach dem Vorbild: Intro-Verse-Chorus-Bridge-Verse-Chorus-Solo oder so.<br />
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Es geht um die Transformation von Energie. Und wie man sie bewerkstelligt.<br />
Und genau um diese Transformation akustischer Energien geht es im zweiten Interlude morgen.<br />
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Jakob Goljadkinhttp://www.blogger.com/profile/00956296579601798564noreply@blogger.com2tag:blogger.com,1999:blog-2377568753436832195.post-20576189261387900242014-04-09T09:32:00.000+02:002014-04-10T14:30:07.668+02:00Kommentar 36 - Wir müssen den Joy-Faktor erhöhen / Fetzen einer Poetik 7Demnächst geht es weiter mit der Reihe <i>Filloßofy für Dumä</i>, dann unter anderem mit Richard Wollheims <i>Objekten der Kunst</i>, Niklas Luhmanns <i>Die Kunst der Gesellschaft</i> und dem Sammelband <i>Musikalischer Sinn</i>, in dem (es ist eine traurige Angelegenheit, soviel kann ich schon mal verraten) Musikwissenschaftler über den, jep richtig: musikalischen Sinn "nachdenken".<br />
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Inzwischen werde ich mich aber mal wieder mit dem Eigentlichen beschäftigen, nämlich mit der Kunst an und für sich. Also mit aktuellen Stücken, die nicht notwendigerweise dem Neuen Konzeptualismus angehören. Genauer gesagt, ist es mir inzwischen eigentlich völlig schnuppe, welchem Ismus oder welcher Keit wer angehört. Noch genauer gesagt nervt mich die Diskussion um den Neuen Konzeptualismus inzwischen sogar. Ich bin zwar gespannt auf die nächsten MusikTexte und darauf, ob tatsächlich und ernsthaft Stücke besprochen werden, befürchte aber, dass doch nur wieder diese pubertären Schwanzvergleiche abgezogen werden ("Höhö, der Kreidler weiß ja noch nicht mal, dass 'ne Wagnertuba gar keine Tuba ist" - "Höhö, der Nyffeler ist ja so was von doof, mit dem rede ich doch gar nicht"). Und ganz arg genau gesagt ist ein Notenkopf eiförmig und ein Stück Neue Musik dauert zwischen 12 und 20 Minuten, und am Ende gewinnt immer Wofgang Rihm.<br />
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Wo war ich? Ach so. Schubert. Point Ones:<br />
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<a href="https://www.youtube.com/watch?v=CN-rIIuyNbY" rel="nofollow" target="_blank">Alexander Schubert: Point Ones, gespielt vom Nadar Ensemble.</a><br />
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Eigentlich wollte ich zuerst <a href="https://www.youtube.com/watch?v=mU_HCJ7Zfyg" rel="nofollow" target="_blank">Lucky Dip</a> vom selben Komponisten besprechen, musste aber das Ansehen des Videos wegen akuter Epilepsie-Gefahr abbrechen.<br />
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Also,<i> Point Ones</i>. Alexander Schubert verkabelt gern Menschen. In <i>Point Ones </i>ist der Dirigent verkabelt, beziehungsweise mit irgendwelchen Bewegungssensoren ausgestattet oder wird von ebensolchen irgendwie registriert. Angeblich kann er damit irgendwelche Klänge auslösen. In den Programmnotizen steht dazu Folgendes:<br />
<blockquote class="tr_bq">
Über diese technischen Faktoren hinaus soll sich das Stück auch mit dem
Vokabular des Dirigenten und der Erwartungshaltung, die mit diesen
Gesten verbunden sind auseinandersetzen. Nicht immer ist vorhersehbar,
welche Bewegung zu welchem Resultat führen wird. </blockquote>
Man merkt schon, wir sind in der Moderne. Alle naselang wird sich mit irgendeiner Erwartungshaltung auseinandergesetzt. "Kritisch", das denke ich jetzt einfach mal mit. Mit der Rolle des Dirigenten wurde und wird sich besonders intensiv schon seit Jahrzehnten auseinandergesetzt, widerspricht er doch als Quasi-Diktator so vollkommen den neuzeitlichen Idealen von Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit. Also muss er ohne Orchester dirigieren, gegen das Orchester dirigieren, irgendwelche sinnfreien Gesten vollführen, singen, tanzen und was der Einfälle noch mehr sind. Bei Alexander Schubert dirigiert er nun nicht nur, sondern ist gleichzeitig eine Art Instrumentalist, indem er die Live-Elektronik steuert. Um das Ganze noch zu verkomplizieren, ist "nicht immer vorhersehbar, welche Bewegung zu welchem Resultat führen wird". In der Praxis sieht das dann so aus, dass Daan Janssens, der das Nadar Ensemble dirigiert, Handkantenschläge oder Handgirlanden vollführt, woraufhin irgendein elektronischer oder elektronisch verfremdeter Klang gespielt wird. Dass nicht vorhersehbar sei, welche Bewegung zu welchem Klangresultat führt, ist gelinde gesagt eine Untertreibung, man weiß eigentlich nie vorher, welcher Klang jetzt an der Reihe ist. Es gibt Klicks wie von einem elektronischen Metronom, es gibt körnige Glissandi aus der Tiefe, MIDI-Chöre, Synthesizer-Klänge, das übliche Max/MSP-Sample-Gescratche usw. usf. Ein bunter Strauss an Möglichkeiten, der in scheinbarer Beliebigkeit abgefeuert wird. Passend dazu, bzw. in schöner Korrespondenz sind die Gesten auch von der eher beliebigen Sorte. Im weitesten Sinne sind es Dirigat-Gesten, denn das Ensemble muss ja auch noch irgendwie zusammengehalten werden. Diese unscharfe Trennung von Dirigat und elektronisch-instrumentaler Aktion führt bereits nach wenigen Minuten dazu, dass man dann halt gar nichts mehr erwartet und geistig abschaltet. Ist ja ohnehin aussichtslos. Zumal der recht undifferenzierte Ensemble-Satz auch nicht gerade dazu angetan ist, die Spannung über immerhin knapp 14 Minuten Musik hochzuhalten.<br />
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Um dieser leicht subjektiv gefärbten, möglicherweise schlechtgelaunt erscheinenden Kritik einen Anstrich von Objektivität zu geben, will ich hier eine Art Erwartungshaltungsprotokoll bis zu dem Punkt, an dem ich aus dem geistigen Mitvollzug ausgestiegen bin, aufschreiben.<br />
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<b>0'00''-0'14''</b> Das Stück geht los. Wir nehmen mal an, ich hätte den Programmtext mit der Erläuterung der dirigentischen Verkabelung nicht gelesen. Dann sehe ich zunächst mal ein stinknormales Neue-Musik-Ensemble mit einem Dirigenten.<br />
<i>Erwartungshaltung 1:</i> Irgendein Neue-Musik-Kram.<br />
Folgerichtig fängt das Ensemble schön ordentlich an zu spielen und spielt: Irgendeinen Neue-Musik-Kram. Der Dirigent dirigiert. Dass er irgendetwas anderes auslöst als das Spiel der Instrumentalisten, ist nicht erkennbar.<br />
<i>Erwartungshaltung 2:</i> Naja, das Ensemble fängt relativ dicht an, also wird es wohl (auf die Großform bezogen) entweder:<br />
a) noch dichter, bevor es dünner wird<br />
b) immer nur dünner<br />
c) zusätzlich oder parallel von kontrastierenden Blöcken unterbrochen.<br />
<b>0'14'' - 0'19''</b> Erster Einschnitt. Erwartungshaltung c) wurde erfüllt. Ein kontrastierender Block. Der Dirigent schlägt ab, das Ensemble verstummt. Der Dirigent haut mit der Linken zur Seite. Es piept. Man bringt das Piepen mit den Handschlägen in Verbindung. Am Schluss gibt es eine abweichende Bewegung, es ertönt ein abweichendes Piepen. Jetzt wird klar, dass der Dirigent noch was anderes macht als dirigieren. Er macht Töne.<br />
<i>Erwartungshaltung 3: </i>Entwicklung dieser Tonhervorbringungsmasche. Also:<br />
a) Überlappung mit Ensembledirigat<br />
b) weitere, vorzugsweise spezifischere und / oder komplexere Bewegungsmuster<br />
c) parallele Entwicklung der hervorgebrachten Töne, weil Piepsen ja auf Dauer irgendwie ziemlich unspektakulär ist.<br />
<b>0'19'' - 0'26''</b> Aus der Tonerzeugungsgeste heraus gibt der Dirigent den Einsatz für einen Flöten-Schwellton. Danach rechtshändige Aktion mit anderem Piepen. Dann Einsatz für Ensemblespiel.<br />
Die Erfüllung von <i>Erwartungshaltung 3a)</i> und <i>b)</i> wurde zumindest angekündigt, allerdings auf eine Weise, die Platz läßt für mehr.<br />
<b>0'26'' - 0'34''</b> Die Ensembletextur vom Anfang wird aufgegriffen. Allerdings gemischt mit einem elektronischen Klang, dessen Hervorbringung nicht verortbar ist. Der Dirigent dirigiert mit rechts das Ensemble, die Linke bleibt in der zuletzt erreichten Stellung. Verwirrung macht sich breit. Gibt es einen elektronischen Part, der nicht vom Dirigenten ausgelöst wird? Wenn ja, warum? Wenn nicht, wie steht er mit dem Piepsen von vorher und der statischen Gestik der linken Hand in Zusammenhang.<br />
<i>Erwartungshaltung 4: </i>Einerseits klar: Es gibt eine formale Dynamik zwischen Ensembleblöcken und Dirigenten-Elektronik-Aktion. Also wird:<br />
a) diese Dynamik weiterverfolgt, möglicherweise in Form einer immer stärkeren Durchdringung dieser beiden formalen Elemente.<br />
b) die Eigendynamik der beiden Elemente weiterverfolgt, das heißt also, sie werden in sich weiterentwickelt nach <i>Erwartungshaltung 2</i> und <i>3</i>.<br />
Andererseits taucht eine neue Erwartungshaltung auf, nämlich diese:<br />
<i>Erwartungshaltung 5:</i> Klärung des Zusammenhangs zwischen Gesten des Dirigenten und elektronischen Klängen.<br />
<b>0'34'' - 0'41''</b> Erstmal ist wieder der Dirigent dran. Wir kennen das Piepen ja schon. Dann aber verharrt die Linke in gewisser Höhe und das Piepen geht in einen Liegeklang über. <i>Erwartungshaltung 3c) </i>scheint sich zu erfüllen. Gleichzeitig rückt <i>Erwartungshaltung 5 </i>in den Hintergrund, weil jetzt der Zusammenhang wieder ganz klar ist. Ausserdem spielt das Klavier zu dem Liegeton eine schnelle Repetition uind sorgt so für eine Überlagerung von Elektronik und Ensemble (<i>Erwartungshaltung 4a) und b)</i>).<br />
<b>0'42'' - 0'52'' </b>Einsatz für einen neuen Ensembleblock in leichter Variation. Erkennbar ist das Klaviermotiv vom Anfang, das übrigens im zweiten Ensembleblock gefehlt hatte. Wieder gibt es eine elektronische Komponente (ein hohes Sirren oder Zirpen oder wie man es nennen will), von der man nicht zuordnen kann, ob sie vom Dirigenten ausgelöst und / oder beeinflußt wird. Es scheint so zu sein, dass während geballtem Ensemblespiel die Elektronik weitgehend frei von dirigentischer Kontrolle sich entfaltet. Das ist eine Arbeitshypothese, die aber die Frage aufwirft, was das eigentlich soll. Ich bin ja noch mit einer ganzen Menge anderer Erwartungshaltungen beschäftigt, deren Einlösung ich nachverfolge, aber über alle legt sich diese Unsicherheit, was denn nun mit diesen anderen elektronischen Klängen los ist.<br />
<i>Erwartungshaltung 6: </i>Alle bisherigen Erwartungshaltungen gelten weiterhin, wobei sich <i>Erwartungshaltung 5 </i>in den Vordergrund drängt.<br />
<b>0'52'' - 1'16'' </b>Elektronikfreies Ensemblespiel. Irgendwie verwandt mit dem vorherigen Material. Ich verbuche es unter Erfüllung von <i>Erwartungshaltung 4b). </i>Gegen Ende dieses Abschnitts tut sich was beim Dirigenten, ganz langsam hebt er den linken Arm. Inzwischen darauf geeicht, auf diese Bewegungen zu achten, versuche ich, irgendeinen elektronischen Klang rauszuhören. Es gelingt mir nicht. Erneute Verwirrung. Manchmal also löst der Dirigent gar nichts aus. Inzwischen haben wir alle drei möglichen Verbindungen von Dirigat und Elektronik durch:<br />
1) Dirigat und Elektronik stehen in einem klaren Verhältnis zueinander (Piepen)<br />
2) Elektronik ohne erkennbare Gesten<br />
3) Gesten ohne erkennbare Elektronik<br />
Weiterhin wurden folgenden musikalischen Elemente vorgestellt:<br />
1) Ensemblesatz<br />
2) Elektronisches Piepen<br />
3) Einzelinstrument mit Elektronik<br />
4) Ensemblesatz mit Elektronik <br />
<i>Erwartungshaltung 7:</i> Schwer zu sagen. Alle Optionen liegen auf dem Tisch. Also muss irgendetwas damit passieren. Grundsätzlich gibt es folgende Möglichkeiten:<br />
a) Variation<br />
b) Kontrast<br />
c) Vermischung<br />
d) immer Neues<br />
e) Wiederholung <br />
Weil das Stück bis dahin noch keinen Anhaltspunkt dafür geliefert hat, wie es denn nun die ganzen formalen Einheiten handhaben will, muss ich mit allem rechnen. Ich habe also grob geschätzt 3x4x5 = 60 verschiedene mehr oder weniger gleichwahrscheinlich erwartbare Fortführungen in diesem Augenblick. Mit anderen Worten, ich kann eigentlich erstmal gar nichts mehr erwarten, weil die Anzahl der Möglichkeiten schlicht zu groß ist. Aber was bleibt mir übrig, ich höre weiter.<br />
<b>1'16'' - 2'01'' </b>Alexander Schubert entscheidet sich dafür, erstmal das Ensemble-Element weiterzuentwickeln. Okay. Hätte man ja erwarten können. Oder auch nicht. Es gibt also diese Sforzato-Einwürfe, die sich allmählich auseinanderziehen zu einem kleinen Motiv der E-Gitarre. Zwischendurch gibt es auch mal wieder eine Elektronik-Aktion (<b>1'33''</b>). Der elektronische Klang steht eindeutig mit der Geste in Zusammenhang, ist aber nicht mit dem Piepen von vorher verwandt. Irgendwie wirkt er wie eine blosse Klangfarbe, hat aber eine retardierende formale Funktion, indem er die Ensemble-Sforzati nochmal staut. Erneut wird jegliche Erwartungshaltung unterlaufen, denn dass eine eindeutige Geste-Klang-Korrelation nun plötzlich mit einem völlig anderen Klang ausgestattet wird, ist neu und nicht erwartbar gewesen. Der Klang schwillt also ab und wieder an, schön mit der Handbewegung korrespondierend. Das Schlagzeug setzt mit einem 08/15-Beat ein, dann entlädt sich die angestaute Energie in einem ersten Höhepunkt des Ensembles. Dieser dauert dann eine ganze Zeit lang, allerdings passiert bei<br />
<b>2'02'' </b>wieder was Neues, denn das entfesselte Ensemble wird von einer sogenannten Wasserschöpf-Geste des Dirigenten unterbrochen. Der ausgelöste Klang ist eine Art 8-Bit-80er-Jahre-Spielekonsole-Glissando. Das entbehrt nicht eines gewissen Humors. Erfüllt auch <i>Erwartungshaltung 3b) und c)</i>. Während das Ensemble in der Folge weiter einen draufmacht, ungefähr bis<br />
<b>2'42'' </b>kommt eine weitere Geste zum Repertoire hinzu, die sogenannte schnelle Regalgreifgeste der Rechten bei <b>2'08''-2'10''</b>. Ihr korrespondiert ein elektronischer Klang, der sich nach einer <i>gestutterten </i>E-Gitarre anhört, wofür ich aber bei dem ihn umgebenden Ensemble-Lärm (vielleicht auch der Audioqualität des Videos geschuldet) nicht die Hand ins Feuer legen würde. Auf jeden Fall ist es wieder ein neuartiger Klang, den man notgedrungen als Klangfarbe ablegen muss, weil man ihn aufgrund seiner Vereinzelung nicht strukturell einordnen kann. Musikalisch wirkt dieser ganze Höhepunkt (zumindest ist er das lautstärketechnisch) irgendwie hilflos, er funktioniert ziemlich geradlinig nach dem klassischen Prinzip der Motivverkürzung, ohne diesem Topos eine neue Seite abzugewinnen. Aus den Instrumenten wird halt rausgeholt, was rauszuholen ist, wobei naturgemäß E-Gitarre und Schlagzeug alles andere zudecken. Der Cellist beispielsweise rödelt die ganze Zeit über die Seiten, ohne dass man ein nennenswertes Klangergebnis ausmachen könnte. Das ist instrumentatorisch zumindest fragwürdig. Oder sieht nach Verlegenheit aus, den Cellisten auch irgendwie beschäftigen zu müssen, weil er halt da ist. <br />
<b>2'24'' </b>bringt mit dramatischer Seinodernichtsein-Geste einen MIDI-Chor. Ich habe es an dieser Stelle schon längst aufgegeben, irgendwelche Erwartungshaltungen aufzustellen, was die Logik oder Entwicklung des ganzen Dirigenten-Elektronik-Komplexes angeht. Es kommt halt manchmal eine neue Geste und manchmal ein neuer Klang und manchmal (obwohl seltener) ein alter Klang mit alter Geste. Die Punkte, an denen Neues eingeführt wird, sind manchmal formale Einschnitte, manchmal aber auch nicht. Übrig bleibt eigentlich nur noch:<br />
<i>Erwartungshaltung 8: </i>Dass es jetzt bald mal wieder leiser wird.<br />
Dann aber, bei<br />
<b>2'30'' </b>stutze ich kurz. Der Dirigent hat mit der rechten Hand diesen Stutter-Klang gesteuert, dann läßt er seine Hand sinken und <b>der Klang geht weiter</b>. Ich werde misstrauisch. Entweder, die Gestensteuerung ist reiner Humbug und die Klänge werden von irgendwem hinter oder neben der Bühne einfach an den passenden Stellen abgefahren. Oder die Gestensteuerung funktioniert nur teilweise, nämlich indem an den entsprechenden Punkten einfach Samples von den Bewegungen ausgelöst werden. Zumindest aber scheint es so zu sein, dass die Möglichkeit für gewisse Klänge zu bestimmten Zeiten an- und ausgeschaltet wird. Es ist also in keinem Fall so, dass der Dirigent die alleinige Kontrolle über sein Spiel hätte. Dieser Aspekt wiederum wird überhaupt nicht im Stück thematisiert. Es wird verzweifelt an der Illusion festgehalten, der Dirigent steuere per Gesten Klänge.<br />
<br />
Dann dämmert es mir langsam: Es ist nicht nur nicht klar, wer oder was letztendlich die elektronischen Klänge auslöst oder sie kontrolliert, es ist sogar vollkommen wurscht. Es ist keineswegs notwendig, dass sie vom Dirigenten gesteuert werden. Der umgekehrte Fall wäre genauso logisch (= würde der Logik des Stückes nicht widersprechen): Der Dirigent wird von den fremdgesteuerten Klängen zu seinen Bewegungen veranlasst. Das Stück würde aber auch ohne die Bewegungen des Dirigenten denselben Eindruck machen wie mit. Die Bewegungen sind dem Stück selbst vollkommen äußerlich. Also ein Gimmick. Also Quatsch. Daher auch die ständige Unsicherheit darüber, was denn nun Sache ist. Irgendwie scheint Alexander Schubert das selbst nicht so genau gewußt zu haben. Der Dirigent sollte halt per Gesten Klänge steuern. Anstatt aber das Stück konsequent darauf auszurichten und darum herumzubauen, so dass es wirklich <i><b>notwendig</b></i> ist, dass der Dirigent so rumfuchtelt, wird diese Idee halbherzig und eigentlich als bloße Show inszeniert. Die Klänge haben untereinander keinen Zusammenhalt, die Gesten haben keinen Zusammenhalt, den Kram vom Ensemble hat man nun auch schon mehr als einmal in ähnlicher Mache gehört. Spätestens an diesem Punkt, also bei<br />
<b>2'34'' </b> lehne ich mich zurück und lasse die restlichen 11 Minuten ohne nennenswerte weitere geistige Tätigkeit über mich ergehen.Jakob Goljadkinhttp://www.blogger.com/profile/00956296579601798564noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-2377568753436832195.post-60179203187415222652014-03-25T11:06:00.002+01:002014-03-25T16:09:34.894+01:00Kommentar 35 - Bilanz einer Odyssee zu den Quellen der Weisheit<br>
Es ist an der Zeit, Bilanz zu ziehen. Immerhin ist <i>Ausgewuchtet</i> nun schon beinahe ein halbes Jahr online. Und der Skandal um meinen gelöschten Post hat nochmal eindrücklich die Vergänglichkeit des Mediums Weblog ins Gedächtnis gerufen. Ohnehin macht es den Eindruck, als würde in diesen Tagen überall irgendwie Bilanz gezogen, was vielleicht am Frühlingswetter liegt, möglicherweise aber auch nur daran, dass ich das bloß behaupte.<br>
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Die Bundesregierung zieht ihre <a href="http://www.bundesregierung.de/Content/DE/Infodienst/2014/03/2014-03-24-100-tage-grosse-koalition/2014-03-21-100-tage-grosse-koalition.html" rel="nofollow" target="_blank">100-Tage-Bilanz</a>. Überraschendes Ergebnis: "Deutschland kommt voran".<br>
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Allenthalben wird Bilanz zum Verhalten „des Westens“ in der Russland- / bzw. Krimfrage gezogen. Die Palette reicht von „<a href="http://www.cicero.de/weltbuehne/krim-krise-der-westen-hat-keine-schuld/57169" rel="nofollow" target="_blank">alles richtig gemacht und Putin ist schuld</a>“ bis hin zu „<a href="http://www.wsws.org/de/articles/2014/03/18/krim-m18.html" rel="nofollow" target="_blank">alles falsch gemacht und Putin kann überhaupt gar nix dafür</a>“. Natürlich gibt es auch ausgewogenere Meinungen, aber die sind langweilig.<br>
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Bei <a href="http://rationallyspeaking.blogspot.de/" rel="nofollow" target="_blank">RationallySpeaking</a> wird ebenfalls Bilanz gezogen, weil <a href="http://de.wikipedia.org/wiki/Massimo_Pigliucci" rel="nofollow" target="_blank">Massimo Pigliucci</a> den Blog dichtmacht, um einen neuen Blog aufzumachen, der sich nun <a href="http://scientiasalon.org/" rel="nofollow" target="_blank">Scientia Salon</a> nennt. Abgesehen davon, dass das Design des alten Blogs gruselig ans Web 1.0 erinnert hat, und ich den neuen Titel irgendwie uncool finde, verstehe ich diesen Schritt auch deshalb nicht so ganz, weil es in dem alten Blog immer so schön hoch her ging. <br>
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<a href="http://www.kreidler-net.de/" rel="nofollow" target="_blank">Johannes Kreidler</a> zieht auf seinem Blog <a href="http://www.kulturtechno.de/" rel="nofollow" target="_blank">Kulturtechno</a> Bilanz zum Neuen Konzeptualismus. Die Aufzählung von <a href="http://www.kulturtechno.de/?p=12472" rel="nofollow" target="_blank">Materialbeschaffungsalgorithmen</a> läßt meinen Verdacht wieder aufleben, dass der Neue Konzeptualismus eigentlich nur ein Materialfortschritts-Ismus auf höherer Ebene ist. Jedenfalls bleibt die Frage offen, wie aus dem Wust von Tönen denn nun ein Stück Musik werden soll.<br>
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Parallel dazu will Frank Hilberg in den MusikTexten ebenfalls <a href="http://musiktexte.de/.media/Kommentar_140.pdf" rel="nofollow" target="_blank">Bilanz zum Neuen Konzeptualismus </a>ziehen. Aber irgendwie meine ich aus seinem Text herauslesen zu dürfen, dass er das nicht besonders objektiv oder gar wohlwollend machen wird.<br>
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Im <a href="http://blogs.nmz.de/badblog/2014/03/18/contradiction-to-the-gergiev-aspects-of-moritz-last-blog/" rel="nofollow" target="_blank">Bad Blog of Musick</a> wird auch Bilanz gezogen, in schönstem "equal goes it loose"-Englisch geht es um die Frage, ob Gergiev aufgrund seiner politischen Einstellungen denn nun Chef der Münchner Philharmoniker werden kann. Dabei sollte es doch eigentlich um die Frage gehen, ob Gergiev überhaupt ein guter Dirigent ist.<br>
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Und zu guter Letzt ziehe ich Bilanz: Es war ein aufregendes halbes Jahr hier im „Internet“. Es gab Höhen und Tiefen und auch Mitten. Unvergessen bleiben die vielen Stunden anregenden Youtube-Schauens <a href="https://www.youtube.com/watch?v=RRPmb0LOezc" rel="nofollow" target="_blank"><strike>von Verkehrsunfällen auf russischen Straßen</strike></a> von aktuellen Werken der <a href="https://www.youtube.com/watch?v=W70YwiSe854" rel="nofollow" target="_blank">Neuen Musik</a>, die mich immer wieder inspiriert haben zu der Erkenntnis, dass es so auf gar keinen Fall weitergehen kann.Jakob Goljadkinhttp://www.blogger.com/profile/00956296579601798564noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-2377568753436832195.post-76104647105838375772014-02-18T16:07:00.000+01:002014-03-24T12:22:53.142+01:00Kommentar 34b - Datenhölle (Ein halbes Hähnchen ist auch ein Hähnchen, irgendwie / Philosophie für Masochisten 3)<div dir="ltr">
Wo zur Hölle ist dieser Text hin???<br />
Aus vollkommen unerfindlichen Gründen ist er plötzlich nicht mehr da. Es ist nicht das erste Mal, dass das passiert, bisher aber waren nur während des Bearbeitungsstadiums neuere Versionen plötzlich verschwunden. Jetzt ist ein veröffentlichter Text einfach weg.<br />
Um es kurz zu machen, die Besprechung von <i>Gunnar Hindrichs: Die Autonomie des Klangs</i> ist in den Tiefen der Datencloud verschwunden. Für immer. Möglicherweise aufgrund einer Verschwörung, in die das Philosophische Seminar der Uni Basel, Google und die NSA verwickelt sind. Möglicherweise aber auch einfach nur, weil ich naiv genug war zu glauben, ich müßte keine Sicherheitskopien machen. Wie auch immer.<br />
Wer den Post vor seinem Verschwinden noch nicht gelesen hat, muss mir jetzt einfach glauben, wenn ich schreibe, dass das Buch nicht weiter hilfreich in welcher Beziehung auch immer ist.</div>
Jakob Goljadkinhttp://www.blogger.com/profile/00956296579601798564noreply@blogger.com9tag:blogger.com,1999:blog-2377568753436832195.post-76937122773898062252014-02-11T12:37:00.000+01:002015-12-03T19:35:03.988+01:00Kommentar 33 (5.1.5) - Was ich neulich mal dachte, als ich kurz innehielt, um darüber nachzudenken, ob es eigentlich was bringt, dieses ganze Zeug zu lesenNichtlesen bringt auch nix.Jakob Goljadkinhttp://www.blogger.com/profile/00956296579601798564noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-2377568753436832195.post-87045484841906307592014-02-05T14:53:00.000+01:002014-04-03T08:18:54.876+02:00Kommentar 32 - Das doppelte Lottchen / Vielosohfih füe Dumma 2 / Fetzen einer Poetik 6Arthur C. Danto: Die Verklärung des Gewöhnlichen. Eine Philosophie der Kunst. Suhrkamp, 1991.<br />
<br />
Der Titel klingt schonmal nicht besonders vielversprechend. <i>Verklärung </i>hört sich stark nach dieser Karikatur an, in der ein Mathelehrer an einer Tafel links und rechts zwei gigantische Terme hingeschrieben hat und als Verbindungsglied dazwischen die Feststellung: "And here a miracle occurs." Liegt aber auch an der Übersetzung, denn im Original heißt das Ganze <i>Transfiguration of the Commonplace</i>. Für meinen Geschmack klingt <i>transfiguration</i> weniger mystisch als <i>Verklärung</i> und ich verstehe nicht ganz, warum man nicht einfach am Begriff Transfiguration festgehalten hat.<br />
Wie auch immer.<br />
Danto beschäftigt sich in seinem Buch hauptsächlich mit einer einzigen Frage, die er immer wieder neu dreht und wendet und ihr so immer neue Antworten abgewinnt, nämlich: Wenn wir zwei äußerlich absolut ununterscheidbare Objekte haben, von denen aber eines ein Kunstwerk und das andere eben nicht ist, wo oder wie oder wodurch ist dieser Unterschied feststellbar. Diese Fragestellung hat viel mit Dantos Biographie zu tun, der selbst seine Begegnung mit Warhols Kunst als "Erweckungserlebnis" beschreibt. Und so ist denn auch viel von der <i>Brillo-Box</i> die Rede usw. Wenig hingegen ist die Rede von Musik und Literatur, was daran liegen mag, dass diese Fragestellung nur sehr schwer oder scheinbar nur schwer auf diese beiden Kunstgattungen übertragbar erscheint. Ist überhaupt ein Fall vorstellbar, derart, dass von zwei absolut identischen Musikstücken eines ein Kunstwerk und das andere keines ist?<br />
Nehmen wir mal an (ich übertrage im Folgenden Dantos Argumentationskette auf ein Musikstück), wir hätten ein Stück Musik, das ohne weiteres als <i>Gebrauchsmusik</i> ohne jeden weiteren künstlerischen Wert durchgeht, also z.B. einen Werbejingle. Um uns nicht mit der Verbindung zwischen Musik und Bild herumschlagen zu müssen, nehmen wir an, es sei ein Radiojingle. Jetzt führen wir diesen Radiojingle (analog dem Ortswechsel der <i>Fontaine</i> von Duchamps) in einem Konzert auf. Und zwar 1:1. Es gibt zwei Möglichkeiten, wie ein Konzertbesucher auf dieses Stück reagieren kann:<br />
<div>
1. Es ist für ihn nach wie vor kein Kunstwerk.</div>
<div>
2. Es ist für ihn nun ein Kunstwerk, allerdings ist fraglich, ob er tatsächlich dem nackten Radiojingle das Kunstwerk-Sein zuspricht oder einem anderen, nicht-identischen Objekt, das zufällig äußerlich (= auditiv) identisch mit dem Radiojingle ist. Denn der Radiojingle als solcher hat eine klare Funktion, wenn er im Werbeblock gesendet wird, nämlich auf gewisse Eigenschaften des beworbenen Produktes hinzuweisen oder dem beworbenen Produkt ein bestimmtes Flair zu verleihen. Diese Funktionalität ist dabei nicht irgendeine Äußerlichkeit, sie ist die eigentliche Ursache und Grundbestandteil des Seins des Radiojingles. In der Konzertsituation hat der Radiojingle diese Funktion natürlich nicht, denn dann wäre er eben bloss ein Radiojingle, den man im Konzert abgespielt hätte (vielleicht eine bahnbrechende neue Möglichkeit zur Finanzierung von Neue-Musik-Konzerten). Wenn man ihn überhaupt als Kunstwerk wahrnehmen soll, dann muss er seine ursprüngliche Funktion ablegen und eine ganz andere annehmen, vielleicht die, den ganzen Werberummel zu persiflieren oder zu hinterfragen oder, oder, oder. Aber wenn der Radiojingle einen so essentiellen Teil seines Seins verliert, ist er dann nachher im Konzert noch derselbe? Im Fall des <i>musikalischen </i>Kunstwerkes ist diese Frage noch verwickelter als ohnehin schon, denn zusätzlich ist da der ontologische Status der <i>Aufführung </i>vollkommen unklar: Ist sie die Instantiierung einer Idee? Das <i>token </i>eines <i>types</i>? Das Element einer Klasse ähnlicher Elemente? Die Exemplifizierung einer Regelstruktur? Das sind philosophische Hardcore-Fragen, die ich gar nicht beantworten kann, zu denen ich aber demnächst nochmal zurückkehren werde, wenn ich mich mit Richard Wollheim und seinen <i>Objekten der Kunst</i> beschäftige.</div>
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Drehen wir doch den Spiess mal rum: Es gibt ja jede Menge Musik aus dem klassisch-romantischen E-Musik-Repertoire, das zur Untermalung von Werbung verwendet wird, man denke nur an die Rigoletto-Arie, die Gymnopedie oder die Jahreszeiten. Stellen wir uns also vor, ich komponierte ein Stück für ein Konzert, das neben der Musik auch einen gesprochenen oder gesungenen Text enthielte, der die Vorzüge eines Autos einer bestimmten Marke anpriese, so dass dieses Stück rein äußerlich in etwa die Form eines Radio-Werbespots hätte. Zugegeben, es wäre wahrscheinlich nicht ein Werk, das die Jahrhunderte überdauern würde, aber sagen wir, es wäre kunstwerkig genug, so dass es allgemein als Kunstwerk akzeptiert würde. Jetzt nehmen wir an, nach der Uraufführung entdeckt der Autohersteller des angepriesenen Autos das Stück und lässt es zukünftig in den Werbeblocks des regionalen Privatradios als ganz normalen Werbespot laufen. Es fährt also ein Konzertbesucher nach dem Konzert, in dem mein subversives Werbespot-Stück lief, nach Hause und hört im Radio dasselbe Stück als tatsächlichen Werbespot. Der Konzertbesucher weiss genau, dass ich dieses Stück als ernsthaftes Konzertstück und nicht als Gebrauchsmusik komponiert habe. Wie wird er sich zu dem Stück jetzt verhalten? Ich vermute (mit Danto), er kann gar nicht anders, als das Stück nach wie vor als Kunstwerk zu betrachten (= anzuhören). Vielleicht wird er denken, dass die Subversivität des Stückes im Werbeblock im Privatradio überhaupt erst so richtig zum Tragen kommt. Dass das Stück im Werbeblock überhaupt erst richtig bei <i>sich </i>ist. In jedem Fall, so vermute ich mal ganz stark, wird er das Stück nicht mehr als Nur-Werbejingle hören können, er wird versuchen, irgendeine Beziehung zwischen dem Stück und seinem Umfeld herzustellen, er wird versuchen dem Stück einen anderen Sinn zu geben als den, ein Auto einer bestimmten Marke anzupreisen. Kurz: Er wird das Stück trotz der Umstände weiterhin unter <i>ästhetischen Gesichtspunkten </i>hören. </div>
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Das heißt also, dass der Übergang vom Nicht-Kunstwerk-Sein zum Kunstwerk-Sein relativ einfacher herbeizuführen ist als der Übergang vom Kunstwerk-Sein zum Nicht-Kunstwerk-Sein. Das wiederum bedeutet, dass das Kunstwerk eine besondere Identität als Kunstwerk hat, die nicht so einfach abzustreifen ist. Wohingegen das blosse Objekt als Nicht-Kunstwerk in diesem Sinne keine Identität hat. Sonst wäre es gegen eine Verschiebung in einen vollkommen anderen Wahrnehmungsmodus (nämlich den ästhetischen) resistenter, als es dies augenscheinlich ist.</div>
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Danto spricht von der "ästhetischen Reaktion" oder der "ästhetischen Einstellung", die man einnehme, sobald man von einem Objekt wüßte, dass es sich um ein Kunstwerk handelt. Und die in diesem Augenblick der <i>transfiguration </i>ein ganz neues Set von Eigenschaften des Kunstwerkes enthülle, die das blosse Nur-Objekt (sein materiales Gegenstück) vorher nicht gehabt habe. Das hört sich nun doch irgendwie ziemlich mystisch an: Nur weil ich mit einer veränderten Wahrnehmung auf ein Ding schaue (ein Ding anhöre), hat es plötzlich alle möglichen Eigenschaften, die vorher aber nicht etwa bloß verdeckt waren, sondern schlichtweg nicht vorhanden. Danto sagt aber nicht mehr und nicht weniger, als dass Kunstwerke durch den ästhetischen Blick konstituiert werden.<br />
<blockquote class="tr_bq">
Der Begriff des Kunstwerks ist in dem Sinne analytisch, daß es für das Kunstwerk eine Interpretation geben muß. Ein Kunstwerk zu sehen, ohne zu wissen, daß es ein Kunstwerk ist, läßt sich in gewisser Weise mit der Erfahrung vergleichen, die man mit dem Buchdruck macht, bevor man zu lesen gelernt hat. Es als Kunstwerk zu sehen ist also wie der Übergang vom Bereich bloßer Dinge zu einem Bereich der Bedeutung. [S.192]</blockquote>
Mit anderen Worten: Sobald ich <i>weiß</i>, dass irgendein Objekt, das ich bisher nur für irgendein Objekt gehalten habe, ein Kunstwerk <i>ist</i>, sehe ich es sofort unter der Maßgabe dieses Kunstwerk-Seins und fange an, Bedeutung zu erschließen. Das heißt also, dass der Unterschied zwischen zwei äußerlich identischen Objekten, von denen eines ein Kunstwerk und das andere keines ist, darin besteht, dass ich das Objekt, das ein Kunstwerk ist, als ein Objekt wahrnehme, das <i>über </i>etwas ist, während das Objekt, das kein Kunstwerk ist, möglicherweise auch etwas darstellt, aber lediglich <i>von </i>etwas ist und nicht auch gleichzeitig <i>über </i>etwas. Hä?<br />
<blockquote class="tr_bq">
Die These [nämlich darüber, wie wir überhaupt dazu kommen, Kunstwerke als solche wahrzunehmen] ist die, daß Kunstwerke im kategorischen Gegensatz zu bloßen Darstellungen die Mittel der Darstellung in einer Weise gebrauchen, die nicht erschöpfend spezifiziert ist, wenn man das Dargestellte erschöpfend spezifiziert hat. [S.226]</blockquote>
Nehmen wir den Werbejingle, der aus seinem Werbeblock rausgerissen und im Konzert gespielt wird. Rein äußerlich betrachtet (= gehört) ist er derselbe Werbejingle wie ein paar Stunden zuvor im Radio. Und doch eröffnet die ästhetische Sicht, sobald ich weiß, dass er jetzt als <i>Kunstwerk </i>gehört werden muss, plötzlich eine komplett neue Schicht von Bedeutungsmöglichkeiten. Während der Werbejingle als Nur-Werbejingle <i>von </i>seinem Inhalt handelt (also von dem beworbenen Produkt und dessen Eigenschaften), ist der Werbejingle-als-Kunstwerk jetzt plötzlich <i>über </i>seinen Inhalt und auch <i>über </i>die Weise, wie er seinen Inhalt darstellt. Anders gesagt: Der Werbejingle-als-Kunstwerk reflektiert seinen Inhalt (= sein Dargestelltes) in einer Weise, die es dem ästhetischen Betrachter ermöglicht, Interpretationen über die Weise, wie der Werbejingle-als-Kunstwerk über seinen Inhalt reflektiert, anzustellen.<br />
<blockquote class="tr_bq">
Jede Darstellung, die kein Kunstwerk ist [also z.B. der Werbejingle], kann ein Pendant finden, das eines ist, wobei der Unterschied darin liegt, daß das Kunstwerk die Präsentationsweise benutzt, in der das Nichtkunstwerk seinen Inhalt präsentiert, um etwas im Hinblick darauf zu erreichen, <i>wie </i>[Hervorhebung im Original] jener Inhalt präsentiert wird. [...] Man wird inzwischen bemerken, daß dies vielleicht zu verdeutlichen hilft, in welcher Weise die Kopie eines Kunstwerkes kein eigenständiges Kunstwerk sein kann: die Kopie zeigt lediglich die Weise, wie das Kunstwerk seinen Inhalt präsentiert, ohne dies selbst in einer Weise zu zeigen, die etwas erreichen will: sie zielt auf einen Zustand reiner Transparenz, wie ein idealisierter Darsteller. Die Photographie eines Werkes kann hingegen sehr wohl ein eigenständiges Kunstwerk sein, wenn sie den Inhalt in einer Weise präsentiert, die etwas über den präsentierten Inhalt zeigt. [S. 224 f.]</blockquote>
Ähnlich einer Metapher ("Wenn die Struktur der Kunstwerke die Struktur der Metapher ist oder ihr sehr nahe kommt [...]", S. 264) ist das Kunstwerk seinem Inhalt gegenüber "uneigentlich". Will sagen: So wie die (sprachliche) Metapher ihren "Inhalt", also die Signifikate der einzelnen Wörter, behandelt, indem sie nämlich die Signifikate auf sich selbst zurückverweist und dadurch einen innersprachlichen Raum öffnet, der neue Konnotationen ermöglicht, genauso oder zumindest sehr ähnlich behandelt ein Kunstwerk sein Dargestelltes, indem nämlich die Weise, in der das Dargestellte gezeigt wird, auf sich selbst verweist, und in dieser Selbstbezüglichkeit ein Konnotationsraum sich auftut. Also ein Raum für Bedeutung und damit Interpretation. Interessant ist in diesem Zusammenhang der Begriff des <i>Enthymems</i>, den Danto hier einführt.<br />
<blockquote class="tr_bq">
Ein Enthymem ist ein verkürzter Syllogismus, bei dem eine Prämisse oder eine Konklusion fehlt und der einen gültigen Syllogismus ergibt, wenn, außer der Gültigkeit, die fehlende Zeile eine offenkundige Wahrheit ist oder für eine solche gehalten wird, für etwas, das voraussichtlich von jedem ohne eine besondere zusätzliche Anstrengung akzeptiert wird: eine Banalität. [S. 259]</blockquote>
Das tolle an diesem Begriff ist, dass er den geistigen Impuls erklärt, den eine Metapher oder allgemein "uneigentliches" Sprechen oder eben auch ein Kunstwerk beim Leser / Betrachter / Hörer auslöst. Durch das Weglassen eines zwar einfach zu ergänzenden ("banalen"), aber unbedingt notwendigen Zwischengliedes zwinge ich den Leser / Betrachter / Hörer dazu, die Lücke eigenständig zu schließen. Er muss das Mittelglied auffinden, will er am Interpretationsprozess teilhaben. Dazu ist <i>Wissen</i> notwendig, denn ohne ein Wissen darüber, worin denn überhaupt die Beziehung zwischen Anfangs- und Endglied bestehen könnte, also ohne einen Wissensraum, innerhalb dessen das Mittelglied auffindbar sein könnte, ist die Denkbewegung (die diesmal wirklich eine ist) nicht möglich beziehungsweise "wirkungslos" [Danto, S. 261]. <br />
Um noch einmal mein hypothetisches Werbespot-Stück zu bemühen: Es ist, selbst als Werbspot im Werbeblock gespielt, nicht <i>von </i>dem Auto, das im Text angepriesen wird, es ist <i>über </i>die Art, wie in Werbespots normalerweise Autos angepriesen werden. Es zeigt die Weise, in der normalerweise Produkte in Werbespots präsentiert werden, in einer Weise, die etwas darüber <i>ausdrückt</i>, wie normalerweise Produkte in Werbespots präsentiert werden. Diese Weise des Zeigens ist in oben erwähntem Sinn uneigentlich, weil sie eben nicht einfach den Inhalt, also das angepriesene Auto, zeigt, sondern vielmehr die Art, in der der Inhalt gezeigt wird. Um diesen enthymemischen Sprung nachvollziehen zu können, brauche ich als Hörer des Werbespot-Stücks ein gewisses Maß an Wissen, z.B. hier darüber, wie normalerweise Produkte in Werbung angepriesen werden.<br />
Nach über 300 Seiten bleibt eigentlich nur eine Frage offen: Woher zum Teufel weiss ich denn nun, wann ich ein Kunstwerk vor mir habe und wann nicht?</div>
Jakob Goljadkinhttp://www.blogger.com/profile/00956296579601798564noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-2377568753436832195.post-33103067276912547752014-01-20T17:35:00.000+01:002014-01-20T19:40:21.965+01:00Kommentar 31 - Mensch Heidegger, was hast'n da wieder fabriziert / Filosovi füa Dume 1Aus aktuellem Anlass beginne ich heute eine neue Reihe, in der ich zentrale Sätze verschiedener Philosophen zum Thema Kunst vorstelle und in Normalsprech zu übersetzen versuche.<br />
<br />
Heute: Heidegger: Der Ursprung des Kunstwerkes. Reclam, 1960. S. 56 f. (Ziffern in Klammern habe ich zur besseren Übersicht eingefügt)<br />
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<blockquote class="tr_bq">
(1) Der Ursprung des Kunstwerkes und des Künstlers ist die Kunst. (2) Der Ursprung ist die Herkunft des Wesens, worin das Sein eines Seienden west. (3) Was ist die Kunst? (4) Wir suchen ihr Wesen im wirklichen Werk. (5) Die Wirklichkeit des Werkes bestimmte sich aus dem, was im Werk am Werke ist, aus dem Geschehen der Wahrheit. (6) Dieses Geschehnis denken wir als die Bestreitung des Streites zwischen Welt und Erde. (7) In der gesammelten Bewegnis dieses Bestreitens west die Ruhe. (8) Hier gründet das Insichruhen des Werkes. (9) Im Werk ist das Geschehnis der Wahrheit am Werk. (10) Aber was so am Werk ist, ist es doch im Werk. (11) Demnach wird hier schon das wirkliche Werk als der Träger jenes Geschehens vorausgesetzt. (12) Sogleich steht wieder die Frage nach jenem Dinghaften des vorhandenen Werkes vor uns. (13) So wird denn endlich dies eine klar: Wir mögen dem Insichstehen des Werkes noch so eifrig nachfragen, wir verfehlen gleichwohl seine Wirklichkeit, solange wir uns nicht dazu verstehen, das Werk als ein Gewirktes zu nehmen. (14) Es so zu nehmen, liegt am nächsten; denn im Wort Werk hören wir das Gewirkte. (15) Das Werkhafte des Werkes besteht in seinem Geschaffensein durch den Künstler. (16) Es mag verwunderlich erscheinen, daß diese nächstliegende und alles klärende Bestimmung des Werkes erst jetzt genannt wird. [...]</blockquote>
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Es ist so einfach, sich über Heideggers Philosophie lustig zu machen, fast zu einfach ... ach nee, das hatten wir schon mal. Also, wir gehen mal davon aus, dass wir beim Lesen dieser Sätze gelacht und uns ausgelacht haben und versuchen jetzt trotzdem mal zu ergründen, was der Martin uns da eigentlich sagen will, wenn er denn was sagen will, wovon ich mal probehalber ausgehe.<br />
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(1) Wir fangen mit einer Definition an. Sehr gut. Nicht, dass wir nachher im Luftleeren herumstochern. Wir müssen ja wissen, worüber wir reden. Wir sprechen also vom Ursprung des Kunstwerkes und des Künstlers. Und erfahren überraschenderweise, dass deren Ursprünge in der Kunst liegen. Ich hätte das nicht gedacht. Nicht im Maschinenbau oder in einer Bäckerei, nein, in der Kunst! Donnerlittchen. Gut, dass wir das schonmal wissen.<br />
(2) Zweite Definition. Was ist eigentlich so ein Ursprung? Offensichtlich hat es etwas damit zu tun, wo etwas herkommt. Daher auch Herkunft. Irgendeines Wesens. Dann wird's kompliziert. Im Ursprung "west das Sein eines Seienden". Nun ist das mit dem "Sein" und dem "Seienden" bei Heidegger so eine Sache. Es würde den Rahmen hier sprengen, auch nur ansatzweise zu klären, was er damit eigentlich meint. Ich versuch's mal ganz grob: Heidegger ist ja der Meinung, dass sämtliche Philosophen vor ihm den Unterschied zwischen "Sein" und "Seiendem" nicht gesehen, verstanden oder überhaupt gemacht haben. Er behauptet, es gäbe eine ontologische Differenz zwischen diesen beiden Begriffen. Also eine "Seins"-Differenz. Er erklärt also die Differenz zwischen zwei Begriffen mit den Begriffen selbst, was es natürlich irgendwie schwer macht, einen verläßlichen Grund unter die Begriffsfüße zu kriegen. (Im Übrigen geht er mit sämtlichen Begriffen so um, siehe auch schon Satz (1)). Das heißt also in diesem Fall: Es gibt einen Unterschied zwischen dem, wie sich ein "Seiendes", also irgendein Ding, uns präsentiert und seinem eigentlichen "Sein", also dem, was es eigentlich ist. Hört sich irgendwie stark nach Kant und seinem "Ding an sich" an. Nur unverständlicher formuliert (natürlich wird diese, sagen wir mal, Parallele von Heidegger-Exegeten auf das Schärfste abgelehnt). Wie auch immer, Heidegger sagt nun also, dass im Ursprung (von was auch immer) dieses eigentliche "Sein", also das "Wesen" eines Dings, mit seiner Erscheinung, also dem "Seienden", in Eins fällt. Puuuh. Erstmal 'nen Kaffee.<br />
(3) Ja, was ist eigentlich Kunst. Ich dachte ja, darum geht es die ganze Zeit schon, aber anscheinend habe ich mal wieder nicht richtig gedacht. Also, nun mal los. Was ist die Kunst?<br />
(4) Aha, das habe ich auf Anhieb verstanden. Das mache ich auch immer so. Ich schaue mir konkrete Werke an. Irgendwelche total abgehobenen metaphysischen Erklärungsversuche interessieren mich überhaupt gar nicht. Heidegger offensichtlich auch nicht ...<br />
(5) Ein wunderbarer Satz. Und ein vollendetes Beispiel für meine Feststellung von oben, wonach Heidegger Begriffe grundsätzlich mit sich selbst definiert. Jaja, ich weiß, er glaubt, mit dieser sprachlichen "Bewegung" könne er sich dem Sein des Seienden nähern, aber das wäre ja nur der Fall, wenn tatsächlich mal eine Bewegung da wäre. Aber diese Sätze sind von einer derart trägen Statik, dass man das Gefühl hat, ewig auf der Stelle zu treten, während im Hintergrund seeeehr langsam schlecht gemalte Landschaftskulissen vorbeigetragen werden. Nun gut, wir lernen: das, was im Werk am Werke ist, ist das Geschehen der Wahrheit. Oder, anders gesagt: Ein Kunstwerk läßt die Wahrheit aufscheinen ("zum Leuchten kommen" [S. 62]). Die Wahrheit worüber? Keine Ahnung. Ich blättere das Heftchen durch und lese alle Stellen zur "Wahrheit". Aha, hier [S. 62]: "[...] zu einer Wahrheit und d. h. zu einer wesentlichen Enthüllung des Seienden als solches [...]". Okay, ich hatte mir etwas Konkreteres erhofft, aber sei's drum: Wahrheit = dass wir erkennen, dass wir nicht das Wesen der Dinge sondern nur ihre Erscheinung erkennen können. Zu diesem Behufe allerdings macht sich die Wahrheit im Seienden selbst zum Seienden und erhält dadurch den ihr eigenen "Zug zum Werk" [alles S. 62]. Woher wir (oder vielmehr Heidegger) dann wissen wollen, dass wir das Sein der Wahrheit am Zipfel hätten und nicht sie selbst als Seiendes, bleibt mir, wie so vieles andere, schleierhaft.<br />
(6) Mannmannmann, schon wieder neue Begriffe. Und schon wieder nichts Greifbares. Dass ein Streit bestritten wird ist keine besonders originelle sprachliche Erkenntnis und darüberhinaus von keinerlei Erkenntniswert. Wer aber streitet, das sind "Welt" und "Erde". Diese Begriffe hat der Heidegger doch bestimmt irgendwo genau definiert. Ja klar [S. 45]: "Die Welt ist die sich öffnende Offenheit der weiten Bahnen der einfachen und wesentlichen Entscheidungen im Geschick eines geschichtlichen Volkes. Die Erde ist das zu nichts gedrängte Hervorkommen des ständig Sichverschließenden und dergestalt Bergenden. [...]". Wo nun plötzlich die Sache mit dem "Volk" herkommt, weiß ich nicht, ich dachte, wir reden hier ausschließlich metaphysisch. Setzt man diese "Definitionen" in unseren Satz (6) ein, kommt Folgendes dabei raus: "Dieses Geschehnis denken wir als die Bestreitung des Streites zwischen der sich öffnenden Offenheit der weiten Bahnen der einfachen und
wesentlichen Entscheidungen im Geschick eines geschichtlichen Volkes und dem zu nichts gedrängten Hervorkommen des ständig Sichverschließenden und dergestalt Bergenden." Na bitte. Also ich hab's verstanden.Kann aber verstehen, wenn der eine oder andere gerne eine etwas nähere Bestimmung hätte. Also zurück auf S. 40, wo es heißt: "Welt ist nicht die bloße Ansammlung der [...] Dinge. Welt ist aber auch nicht ein nur eingebildeter [...] Rahmen. Welt <i>weltet </i>[Hervorhebung im Original] und ist seiender als das Greifbare und Vernehmbare, worin wir uns heimisch glauben." Wenn's jetzt nicht geschnackelt hat, dann weiß ich auch nicht weiter. Welt weltet. Tisch tischt. Stuhl stuhlt. Tasse tasst. Heidegger heideggert.<br />
(7) Was zur Hölle ist eine "Bewegnis"? Meint er eine "Bewegung"? Eine "Be-Weg-Nis", also die Zurücklegung eines Weges? Was ja nichts anderes als eine "Bewegung" wäre. Oder das Herstellen eines "Weges"? Wie kann sowas "gesammelt" sein? Und warum west darin, also in was auch immer, "<b><i>die </i></b>Ruhe". Und warum soll das wichtig sein? Blätter, blätter. S. 45: "Wenn Ruhe die Bewegung einschließt [was Heidegger vorher "bewiesen" hat], so kann es eine Ruhe geben, die eine innige Sammlung der Bewegung, also höchste Bewegtheit ist, gesetzt, daß die Art der Bewegung eine solche Ruhe fordert." Warum schreibt er dann später nicht "Bewegtheit" anstatt "Bewegnis"? Mal davon abgesehen, dass hier auf S. 45 so ziemlich alles durcheinander geht, was durcheinandergehen kann: Ruhe ist "freilich [!!] nur der Grenzfall der Bewegung". Also ist auch Ruhe nur eine Form von Bewegung. Also gibt es keine eigentliche Ruhe. Also operiert Heidegger mit einem uneigentlichen Begriff, also einem "verstellten Seienden". Also ist das alles bloß Wortgeklingel.<br />
(8) Ich hab mich schon die ganze Zeit gefragt, wo das "Insichruhen des Werkes" gründet. Jetzt weiß ich es: in der Ruhe. Freilich.<br />
(9) Wir fassen das bisher Gelernte zusammen: Ein Kunstwerk macht das Seiende als Seiendes sichtbar.<br />
(10) Und lernen weiter, dass wir noch nicht genug gelernt haben. Denn das "Geschehnis der Wahrheit" ist nicht nur "am Werk", sondern auch "im Werk". Neben der etwas blassen und allmählich ermüdenden, weil oft wiederholten sprachspielerischen Verwendung der aktiven und passiven Bedeutungen des Wortes "Werk" wird also das bisher Gesagte nochmal verunklart, damit wir nicht auf die Idee kommen, es sei schon irgendetwas erklärt worden. Und weil die Gedanken von sich aus keinen weiteren Impuls hergeben, wird einfach an der Sprache rumgebastelt, bis eine vermeintliche Lücke, und sei sie noch so winzig, irgendwo öffnend sich öffnet.<br />
(11) Wie, "demnach"? Aus dem ganzen undurchschaubaren Wust von doppel-, dreifach- und vierfachbödigen Pseudodefinitionen soll jetzt also eine Schlussfolgerung gezogen werden? Na gut, dann mal los. Ach nee, keine Schlussfolgerung. Das "demnach" ist hier bloss als grammatikalisches Füllsel eingesetzt und soll keine inhaltliche Folgerung anzeigen. Wir erfahren nur nochmal, dass wir von konkreten Kunstwerken reden, die schon da sein müssen, damit all der Kram, den wir über konkrete Kunstwerke gedacht haben, auch tatsächlich stimmt. Wir reden also nicht metaphysisch, sondern ganz konkret. Daher (inhaltlich / kausales "daher") auch:<br />
(12) Die Frage nach dem "Dinghaften des vorhandenen Werkes". Die "sogleich" wieder "vor uns" steht. Ja natürlich. "Sogleich". Dass im Werk ein "Dinghaftes" ist, sei ja nun unbestreitbar [S. 55: "[...] kommt auch jenes Dinghafte ins Werk. Das ist unbestreitbar."], was aber dieses "Dinghafte" sein soll außer der fast schon beleidigend offensichtlichen Tatsache, dass ein Werk immer auch ein Ding ist (ein Buch, eine Partitur, ein Bild, ein Objekt), das bleibt unklar. Später [S. 70] behauptet Heidegger dann sogar noch, dass das Dinghafte, was wir am Werk wahrnehmen, gar kein Dinghaftes sei, sondern ein "Erdhaftes". Ah ja. Also ein "zu nichts gedrängtes Hervorkommen des ständig Sichverschließenden und dergestalt Bergenden"-haftes. Also war die Rede vom Dinghaften die ganze Zeit über bloß ein "Holzweg". Um uns vorzuführen, wie doof wir sind, weil wir nicht zwischen "Dinghaftem" und "Erdhaftem" unterscheiden. Im täglichen Leben.<br />
(13) Es wird was klar. Endlich. Aber nur "dies eine" (nicht zu viel auf einmal, dabei dachte ich immer, es geht die ganze Zeit um irgendeine Klärung). Aber immerhin. Ich lese also, was nun klar wird. Werden soll. Eigentlich. Quintessenz: Das "Werk" ist ein "Gewirktes". Wenn wir das nicht beachten, dann erkennen wir nicht die Wirklichkeit des Werkes. Also das Sein des Seienden. Um Gottes Willen, das wollen wir natürlich vermeiden. Also merke: Das Werk ist ein Gewirktes. Was bedeutet das? Na ganz einfach, dass<br />
(14) beide Begriffe dieselbe Wurzel haben. Toll. Im ersten Halbsatz entschuldigt sich Heidegger dafür, dass er uns mit so einem leicht verständlichen Kram belästigt. Dann aber kommt der entlarvendste Satz im ganzen Kapitel, ja im ganzen Buch: "[...] denn im Wort Werk hören wir das Gewirkte."<br />
(15) Und wir setzen noch einen drauf auf die fortgesetzten Feststellungen des Offensichtlichen. Ein Kunstwerk heißt deshalb Kunstwerk, weil ein Künstler es gemacht hat (meinetwegen auch: weil es durch das <i>Wirken </i>eines Künstlers entstanden ist). So könnte man es hinschreiben, aber dann würde ja jeder sofort merken, dass das irgendwie total offensichtlich und überhaupt keine besonders tiefsinnige Einsicht ist. Deshalb denkt Heidegger sich flugs einen Begriff aus und nennt das Ganze dann das "Geschaffensein" des Werkes. Das verunklart nicht nur den Sinn dieses Satzes einigermassen, sondern verschafft Heidegger wieder einmal diese Lücke, die ich oben erwähnt habe, in die hinein er wieder eine Pseudobewegung vollführen kann. Weiter unten auf S. 57 heißt es nämlich: "Das Geschaffensein des Werkes läßt sich aber offenbar nur aus dem Vorgang des Schaffens begreifen." Ich denke, das Strickmuster ist klar: Erfinde einen Begriff, der eine bekannte Wortwurzel irgendwie fremdartig aussehen läßt. Erkläre diese Wortschöpfung dann mit einem bekannten Wort derselben Wortwurzel und füge in die Erklärung gleichzeitig noch einen weiteren Neologismus ein, der wiederum auf einer anderen Wortwurzel beruht und diese irgendwie fremdartig aussehen läßt und erkläre im nächsten Satz diesen neuen Neologismus mit einem bekannten Begriff derselben Wortwurzel und füge ... usw. usw. Das kann man natürlich eine Denkbewegung nennen, ich würde es eher als einen Denkbrummkreisel bezeichnen. Denn die Begriffe decken sich gegenseitig, wie die Verdächtigen in einem schlechten Krimi. Und folgerichtig kommen wir nach 80 Seiten genau da an, wo wir angefangen haben [S. 80]: "Die Kunst läßt die Wahrheit entspringen. Die Kunst erspringt als stiftende Bewahrung die Wahrheit des Seienden im Werk. Etwas erspringen, im stiftenden Sprung aus der Wesensherkunft ins Sein bringen, das meint das Wort Ursprung." Während wir die ganze Zeit dachten es geht um den "Ursprung des <b><i>Kunstwerkes</i></b>", hat Heidegger sich offensichtlich die ganze Zeit damit beschäftigt, den "<b><i>Ursprung </i></b>des Kunstwerkes" zu suchen. Oder so zu tun, als suchte er ihn. Denn irgendwie klingt dieses "Fazit" verdächtig nach dem Anfang [S.7]: "Ursprung bedeutet hier jenes, von woher und wodurch eine Sache ist, was sie ist und wie sie ist." Alles klar! Die restlichen 80 Seiten hätte es ja gar nicht gebraucht.<br />
(16) Immerhin, Heidegger hat ja wohl Humor. Ich jedenfalls habe herzlich gelacht.Jakob Goljadkinhttp://www.blogger.com/profile/00956296579601798564noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-2377568753436832195.post-80688600758953240732014-01-13T12:27:00.001+01:002014-01-13T12:27:14.178+01:00Kommentar 30 - Der Schrei 11 [Den Dschungel durchstreifend, ungläubig geflüstert]Tiga.Jakob Goljadkinhttp://www.blogger.com/profile/00956296579601798564noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-2377568753436832195.post-20208450606681192502014-01-13T12:23:00.002+01:002014-01-13T12:23:33.795+01:00Kommentar 29 - Der Schrei 10 [Als Erster die Zielbanderole erreichend, erlöst]Siga.Jakob Goljadkinhttp://www.blogger.com/profile/00956296579601798564noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-2377568753436832195.post-54584586664190029652014-01-13T12:22:00.001+01:002014-01-13T12:22:33.878+01:00Kommentar 28 - Der Schrei 9 [Mit dem Schiff von der Ostsee her kommend, ergriffen]Riga.Jakob Goljadkinhttp://www.blogger.com/profile/00956296579601798564noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-2377568753436832195.post-53844646710981770502014-01-05T12:06:00.001+01:002014-01-05T12:06:57.953+01:00Kommentar 27 - Der Schrei 8 [Tee, nach dem Skifahren zu trinken]Iagr.Jakob Goljadkinhttp://www.blogger.com/profile/00956296579601798564noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-2377568753436832195.post-42663201230178351162013-12-31T13:35:00.000+01:002013-12-31T13:46:21.868+01:00Kommentar 26 - Für die Helenisierung der Neuen Musik oder Was wir vom Schlager lernen könnenEs ist so einfach, sich über Schlager lustig zu machen. Viel zu einfach. Noch viel einfacher, als Herrn Müller von nebenan Neue-Markt-Aktien anzudrehen (für die Jüngeren: der Neue Markt war Anfang des Jahrtausends 'ne super Möglichkeit, Geld loszuwerden, wenn man zu faul war, die Scheine in einem Mülleimer selbst anzuzünden). Auf jeden Fall sind Schlagertexte saudoof, die Musik ist, naja, noch dööfer, die Arrangements klingen immer wie jahrelang fermentierter Fisch aus der Dose, die Sängerinnen sehen immer aus wie Eigenheimbesitzerinnen, die abends 40 Kilometer zur nächsten Disko mit Schaumparty fahren und sich dafür extra neuen Kajal vom Kik geholt haben, und überhaupt sind Leute, die sowas hören, entweder auch saudoof oder noch dööfer. Damit hätte ich also schonmal ganz klar gemacht, dass dieser ganze Schrott total unter meiner Würde ist und dass also meine Würde viel größer ist als die der ganzen <strike>Idioten</strike> netten Menschen, die einen Haufen Geld für Konzertkarten und CDs von Andrea Berg, Helene Fischer und Andreas Gabalier rauswerfen.<br />
Aber warum, warum nur hören so viele Leute Schlager. Was geben ihnen die ewiggleichen Klischeetexte von Herzschmerz und Sehnsucht, warum kennen sie jede Liedzeile auswendig, warum fängt bei ihnen die Hüfte an zu wackeln, wenn das MIDI-Schlagzeug loslegt? Schlager ist insofern nochmal was anderes als "normaler" Pop (im Übrigen eine Unterscheidung, auf die die Hörer von Popmusik sehr großen Wert legen, die aber weder textlich noch musikalisch ausreichend begründet oder auch begründbar ist), als dass Schlagerhörer unheimlich treue Fans sind. Jahre-, ja jahrzehntelang folgen sie <i>ihrem </i>Star, reisen ihm nach, johlen, klatschen und schunkeln bei jedem Konzert, kaufen jede neue CD, lesen jedes Fitzelchen Homestory in der <i>Echo der Frau</i>, verteidigen ihn mit erbitterter Entschlossenheit gegen gehässige Youtube-Kommentare. Das Pop-Business ist da wesentlich kurzlebiger, schnellwechsliger. Was natürlich auch daran liegt, dass eine wie auch immer geartete Entwicklung des "Künstlers" im Schlager ausgeschlossen ist. Von vorneherein. Sie ist ganz einfach nicht vorgesehen. Ein Lied der <i>Flippers </i>von vor zwanzig Jahren klingt mehr oder weniger genauso wie eines von letztem Jahr. Ein Lied von Andrea Berg wird auch in zwanzig Jahren noch genauso klingen wie heute. Würde es das nicht, wäre es ganz einfach kein Schlager mehr. Die Genregrenzen sind sehr eng gesteckt. Und die Subgenres sind ganz klar aufgeteilt und zugeordnet. Es gibt den Schmachter für die Älteren (Semino Rossi), den "Rockigen" für die etwas Jüngeren (Andreas Gabalier), die "Verruchte" für ich weiß nicht wen (Andrea Berg) und die Alleswunderbarmacherin-und-IchhättesiegernealsmeineSchwiegertochter für einfach Alle (Helene Fischer). Übergänge, Abweichungen, Entwicklungen finden höchstens in sehr genau ausgemessenen, kontrollierten Bereichen statt und sind immer gleich Anlass für eine komplette, begleitende Berichterstattung in der Regenbogenpresse ("Helene Fischer außer Rand und Band - So wild rockte sie den Saal" oder so ähnlich).<br />
Die Mechanismen dieses offensichtlich einträglichen Marktes liegen also ziemlich offen zutage. Das Interessante ist ja, dass das die Leute kein bißchen juckt. Man könnte ihnen eine gerichtsfeste Akte zusammenstellen, sie würden sich <i>ihren </i>Star nicht "wegnehmen" lassen wollen. Es ist also nicht nur vollkommen überflüssig, sondern auch geradezu kontraproduktiv, immerzu am Niveau des Schlagers rumzumäkeln. Es hilft nichts. Die, die es wissen, hören sowieso keinen Schlager - die, die Schlager hören, wollen es nicht wissen, oder wissen es vielleicht, verdrängen es aber.<br />
Aufschluss darüber, wieso das alles dennoch funktioniert, habe ich mir von <a href="http://www.huffingtonpost.de/2013/12/28/schlager-erfolgreich-fischer-berg-gabalier_n_4472584.html?utm_hp_ref=germany" rel="nofollow" target="_blank">diesem Artikel</a> erhofft, wurde aber bitter enttäuscht. Die Diskrepanz zwischen Titel und Text ist genausogroß wie bei der Regenbogenpresse. Erklärt wird gar nix, und das Fazit ist anscheinend, dass Helene Fischer allen Schlagersängern den Arsch gerettet hat, weil sie einfach toll ist. Naja.<br />
Tatsache ist doch aber, dass Schlager von der Musik "lebt". Man stelle sich mal vor, die Helene wäre keine Schlagersängerin, sondern würde als Dichterin Lesungen mit ihren Songtexten veranstalten. Ein Stadion bekäme sie mit Zeilen wie: "Ich schließe meine Augen, lösche jedes Tabu, Küsse auf der Haut, so wie ein Liebes-Tattoo, oho, oho." (aus: <a href="http://www.youtube.com/watch?v=sS2bpHkyo-4" rel="nofollow" target="_blank">Atemlos</a>), hinter einem Tisch sitzend, mit einer funzeligen Leselampe und im Bachmannduktus vorgetragen sicher nicht voll. Erst die Musik macht aus der Ansammlung von zum Reimen gezwungenen Worten ein transportables Ganzes, das so viele Menschen erreicht. Die "Melodie" ist so einfach wie nur irgend möglich, bei den obigen Worten besteht sie aus nur zwei Tönen im Terzabstand (dis - h). Beim ersten Halbvers ist das Ganze mit der Tonika H-Dur unterlegt, beim zweiten mit der Tonikaparallele gis-moll. Selbstverständlich läßt die Dominante nicht auf sich warten, beim ersten "oho" kommt sie schon, beim zweiten geht's wieder zurück zur Tonika. Mit Kanonen auf Spatzen geschossen, könnte mir jetzt jemand kommen, aber irgendwo muss man ja anfangen, etwas zu verstehen. Also: Die nackten Worte bekommen ein ziemlich durchsichtiges Kleid aus Tönen. Eine einzelne Liedzeile ist so klar wie geseihte Kloßbrühe strukturiert. Auch das Arrangement macht die Soße nicht klumpig, simple Bassdrum mit "pumpendem" Bass, mehr isses nicht. Isses aber doch. Das Tempo ist 128, also relativ flott, aber nicht zu flott, gerade richtig, dass man bei jedem Schlag die Knie leicht beugen und so den Körper in Schwingung versetzen kann. Zusammen mit den leicht zu merkenden Worten (Augen-Tabu-Küsse-Liebes-Tattoo) und der Zweitonmelodie entsteht ein System, das den Zuhörer in Ganzheit in Schwingung versetzt. Der Körper bewegt sich, die Stimme singt mit, vielleicht klatscht man noch. Und das mit vielleicht tausend oder zehntausend anderen im Gleichklang. Im Grunde also eine rein körperliche Angelegenheit. Und von daher auch vollkommen verständlich, warum der an sich unsägliche Text keine große Rolle spielt. Er dient ja bloß als Aufhänger für die Melodietöne, als Eselsbrücke. Dass er von irgendeiner "Atemlosigkeit" faselt, ist nebensächlich, solange er genügend Hauptworte hat und sich jede zweite Zeile reimt. Überhaupt ist es ein Kennzeichen von Schlagertexten, dass sie hauptsächlich mit Substantiven und Adjektiven arbeiten. Verben spielen gar keine Rolle, die meisten sind "sind", "macht", "ist", oder sie werden gleich ganz weggelassen, so dass eine Zeile oft nur eine Reihung von Adjek- oder Substantiven ist. Ist ja auch klar, der Text selbst soll keine Bewegung transportieren, das würde nur unnötig mit dem Bewegungsimpuls der Musik interferieren.<br />
Der Minimalismus der Strophen ist natürlich auch Strategie, denn erst beim Chorus soll es dann so richtig abgehen. Der Rhythmus wird durch zusätzliche Synthesizer hervorgehoben, harmonisch und melodisch ist der "Satz" jetzt ausgreifender. Die Strophe baut also die Spannung auf, die sich dann beim Chorus entlädt. Wieder körperlich. Haben vorher nur ein bißchen die Knie gewackelt, so gerät nun der ganze Körper ins Wanken, die berühmte Oberkörperhinundherdrehung setzt ein. Jetzt ist das Klatschen auch nicht mehr fakultativ sondern obligatorisch, die aufgestaute Energie muss ja irgendwohin. Nach einiger Zeit ist dieser Energieimpuls verpufft und folgerichtig gibt es einen formalen Abbruch und einen Neuaufbau mit einer zweiten Strophe. Das insgesamt höhere Energielevel als bei der ersten Strophe wird durch einen zusätzlichen Synthie, der harmonisch unterstützend eingreift, aufrecht erhalten. Es folgt das gleiche Spiel von Spannungsaufbau und -entladung. Danach gibt es aber keine dritte Strophe mehr (wahrscheinlich sind die Adjektive alle gegangen), sondern nur einen kurzen sogenannten Break und nochmal den Chorus.<br />
Der ganze Aufbau des Liedes ist bis in die kleinsten Ritzen auf körperliche Reaktion hin berechnet. Nicht direkt auf's Tanzen hin, das wäre dann schon zu viel. Nein, man soll schon am Platz stehenbleiben (nicht umsonst finden viele Konzerte in bestuhlten Hallen statt), da aber soll die Musik möglichst körperlich wirken. Warum? Körperliche Bewegung ist ja eine angenehme Sache. Auf jeden Fall angenehmer als das Rumgekauere auf einem unbequemen Stuhl, wie in der klassischen und also auch der Neuen Musik üblich. Ständig versucht man, möglichst lautlos auf der Sitzfläche rumzurutschen und die Beine auszustrecken oder anzuwinkeln oder übereinanderzuschlagen, und immer gibt es diesen elendigen Hustenreiz, der garantiert an den ganz leisen Stellen im Konzert am allerschlimmsten ist. Von solchen zivilisatorischen Zwängen ist man beim Schlagerkonzert befreit. Niemand muss stillsitzen, keinen stört es, wenn man hustet. Im Gegenteil, man bewegt sich noch ein bißchen und verbrennt die Stückchen vom Kaffeetrinken. Und das auch noch gemeinsam mit so vielen anderen.<br />
Während es also beim Schlager so ist, dass der Körper im Mittelpunkt steht und die, ähem, intellektuelle Erfahrung sich sehr in Grenzen hält, ist es bei der Neuen Musik genau andersrum. Der Körper ist eine total unerwünschte Begleitgabe zum hörenden Geist. Ich kenne kein einziges Stück Neue Musik, wo ich in Versuchung gewesen wäre, mitzuschunkeln. Nichtmal mitsingen kann man, das wäre ja noch ein Mindestmaß an körperlicher Aktivität. Beim klassisch-romantischen Repertoire geht das ja noch in großen Teilen. Beim Gefangenenchor oder der Ode an die Freude stellt sich durchaus so ein seltsam schlagereskes Gefühl ein, mitmachen zu müssen. Selbst bei der Großen Fuge. Bei der man vielleicht nicht grade die Hüfte kreisen lassen will, aber man doch bei den punktierten Rhythmen eine gewisse Körperlichkeit der Musik nicht absprechen kann.<br />
Ich vermisse bei der Neuen Musik diese Einbeziehung des Körpers. Die Mitansprache meines Körpers. Denn der Körper ist ja nicht ein bloß nervendes, ewig krankes Anhängsel an den tollen Geist. Ohne Körper gäbe es gar keinen Geist. Jegliches Bewußtsein, jegliches Subjektgefühl beginnt mit der geistigen Repräsentation des eigenen Körpers (vgl. Thomas Metzinger). Auf ihre Weise ist die Neue Musik genauso einseitig und blind wie der Schlager. Nee, ich will nicht wieder Melodien, die jeder mitsingen kann. Nee, ich will keine Stampfrhythmen in der Kunstmusik etablieren. Es müßte doch aber möglich sein, eine Musik zu machen, die den Geist nicht einschläfert und dennoch auch dem Körper sein Recht läßt. Eine Art angeschlagerte Neue Musik. Dann werden wir auch wieder die Hallen füllen, wir werden Autogrammkarten haben und die Presse wird Homestories mit uns machen: "Sein süßes Geheimnis: So lebt und liebt der Neuemusikkomponist ZX". <br />
<br />Jakob Goljadkinhttp://www.blogger.com/profile/00956296579601798564noreply@blogger.com1tag:blogger.com,1999:blog-2377568753436832195.post-45369804173507023942013-12-22T13:10:00.001+01:002013-12-22T13:10:42.935+01:00Kommentar 25 - Halbgare Eierpampe als Mittel der Erkenntnis [Teil 2] / Fetzen einer Poetik 5Hier der langersehnte zweite Teil der Besprechung von Trond Reinholdtsens "<a href="http://www.youtube.com/watch?v=5jSS33ax7mA" rel="nofollow" target="_blank">Inferno - Percussion Sonata I, based on the novel by August Strindberg</a>".<br />
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Die letzte Materialstudie (7), immerhin an die 20 Minuten lang, geht so: Der Gorilla liest ein Chemiebuch, entdeckt ein neues Material, dann kreischt sein Baby-Gorilla, daraufhin geht der Affenpapa in die Küche und macht dem Baby und sich selbst eine große Pfanne Rührei. Zwischendurch gibt er dem Baby etwas Schnaps zu trinken und nimmt auch selber ein paar Schluck aus der Pulle. Musikalisch begleitet wird die Szene vom Meistersinger-Vorspiel. Neues Material, Baby, Eier: Symbole des neuen Lebens. In Verbindung mit dem Meistersinger-Vorspiel: Neugeburt für die Oper. Das war ja einfach. Und eigentlich könnte man es damit bewenden lassen. Wenn, ja wenn da nur nicht die Sache mit dem halbgaren (oder halbrohen, je nachdem, ob man ein Opti- oder Pessimist ist) Eieromelett wäre.<br />
Diese Eierpampe, die Gorilla-Reinholdtsen sich und seinem Baby auf den Teller schaufelt, entlarvt das ganze Stück als zutiefst pubertäre Show, nicht unähnlich der Selbstinszenierung einiger Rockbands. Natürlich ist das Geschirr in der Spüle nicht abgewaschen, natürlich nimmt der Gorilla nicht abgewaschenes Besteck und Teller, natürlich säuft er Schnaps aus der Flasche, natürlich tunkt er die Ärmel seines Kostüms in die Eiermasse. Das alles soll <i>natürlich </i>eine Form von Unspießigkeit suggerieren ("Wow, ich bin so locker, dass mir das alles egal ist."). Gleichzeitig hält die Kamera aber dermaßen spießig auf alle diese angeblichen Unspießigkeiten drauf, dass sie als das rüberkommen, was sie eigentlich sind: spießige Klischees von Unspießigkeit. So stellt sich wahrscheinlich meine Oma einen Künstler vor. Gibt sogar seinem Kind Schnaps zu trinken. Verrückt, diese Künstler. Besonders evident wird diese Perpetuierung von uralten Klischees, als der Gorilla beim Eieraufschlagen sogar kurz innehält, damit die Kamera das vom Kostüm herabtropfende Eiweiß filmen kann (30'03''). Toll. Sieht aus wie Sperma. Das vom Ärmel tropft. Er hätte ja auch einfach drauf achten können, den Ärmel nicht in die Pampe zu tauchen. Stattdessen legt er es geradezu drauf an. Und zeigt es nachher auch noch stolz her. Das hinterläßt einen ziemlich schalen Nachgeschmack. Weil es die Widersprüchlichkeit des Reinholdtsen'schen Ansatzes offenlegt: Alles soll sehr uninszeniert wirken, wie im Augenblick erdacht, unfertig, roh, <i>sloppy</i>. Diese gewollte Schludrigkeit wird aber dann mit groben, unreflektiert schludrigen Mitteln ins Zentrum der Aufmerksamkeit gerückt und dadurch ihres einzigen Reizes beraubt: ihrer Unabsichtlichkeit. Es gibt nichts Peinlicheres als gewollte Unabsichtlichkeit. Wie bei schlechten Clowns, die ganz ordentlich über ihre zu großen Schuhe stolpern.<br />
Noch deutlicher, bis zu dem Punkt hin, an dem ich richtig genervt war, kommt diese Pseudo-Unabsichtlichkeit eben bei der schon angesprochenen Eierpampe heraus. Es gibt überhaupt keinen einleuchtenden Grund, warum der Gorilla die Eier im halbrohen Zustand servieren sollte. Gut, das Meistersinger-Vorspiel dauert etwa zehn Minuten und bis zu dessen Ende sollte das Omelett serviert und gegessen werden. Reinholdtsen hätte ja aber auch weniger Eier nehmen können. Die wären bis dahin gar geworden. Sind sowieso viel zu viele Eier für zwei Personen. Warum dann also so einen Haufen Eier aufschlagen? Zumal er inkonsequenterweise auch nur so tut, als würde er den Brabsch essen. Wenn er das Zeug ja wenigstens in sich reinstopfen würde. Noch nichtmal das. Als-Ob, wo man auch nur hinsieht. Entweder traut Reinholdtsen seinem eigenen Konzept nicht, oder er wollte sich schlicht nicht die gedankliche Arbeit machen, es sorgfältig umzusetzen. Wobei <i>sorgfältig </i>in diesem Zusammenhang nicht als <i>handwerklich sauber </i>zu verstehen ist, sondern als <i>konsequent</i>. Reinholdtsen will ja nicht handwerklich sauber arbeiten, das habe ich schon verstanden, und das mag ich eigentlich an seinem Ansatz. Aber bei ihm verkommt die handwerkliche Unsauberkeit zu einer bloßen Behauptung ohne Folgen, zu reinem Selbstzweck. Damit führt sie dann jedoch auch keinen Schritt weiter als dasjenige, was sie zu überwinden vorgibt: die bloße Behauptung von Handwerklichkeit. Hätte Reinholdtsen doch bloß das Omelett fertig gekocht.<br />
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P.S.: Über den weiteren Verlauf des Videos (Baby wird mit Stock gehauen und erzeugt Töne, Gorilla liest die Instrumentationslehre von Berlioz und dann "Inferno" von Strindberg, immer schön ordentlich gefilmt, so dass man auch ja die Titel lesen kann, und weint dann) decke ich den gnädigen Mantel des Schweigens.Jakob Goljadkinhttp://www.blogger.com/profile/00956296579601798564noreply@blogger.com0