Sonntag, 8. Dezember 2013

Kommentar 17 (5.1.3) - Ich dachte, ich hätte gedacht / Was ich neulich mal dachte 4

Neulich mal dachte ich einen Gedanken und dachte dann gleich, dass diesen Gedanken bestimmt schon mal jemand gedacht hat. Ist ja normalerweise kein Problem, weil jeder immerzu solche Gedanken denkt, die schon mal von jemandem gedacht wurden. Kann ja nicht jeder in einem fort brandneue Gedanken denken. War in diesem Fall aber schon ein Problem, weil ich gerne wollte, dass noch niemand diesen Gedanken gedacht hat. Also dachte ich weiter und dachte darüber nach, wie ich herausfinden konnte, ob diesen Gedanken tatsächlich schon mal jemand gedacht hat. Google, dachte ich gleich und googelte meinen Gedanken. Aber entweder hatte ich meinen Gedanken nicht gut formuliert oder der Suchalgorithmus von Google war von meinem Gedanken überfordert, auf jeden Fall fand ich keinen vergleichbaren Gedanken in Google. Dabei war ich mir inzwischen beinahe schon sicher, dass diesen Gedanken schon mal jemand gedacht haben mußte, weil es ein ganz einfacher, naheliegender Gedanke war. Oder vielleicht erschien er nur mir so einfach und naheliegend und war in Wirklichkeit vollkommen absurd und dumm. Ich versuchte, den Gedankengang, der zu diesem Gedanken geführt hatte, zu rekonstruieren. Ich hatte ein Buch gelesen und hatte beim Lesen, oder vielmehr, beim Buchstabenbetrachten, etwas gedacht. An irgendeiner Stelle im Buch hatte meine Aufmerksamkeit sich von den Buchstaben und den Wörtern gelöst und hatte sich selbstständig gemacht, während meine Augen wie Idioten weiter den schwarzen Strichelchen auf dem Papier gefolgt waren. Ich nahm das Buch zur Hand und las die letzten Seiten nochmal. Aber nicht nur kam mir das Gelesene vor, als hätte ich es nie zuvor gelesen, nein, auch meine Aufmerksamkeit klebte jetzt so an den hingeschriebenen Wörtern, dass ich die Worte im Geiste mitbuchstabieren mußte und überflüssigerweise mich selbst auch noch beim Mitbuchstabieren beobachtete, so dass in meinem Geist ein Buchstabensalat sondergleichen herrschte. Nicht alles, dass ich noch mit dem Finger die Buchstaben entlangfahren mußte wie ein Vorschüler. Ich schlug das Buch zu und machte mir einen Kaffee. Auch beim Kaffeemachen beobachtete ich mich auf das Genaueste, so dass mir jetzt jede einzelne Bewegung vorkam wie eine total künstliche, unnatürliche Aktion, was es mir sehr schwer machte, eine Tasse aus dem Schrank zu holen und sie in die Maschine zu stellen. Ich versuchte, meine Aufmerksamkeit vom Kaffeemachen abzulenken und ging geistig wieder zurück zu meinem Problem des schon mal gedachten Gedankens. Mußte aber feststellen, dass der Gedanke an sich plötzlich weg war. Einfach weg. Ein Loch im Kopf. Ich bewegte mich geistig an die Ränder des Loches und versuchte anhand der Fransen den Gedanken zu rekonstruieren. Nichts. Ich erinnerte mich nicht mal mehr daran, zu welchem Thema ich diesen Gedanken gedacht hatte. Allmählich wurde ich wütend. Und mit der Wut stieg meine Überzeugung, dass diesen Gedanken noch überhaupt niemand jemals gedacht hatte. Dass dieser Gedanke ein genialer Gedanke war. Und ich hatte ihn vergessen, weil ich ihm nicht getraut hatte. Gedanken sind ja doch wie Hamster: Wenn man sie nicht ganz behutsam behandelt, werden sie ganz scheu und verkriechen sich in irgendeiner Ecke, aus der man sie nicht mehr herausbekommt. Und wenn man sie zu sehr unter Stress setzt, werden sie krank und sterben. Ich beschloss also, statt den Gedanken zu versuchen einzukreisen und aus seinem Gedächtnisloch herauszutreiben, diesen Text hier zu verfassen und begann also, ihn zu schreiben. Beim Schreiben denke ich, dass bestimmt schon mal jemand einen solchen Text über einen verlorenen Gedanken geschrieben hat. Und denke darüber nach, wie ich herausfinden kann, ob schon mal jemand einen Text über einen verlorenen Gedanken geschrieben hat. Google, denke ich und google ...

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